Tripper, Chlamydien & Co.

Luzerner sollen sich gratis testen lassen können

Der Luzerner Stadtrat will sexuell übertragbare Infektionen mit Gratistests eindämmen. (Bild: Womanizer Wow Tech/Unsplash)

Der Luzerner Stadtrat will im Rahmen eines dreijährigen Pilotprojekts Gratistests für sexuell übertragbare Infektionen anbieten. Davon profitieren sollen Junge und finanziell schlechtergestellte Personen.

Seit der Jahrtausendwende nehmen Infektionen mit Chlamydien schweizweit zu. Im vergangenen Jahr wurden dem Bundesamt für Gesundheit über 13’000 Fälle gemeldet. Das waren rund 700 Fälle mehr als 2021.

In Zürich können sich junge Menschen seit diesem Sommer im Rahmen eines Pilotprojekts gratis auf sexuell übertragbare Infektionen testen lassen. Die Gratistests sind für alle unter 25-Jährigen und «KulturLegi»-Berechtigte erhältlich. Der Ansturm ist riesig. Monatlich werden rund 260 Beratungsgespräche und Tests durchgeführt. Die Termine sind auf mehr als einen Monat ausgebucht.

Auch in der Stadt Luzern soll es Gratistests geben, forderten die Grünen/Jungen Grünen. «So können einerseits Infektionen erkannt und die Betroffenen behandelt werden, andererseits wird die Infektionskette unterbrochen und weiteren Infektionen vorgebeugt», forderten die Grossstadträte in einem eingereichten Postulat (zentralplus berichtete).

Stadtrat steht hinter Gratistests

Nun liegt die Antwort des Stadtrats vor. Dieser begrüsse den Vorschlag «ausdrücklich», wie er festhält. Mit Blick auf Zürich schreibt er: «Der Ansturm zeigt, dass sich die wenigsten jungen Leute teure Tests in klassischen Praxen leisten können.» Mit Gratistests würde man offenbar jene erreichen, für die ein solcher Test sonst finanziell nicht drin sei.

Auch der Stadtrat findet es wichtig, Jugendliche über Geschlechtskrankheiten aufzuklären und einen leichteren Zugang zu Tests zu schaffen. Zum einen sei die Scham eine grosse Hürde, die viele daran hindere, mit einer medizinischen Fachperson über das eigene Sexualverhalten zu sprechen. Doch auch die zu hohen Kosten seien Grund, sich gegen einen Test zu entscheiden.

Deswegen möchte die Stadtregierung die Prävention und Früherkennung von sexuell übertragbaren Infektionen mit einem kostenlosen Test- und Beratungsangebot für bestimmte Zielgruppen im Rahmen eines dreijährigen Pilotprojekts verstärken. «Das rechtzeitige Testen und die Beratung von potenziell erkrankten Personen vermeiden nicht nur gesundheitliche Folgen, sondern führen auch zu einem Rückgang der Infektionen in der gesamten Bevölkerung», schreibt der Stadtrat.

So sieht es mit den Kosten aus

Für eine vertiefte Überprüfung rechnet der Stadtrat mit einem «relativ hohen Personalaufwand». Dafür würden die bestehenden Personalressourcen in den zuständigen Dienstabteilungen nicht reichen. Der Stadtrat rechnet mit zusätzlichen Personalkosten in Höhe von 20’000 Franken. Auch die Vorabklärungen seien umfangreich. So brauche es unter anderem Vorverhandlungen und einen Entwurf für eine Leistungsvereinbarung mit Testanbietern wie beispielsweise S&X, die in Luzern solche Tests anböten (zentralplus berichtete), oder auch anderen etablierten Testanbietern.

«Krankheiten werden durch die Krankenkasse sowieso durch die Allgemeinheit bezahlt, je früher sie erkannt werden, desto geringer sind die Behandlungskosten.»

Jona Studhalter, Luzerner Grossstadtrat (Junge Grüne)

Wie tief die Stadt für die Umsetzung in die Tasche greifen muss, könne der Stadtrat nur grob abschätzen. Bei den rund 9500 Personen in der Stadt, die zwischen 15- und 25-jährig sind, rechnet die Stadt mit Kosten in Höhe von rund 650’000 Franken, verteilt auf die drei Jahre. Darin sind die rund 3000 «KulturLegi»-Berechtigte noch nicht miteingerechnet.

Stadtrat Martin Merki betont, dass sich die Ansteckungszahlen bei Geschlechtskrankheiten seit einigen Jahren wieder erhöht haben. «Als Gesellschaft sollten wir Jugendlichen und jungen Erwachsenen Testmöglichkeiten in einem niederschwelligen und geschützten Rahmen bieten, zugunsten ihrer eigenen Gesundheit sowie der Gesundheit aller Beteiligten.» Teil der Projektausarbeitung werde sein, möglichst viele Menschen der Zielgruppe zu erreichen, damit diese für die Ansteckungsgefahr sensibilisiert werden.

Warum die Allgemeinheit die Kosten bezahlen soll

Grossstadtrat Jona Studhalter von den Jungen Grünen freut sich über die Haltung des Stadtrats. Auch er spricht die finanzielle Hürde sowie die hohe Scham an, die ein frühes Erkennen einer Infektion erschweren würden. «Mit Gratistests werden beide Schwellen abgebaut.» Etwas provokant hakt er nach: «Ich lade alle ein, sich selbst die Frage zu stellen: Möchtest du, dass deine Tochter oder dein Sohn lieber mit einer getesteten oder einer ungetesteten Person einen One-Night-Stand hat?»

An die Kritiker, welche beanstanden, warum die Allgemeinheit die Kosten übernehmen solle, sagt er: «Krankheiten werden durch die Krankenkasse sowieso durch die Allgemeinheit bezahlt, je früher sie erkannt werden, desto geringer sind die Behandlungskosten. Unter dem Strich kommt es vermutlich günstiger, Gratistests anzubieten.»

Fachstelle begrüsst Beseitigen von finanzieller Hürde

Die Fachstelle S&X äusserte bereits im Herbst gegenüber zentralplus, dass die Idee bei ihr auf Anklang stosse. Die Fachstelle könnte jungen Personen Empfehlungen abgeben, wie diese sich möglicherweise noch besser vor sexuell übertragbaren Infektionen schützen könnten. «Junge Menschen bekommen früh ein Bewusstsein dafür, ihrer sexuellen Gesundheit Sorge zu tragen», hielt Susanne van Gogh fest.

Weiter könnten Ansteckungsketten unterbrochen werden. Und auch sie sprach die finanzielle Hürde an, die damit beseitigt werde. «Ohne diese Hürde besteht bei den jungen Menschen offensichtlich der Wille, die Zeit dafür zu investieren und Verantwortung für die eigene sowie für die Gesundheit der Sexualpartnerinnen und -partner zu übernehmen.»

Ob das städtische Parlament dies gleich sieht, wird sich voraussichtlich an der Sitzung vom 21. Dezember zeigen.

Verwendete Quellen
  • Postulat 287 der Grünen/Jungen Grünen der Stadt Luzern
  • Stellungnahme des Stadtrats zum Postulat 287
  • Schriftlicher Austausch mit Jona Studhalter, Grossstadtrat Junge Grüne
  • Telefonat mit Martin Merki, Luzerner Stadtrat
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 12.12.2023, 19:37 Uhr

    Naja, so muss die Allgemeinheit, für rücksichtslose, egoistische Dödels zahlen, nur weil diese I…..n zu faul und zu egoistisch sind, eine Lümmeltüte zu benutzen. Die Ausrede mit dem kein Geld für Präser, ist auch ein Chabis, es gibt viele Institutionen und Vereine, die gratis Präser abgeben. Ist das gleiche egoistische verhalten, wie bei Corona und Maske tragen.

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  • Profilfoto von Chanelle
    Chanelle, 12.12.2023, 14:03 Uhr

    Kein Geld für Kondome= kein Sex

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  • Profilfoto von Bea
    Bea, 12.12.2023, 12:29 Uhr

    Es gibt Kondome die nicht zu teuer sind und mit denen man sich schützen kann. Es liegt am Interesse jedes und jeder Einzelnen dass man sich nicht ansteckt oder angesteckt wird.Wieso soll die Allgemeinheit dafür aufkommen, wenn man ohne Gummi in der heutigen Zeit Sex haben will.

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