In Luzern fordert man jetzt Gratistests

Sex mit Folgen: Chlamydien und Tripper sind auf dem Vormarsch

Der Gummi schützt. (Bild: Charles Deluvio/Unsplash)

In Zürich können sich junge Menschen gratis auf sexuell übertragbare Infektionen testen. Diese Forderung kommt nun auch in Luzern aufs Tapet. Eine Expertin begrüsst das – denn die Jungen seien sich gewissen Risiken schlicht nicht bewusst.

Dass Chlamydien nicht lustig sind, weiss man spätestens seit dem britischen Film «Lovesick» – einer romantischen Komödie über eine Geschlechtskrankheit. Dylan infiziert sich mit Chlamydien und informiert alle Frauen in seiner Vergangenheit, mit denen er geschlafen hat – in alphabetischer Reihenfolge. Das sorgt für ordentlich Chaos.

Infektionen mit Chlamydien nehmen in der Schweiz laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) seit der Jahrtausendwende deutlich zu. Für das Jahr 2022 wurden dem BAG über 13’000 Fälle gemeldet – rund 700 Fälle mehr als im Vorjahr. Dafür sinkt die Anzahl der Diagnosen mit dem Humanen-Immundefizienz-Virus (HIV). 2022 wurden dem BAG noch 346 Fälle gemeldet, in den 1990er-Jahren waren es durchschnittlich 1300 Fälle pro Jahr.

In Zürich sind Gratistests der Renner – in Luzern gibts sie nicht

Auch wenn es vielleicht nicht jedermanns Small-Talk-Thema ist: In Zürich rennen sie derzeit die Bude ein, um sich auf sexuell übertragbare Infektionen testen zu lassen. Im Rahmen eines Pilotprojekts, das seit Juni dieses Jahres läuft, können sich alle Zürcherinnen bis 25 Jahren an zwei Standorten in der Stadt gratis auf sexuell übertragbare Infektionen testen lassen. Der Ansturm sei riesig, berichtete der «Tages-Anzeiger» kürzlich.

In Luzern gibt es keine solchen Gratistests. Wer wissen will, ob er Chlamydien oder Tripper hat, muss hierfür ordentlich Geld hinblättern. Testen kann man sich beispielsweise bei der Fachstelle S&X Sexuelle Gesundheit Zentralschweiz (zentralplus berichtete). Ein Test auf die gängigsten sexuell übertragbaren Infektionen – HIV, Syphilis, Chlamydien und Tripper – kostet 120 Franken.

Die Grünen/Jungen Grünen der Stadt Luzern fordern nun mit Blick nach Zürich auch hier: Gratistests für alle unter 25-Jährigen und KulturLegi-Berechtigte Stadtluzerner. Zu diesem Zweck haben sie ein Postulat eingereicht. Gratistests seien gut, weil dadurch die finanzielle Barriere wegfalle. «So können einerseits Infektionen erkannt und die Betroffenen behandelt werden, andererseits wird die Infektionskette unterbrochen und weiteren Infektionen vorgebeugt.»

Die Idee stösst in Luzern auf Anklang

Bei der Fachstelle S&X stösst die Idee auf Anklang. Das Pilotprojekt zeige, dass das Angebot in Zürich sehr gefragt sei. «Wir dürfen davon ausgehen, dass es in Luzern nicht anders ist – und deshalb eine gute Idee ist», erläutert die Geschäftsleiterin Susanne van Gogh auf Anfrage.

Aus Sicht der Gesundheitsförderung und Prävention sei das Angebot in vielseitiger Hinsicht «sehr sinnvoll». Wie van Gogh ausführt, erfolge das Testen im Rahmen einer spezialisierten Fachstelle wie in Zürich – oder eben bei S&X in Luzern – nach einem speziellen Prinzip: der freiwilligen Beratung und Testung. Das heisst, die Initiative zum Test erfolgt durch die Personen selbst. Das Konzept basiert also auf Eigenverantwortung und Freiwilligkeit. Zudem empfiehlt das BAG den Fachstellen, dass bei einem STI- oder HIV-Test immer auch eine Anamnese zum Sexualverhalten sowie eine Vor- und Nachberatung durchgeführt wird.

Laut van Gogh haben Gratistests für unter 25-Jährige mehrere Vorteile. Einerseits kann die Fachstelle jungen Menschen Empfehlungen abgeben, wie diese sich möglicherweise noch besser vor sexuell übertragbaren Infektionen schützen können. «Junge Menschen bekommen früh ein Bewusstsein dafür, ihrer sexuellen Gesundheit Sorge zu tragen.» Weiter können Ansteckungsketten unterbrochen werden. Und: Die finanzielle Hürde wird beseitigt. Gemäss der Geschäftsleiterin ist das eine «sehr grosse Hürde», die damit aus dem Weg geschafft wird. Mit Blick nach Zürich sagt sie: «Ohne diese Hürde besteht bei den jungen Menschen offensichtlich der Wille, die Zeit dafür zu investieren und Verantwortung für die eigene sowie für die Gesundheit der Sexualpartnerinnen und -partner zu übernehmen.»

Mehr Männer lassen sich testen

S&X hat im Sommer 2020 ihr Angebot erweitert und einen Checkpoint eröffnet. Das damals bereits bestehende Testangebot wurde damit Teil der nationalen Checkpoint-Gruppe, die insbesondere der schwulen Community eine Anlaufstelle bietet (zentralplus berichtete).

Der Checkpoint wächst seither dementsprechend. Seit April 2022 hat S&X die Kapazitäten zum Testen um ein Drittel erhöht, womit die Wartefrist auf rund zwei bis drei Wochen gesenkt werden konnte, wie ein Blick in den Jahresbericht zeigt. «Die Anzahl der Tests pro Jahr hat die Tausendergrenze überschritten. Und der Trend scheint ungebrochen», steht darin.

Am meisten wurde auf Chlamydien positiv getestet, gefolgt von Gonorrhoe (Tripper) und Syphilis:

Das deckt sich mit den Zahlen schweizweit. So wurden laut Zahlen des BAG vergangenes Jahr schweizweit über 13’000 neue Chlamydien-Fälle gemeldet. Im Kanton Luzern waren es knapp 500 Fälle, im Kanton Zug 164. Am zweithäufigsten ist Gonorrhoe (Tripper). Landesweit waren es 2022 über 5000 neue Infektionen.

18- bis 25-Jährige sollten noch besser erreicht werden

Bei S&X lassen sich insgesamt mehr Männer als Frauen testen. So haben sich im vergangenen Jahr 563 Luzerner und 283 Luzernerinnen bei S&X getestet. Weitere kamen aus den Kantonen Nid- und Obwalden, Uri, Zug und anderen Kantonen.

Die Klientel sei aber «sehr durchmischt», sagt van Gogh. Männer, die Sex mit Männern haben, würden schon seit mehreren Jahren gezielt angesprochen und durch verschiedene Kampagnen und Anreize zum Testen bewogen werden. «Das Bewusstsein ist in dieser Community erhöht und entsprechend machen sie einen verhältnismässig grossen Teil unserer Kundschaft aus.» Es kämen aber auch Menschen jeder Altersklasse sowie jeder sexuellen Orientierung und Identität, die wechselnde Sexualpartner haben oder sich am Anfang einer neuen Beziehung testen lassen möchten.

«Wir machen die Erfahrung, dass ihnen gewisse Risiken schlichtweg nicht bewusst sind.»

Susanne van Gogh, Fachstelle S&X

Noch besser erreichen müsste man laut van Gogh junge Erwachsene, insbesondere 18- bis circa 25-Jährige, die ihre Sexualität vielfältig und teilweise mit vielen wechselnden Partnerinnen leben. «Wir machen die Erfahrung, dass ihnen gewisse Risiken schlichtweg nicht bewusst sind.» Ausserdem sprechen sie beim STI-Check auch die Impfungen an, die einen weiteren Teil der Präventionsmöglichkeiten abdecken. «Junge Menschen zu erreichen, ist eine wertvolle, langfristige Investition», so van Gogh.

Hinweis: In einer ersten Version hiess es, dass sich mehr Frauen als Männer bei S&X testen lassen. Das ist falsch. Die entsprechende Textstelle wurde korrigiert.

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10 Kommentare
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    Reto, 27.10.2023, 09:02 Uhr

    An die Redaktion:
    Die Aussage, dass sich im Jahr 2022 mehr Frauen als Männer bei S&X testen liesen ist falsch.
    Die Zahlen sind gerade umgekehrt. Dies kann im Jahresbericht 2022, der onnline ist, entnommen werden.
    Bitte berichtigen.
    Ausserdem sind es nicht nur Luzerner, sondern auch Leute aus anderen zentalschweizer Kantonen, die sich da testen lassen. Es sind verschiedene Kantone an S&X beteiligt.

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  • Profilfoto von Noli
    Noli, 15.09.2023, 07:46 Uhr

    Wieso soll die Allgemeinheit diese Tests bezahlen.
    Es wird ja immer extremer mit diesen Forderungen aus der linken Ecke

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    • Profilfoto von Markus Rotzbeutel
      Markus Rotzbeutel, 16.09.2023, 17:29 Uhr

      Weil es Volkswirtschaftlich sinn macht. So ähnlich tönen die Argumente der Autofahrer wenn es um Strassensubventionen geht, oder Kulturfans zu Kultursubventionen, oder die SVP zu den Bauernsubventionen. Aber in diesem Fall macht es ausnahmsweise Sinn, weil die Arbeitgeber da stark profitieren wenn Leute arbeitsfähig bleiben.

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    Jerome Halter, 14.09.2023, 11:50 Uhr

    Was soll sonst noch gratis sein? Hm… Zuhause rumsitzen ist auch nicht gut, ich will ein gratis Fitness Abo!

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    LD, 14.09.2023, 10:16 Uhr

    Im zweitletzten Satz steckt der wahre Hintergrund.

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      Marie-Françoise Arouet, 14.09.2023, 11:34 Uhr

      Und – zack – haben wir die Kurve zur Verschwörungstheorie wieder geschafft. Irgendwas mit Davos, oder, mit Bill Gates und Soros und all so was?

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      Jerome Halter, 14.09.2023, 11:52 Uhr

      Da ist der Schwurbler schon getriggert. Du, Impfungen sind gut, lies mal etwas Medizingeschichte und lerne daraus!

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 14.09.2023, 08:32 Uhr

    Nicht „man“ fordert in Luzern Gratistests, sondern die eine der zwei Beamtenparteien, also die üblichen Verdächtigen. Bloss: Wie kommen die auf die Idee, ihre Klientel sei stark betroffen?

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    Kritischer Blick, 14.09.2023, 08:26 Uhr

    Ich hätte auch noch gerne einige Vorsorgeuntersuchungen durch den Steuerzahler bezahlt, unabhängig zu welcher Altersgruppe ich gehöre.

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    Roli Greter, 14.09.2023, 05:54 Uhr

    Die Zielgruppe soll besser erreicht werden? Viel Glück 😂

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