Elternberatung Zug verzeichnet Anstieg seit Corona

Eltern sind nach der Pandemie am Ende ihrer Kräfte

Viele Eltern waren während der Corona-Pandemie besorgt um ihre Kinder. (Symbolbild: Adobe Stock)

Kinder- und Jugendpsychiatrien sind am Anschlag. Das spüren auch die Eltern, welche die Krise mittragen. Elternberaterinnen haben alle Hände voll zu tun. So auch die Elternberatung punkto Zug.

Die Pandemie macht den Jugendlichen stark zu schaffen. Viele fühlen sich nicht gehört, nicht verstanden – sie fühlen sich vergessen (zentralplus berichtete). Manchen geht es so schlecht, dass sie sich selber verletzen, depressiv werden oder unter Suizidgedanken leiden.

Schweizer Kinder- und Jugendpsychiatrien sind darum am Anschlag. Und wenn die Kinder leiden, so leiden auch die Eltern mit. Das spüren auch Elternberatungen – wie der Verein punkto Zug. In den beiden Corona-Jahren verzeichnen sie einen Anstieg der Beratungen. Letztes Jahr haben die Beraterinnen 670 Familien und Jugendliche beraten, 2020 waren es noch 595.

Mehrfachbelastung führte bei Eltern zur Erschöpfung

«Den Alltag zu meistern, war für die Eltern eine Herkulesaufgabe», sagt Melitta Steiner, Bereichsleiterin Beratung bei der punkto Kinder-, Jugend- und Elternberatung Zug. «Die übliche sogenannte Doppelbelastung von Beruf und Familie ist zu einer permanenten Mehrfachbelastung angewachsen. Und dies, ohne dass Eltern mehr Ressourcen für die Bewältigung zur Verfügung hatten.»

«Väter unterschätzen ihre Rolle oft. Sie denken, sie seien nicht so wichtig, was ein grosser Trugschluss ist.»

Melitta Steiner, punkto Zug

Neben der Challenge, Homeoffice, Kinderbetreuung und Homeschooling unter einen Hut zu bringen (zentralplus berichtete) kamen Ängste hinzu, wie gefährlich das neue Virus ist. Sorgen um Angehörige, den Arbeitsplatz – oder die Befürchtung, selber zu erkranken. Für Alleinerziehende war die Pandemie besonders belastend, so Steiner. Gerade, weil auch die Angst mitschwang, selber zu erkranken und durch den Ausfall alleine nicht mehr alles stemmen zu können.

Du brauchst Hilfe?

Du hast Sorgen oder dir bereitet ein Konflikt Sorgen? Eltern finden beim Verein punkto Zug Hilfe. Telefonisch ist die Elternberatung über 041 728 34 40 erreichbar. Ausserhalb der Öffnungszeiten ist der Elternnotruf für dich da – per E-Mail oder telefonisch.

Auch die Dargebotene Hand ist eine mögliche Anlaufstelle unter der Nummer 143. Kostenlos und rund um die Uhr wird dir auch über die Nummer 147 (Pro Juventute) geholfen.

Wenn die Kinder leiden, leiden die Eltern mit

Den Kindern und Jugendlichen machte insbesondere der soziale Lockdown zu schaffen (zentralplus berichtete). Das soziale Leben stand für sie in Zeiten von geschlossenen Schulen und eingestelltem Vereinsleben gefühlt still (zentralplus berichtete).

Diese Einschränkungen wogen laut Melitta Steiner schwer. Die Situation belastete auch die Eltern. «Viele Eltern waren besorgt und wussten nicht, wie sie ihren Kindern helfen können. Schliesslich leiden sie immer mit, wenn es ihren Kindern nicht gut geht», sagt auch Melitta Steiner. Schnell würden sie sich Sorgen machen, sind beunruhigt. «Das kann zur Erschöpfung bis hin zu situativen Zusammenbrüchen führen.»

In solchen Situationen suchen Eltern bei der Elternberatung Rat. Die Erziehungswissenschaftlerin erzählt von Eltern am Telefon, die eine Zeit lang einfach geweint haben. Andere sagten, dass sie nicht mehr weiterwissen. Dass sie nicht mehr können. Oder sie fragten, ob es normal sei, wie sich ihr Kind verhalte, ob dieses Verhalten schon eine psychische Störung sei. «Eine Mutter meldete sich bei uns, weil ihre Tochter mache, was sie wolle. Sie hatte das Gefühl, das Kind entgleite ihr. Sie hatte Angst, den Kontakt zu ihrer Tochter zu verlieren.»

Andere Eltern suchten Rat, weil sich ihre beiden Kinder ständig miteinander zanken. Das ältere Kind trotze oft, stemme sich gegen alles und sei kaum zu bändigen. «Die Mutter weiss nicht mehr weiter, ist erschöpft und möchte die Situation besprechen. Dazu kommt, dass ihr Mann kaum Konflikte mit der Tochter hat und sie sehr unterschiedliche Vorstellungen von Erziehung haben.»

Väter unterschätzen ihre Rolle

Melden sich denn mehr besorgte Mütter bei punkto? «Es kommen noch immer mehr Mütter, auch wenn sich zunehmend mehr Väter melden», so Melitta Steiner. «Väter unterschätzen ihre Rolle oft. Sie denken, sie seien nicht so wichtig, was ein grosser Trugschluss ist.»

«Nicht selten sind Eltern von Scham- und Schuldgefühlen geplagt, wenn sie sich bei uns melden. Sie denken, sie haben versagt.»

Die Beraterinnen würden das vor allem in Konfliktsituationen beobachten. Dass Väter sich dann eher zurückhalten, wenn die Tochter sich mit der Mutter zofft. Dies, weil sie glauben, dass die beiden den Konflikt unter sich klären müssten.

Aber auch bei getrenntlebenden Eltern beobachtet Steiner, dass Väter ihre Bedeutung für die Kinder unterschätzen. «Dabei spielen Väter für ihre Kinder eine grosse Rolle – auch wenn sie oft abwesend sind oder getrennt von ihnen leben.» Wenn es geht, so involvieren die Fachpersonen deswegen immer auch die Väter.

Mehr über Probleme zu Hause reden

Rechnet Steiner mit einem weiteren Anstieg von Beratungen in diesem Jahr? Dies könne schon sein, sagt sie. «Oftmals machen sich Stress und Belastung erst dann bemerkbar, wenn sie vorbei sind und sich etwas Entspannung einstellt.»

«Eltern mussten sehr viel stemmen in den letzten beiden Jahren. Viele Eltern haben einen unglaublich hohen Anspruch an sich. Sie glauben, dass sie zu funktionieren haben, dass alles zu bewältigen sei und gehen über ihre Grenzen», so Melitta Steiner. Vor allem, weil sie glauben, andere Eltern würden es ja auch schaffen, es sei normal. «Nicht selten sind sie deswegen von Scham- und Schuldgefühlen geplagt, wenn sie sich bei uns melden. Sie denken, sie haben versagt.»

Steiner ermuntert Eltern, mehr darüber zu sprechen, was ihnen im Familienalltag mit den Kindern oder dem Partner, der Partnerin zu schaffen macht. «Seine Sorge mit anderen teilen zu können, jemanden haben, der da ist und zuhört … das ist manchmal schon viel und kann sehr entlastend wirken.»

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Melitta Steiner
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