Abtretende Luzerner Kulturchefin im Interview

Karin Pauleweit: «Wenn ich an meinen Projekten vorbeilaufe, geht es mir wie einem Maurer»

Karin Pauleweit hat über zwei Jahrzehnte den Kultur- und Hochschulbereich des Kantons Luzern geleitet. (Bild: mik)

Zwei Jahrzehnte lang hat Karin Pauleweit die Luzerner Bildungs- und Kulturlandschaft geprägt. Im Interview spricht sie über umstrittene Projekte, darüber, warum mehr Geld nicht immer «mehr» ist und was für sie die schwierigste Zeit war.

«Entschuldigen Sie die Unordnung, ich bin gerade am Räumen», grüsst Karin Pauleweit, sie steht in ihrem Büro an der Luzerner Bahnhofsstrasse 18. Die Luzerner Leiterin der Dienststelle Hochschulbildung und Kultur verabschiedet sich nach 21 Jahren Ende Oktober in die Pension (zentralplus berichtete). Die Tische sind vollgestellt mit alten Regierungsberichten und Studien. Die Wände und Schränke zieren Bilder, die wohl bald ausgetauscht werden. Zeit, um Bilanz zu ziehen.

zentralplus: Das Bild, das prominent hinter Ihnen an der Wand hängt – haben Sie sich das selbst ausgesucht?

Karin Pauleweit: Tatsächlich habe ich mir das selbst ausgesucht. Dabei handelt es sich um ein Werk aus der Kunstsammlung des Kantons Luzern von Marie-Theres Amici mit dem Namen «Landschaft» von 1997. Das vorherige Bild gefiel mir nicht, weil es so deprimierend war. Dieses Bild ist mir über all die Jahre nie langweilig geworden. Es gibt je nach Stimmung immer etwas Neues zu entdecken. Zum Beispiel habe ich einen kleinen grünen Drachen entdeckt, einen gelben Hahn, mehrere Pflanzen. Ob es in Zukunft weiter hier hängen wird, weiss ich nicht.

Zur Person

Karin Pauleweit wurde in Wolfenbüttel (Deutschland) geboren und studierte an der Freien Universität Berlin Germanistik und Französisch. Anschliessend arbeitete sie unter anderem mehrere Jahre am Deutschen Bibliotheksinstitut und war mehrere Jahre Bereichsleiterin an der ETH-Bibliothek in Zürich. Seit Juli 2002 ist sie Leiterin der Dienststelle Hochschulen des Kantons Luzern. Mit der Umstrukturierung des Bildungsdepartements 2008 wurde sie zusätzlich Luzerner Kulturchefin. Ende Oktober geht sie in Pension.

zentralplus: So ähnlich ging es Ihnen vermutlich mit Ihren Projekten. Welches davon hat sich am meisten verändert, nachdem Sie es der Regierung und dem Parlament vorgelegt haben?

Pauleweit: Zu meiner Freude kann ich nach so vielen Jahren auf viele Projekte zurückschauen, die realisiert worden sind. Mit Ausnahme der «Salle Modulable», die gescheitert ist. Bei den anderen ist es fast immer so gekommen, wie ich mir das gewünscht hatte. Meiner Erinnerung nach auch ohne grosse Veränderungen. Das hat aber auch damit zu tun, dass es mir immer wichtig war, Vorlagen so sorgfältig und transparent wie möglich auszuarbeiten.

zentralplus: Dabei war es gerade mangelnde Transparenz, die unter anderem zum Scheitern der «Salle Modulable» führte (zentralplus berichtete).

Pauleweit: Das war ein spezielles Projekt. An sich gut und interessant, aber zu einem grossen Teil fremdgesteuert. Es war kein Projekt, das wir selbst erarbeitet und lanciert haben. Da haben sehr viele andere Stimmen auch hineingespielt. Das hat vermutlich die Sache zu Fall gebracht.

zentralplus: Wäre es anders gelaufen, hätten Ihre Dienststelle von Anfang an das Heft in der Hand gehabt?

Pauleweit: Das ist schwer zu sagen. Da möchte ich mich nicht auf die Äste wagen.

Vorher war sie Bereichsleiterin der ETH-Bibliothek in Zürich. Büchern blieb sie verbunden. Zahlreiche lesende Frauen zieren ihr Büro. Ihr Lieblingsmotiv, wie sie sagt. (Bild: mik)

zentralplus: Momentan haben wir mit dem Neuen Luzerner Theater erneut ein Projekt, das stark diskutiert wird. Wie beurteilen Sie die öffentliche Diskussion dazu?

Pauleweit: Es ist ein Stück weit normal, dass gerade bei visualisierten Architekturentwürfen die Diskussionen dazu gross sind. Ich war selbst Teil der Jury und finde das Siegerprojekt schön. Ich finde, an diesem Ort sind solche gestaffelten Elemente eine viel bessere Lösung als ein grosser Block. Aber das ist natürlich Geschmackssache.

zentralplus: Erarbeiten Sie Ihre Projekte jeweils bereits mit der potenziellen Meinung der Öffentlichkeit im Kopf, um solche Reaktionen vorzubeugen?

Pauleweit: Am Anfang ist es für mich immer wichtig, dass mich das Projekt selbst überzeugt. Dass das Projekt aus einer sachlichen Notwendigkeit heraus entsteht. Erst in einem zweiten Schritt überlege ich, ob das Projekt auch bei der Regierung, beim Parlament oder bei der Öffentlichkeit ankommen würde.

zentralplus: Ein Projekt muss zuerst Sie überzeugen - Sie nehmen sich selbst als Massstab für ein gelungenes Projekt?

Pauleweit: Das klingt jetzt komisch. Aber ich denke, das sind wir als Team gewissermassen schon. Wir stecken ja tiefer in den Sachfragen drin als manche andere. Wir beschäftigen uns täglich mit diesen Themen. Das heisst aber nicht, dass andere Meinungen weniger legitim sind. Die Bevölkerung und die Politik können immer noch sagen: Das Projekt mag in der Sache richtig sein, aber wir wollen das nicht. So funktioniert Demokratie.

zentralplus: Gerade zum Neuen Luzerner Theater wird in den zentralplus-Kommentarspalten kritisiert, dass die Gelder für den Bau nicht richtig wären, weil dem Theater sowieso die Besucher davonrennen.

Pauleweit: Man darf die Frage stellen, ob es ein neues Theater braucht. Aber es braucht sicher ein neues Haus. Letztlich müssen die Bevölkerung und die Politik wissen, ob sie das investieren wollen.

zentralplus: Vonseiten der Kulturinstitutionen heisst es meist, dass mehr Investitionen nötig wären. Beispielsweise haben Kleintheater, Neubad und Südpol deutlich mehr Gelder beantragt, als die Stadt Luzern sprechen will (zentralplus berichtete).

Pauleweit: In der Kultur ist mehr Geld nicht immer entscheidend für kreative Entwicklungen. Immer alles nur knapp und kurz zu halten, ist aber auch nicht richtig. Doch es gibt oft die Mentalität: Wir fordern erst mal viel Geld und schauen danach, was wir damit machen. Das ist definitiv nicht der richtige Weg. Zuerst braucht es eine kreative Idee, dann soll der Ruf nach dem Geld kommen. Ich denke aber, wir haben in Luzern einen sehr fruchtbaren Boden für Kreativität.

zentralplus: War es für Sie jeweils schwierig, Gelder zu verteilen?

Pauleweit: Das mache ja nicht nur ich. Aber vor allem schwierig waren die Jahre, in denen der Kanton grössere Sparprogramme beschloss. Beispielsweise zwischen 2015 bis 2018. Das hat keinen Spass mehr gemacht. Das war natürlich nötig, aber zum Teil unschön.

zentralplus: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Pauleweit: Gerade bei der Denkmalpflege hatten wir sehr harte Einschnitte. Die Mittel zur Entschädigung von Privatpersonen, die ihre denkmalgeschützten Gebäude sanierten, wurden stark gekürzt. Zudem mussten wir Personal abbauen, was sich auch psychologisch auswirkte. Engagierte Leute bekamen das Gefühl, ihre Arbeit würde weniger wertgeschätzt. Dabei waren gerade die vielen guten Leute in allen meinen Abteilungen mit ein Grund dafür, dass ich so lange beim Kanton blieb.

zentralplus: Nun, da Sie ihr Amt als Dienststellenleiterin ablegen, werden Sie wohl einige Freunde verlieren.

Pauleweit: Ich glaube, die Freunde bleiben. Aber die anderen Bekanntschaften werden weniger werden. Ohne Amt wird man zur Privatperson und hat noch die privaten Kontakte.

zentralplus: Trauern Sie dem Amt nach?

Pauleweit: Nein, ich freue mich auf die Normalität. Zuerst werde ich etwas Ferien machen. Ich habe in den 20 Jahren nie Ferien gemacht, ohne nicht trotzdem zu arbeiten. Deswegen muss ich jetzt mal sehen, wie sich das anfühlt, richtige Ferien zu machen.

Ende Oktober kehrt sie ihrer Dienststelle den Rücken. Sie geht in Pension. (Bild: mik)

zentralplus: Das ist wohl mit ein Grund, wieso Ihre Dienststelle aufgeteilt wird und künftig zwei Personen Ihren Job übernehmen.

Pauleweit: Das ist doch super, dann weiss ich, wie viel ich geleistet habe. Fachlich kann ich das nachvollziehen. Aber ich persönlich habe die Vielfältigkeit immer geschätzt. Gut, es war schon viel und manchmal herausfordernd.

zentralplus: Zum Beispiel?

Pauleweit: Während der Erarbeitung des Projekts zur Speicherbibliothek in Büron gab es zum Teil lange Sitzungen, die bis in den späten Abend gingen. Alle waren nur müde, hungrig und hässig und dachten, es gehe nicht mehr vorwärts. Inzwischen gehört die Speicherbibliothek aber zusammen mit dem Medizin-Master an der Universität Luzern und der Zentral- und Hochschulbibliothek zu meinen liebsten Projekten. Wenn ich bei der ZHB am Sempacherpark vorbeilaufe, überkommt mich jeweils das schöne Gefühl: Da habe ich dazu beigetragen. Da geht es mir vermutlich wie einem Maurer oder Schreiner.

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Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung Kanton Luzern
  • Persönliches Gespräch mit Karin Pauleweit, Leiterin Dienststelle Hochschulbildung und Kultur
  • Medienarchiv zentralplus
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 07.10.2023, 16:24 Uhr

    Wer ist denn jetzt das? Ich dachte, der Mensch beim Kanton heisse Stefan Sägesser…

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    • Profilfoto von Sapperlotta
      Sapperlotta, 09.10.2023, 21:46 Uhr

      Cherchez la femme!

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    • Profilfoto von Peter
      Peter, 15.10.2023, 14:04 Uhr

      Liebe Marie-Françoise, es arbeiten beim Kanton eben doch viele Menschen, oft auch mit ähnlichen Aufgaben.
      Eine recht kurze Zeit lang war hat Stefan mit Paula mit denselben Projekten gearbeitet, was für ihn auch nicht immer ganz einfach war. Aber er hat ja inzwischen seinen Job beim Kanton aufgegeben und wird neue Aufträge übernehmen und hat sich auch beruflich neue Schwerpunkte gesetzt.

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