Der Sound der Lozärner Fasnacht

Guuggenmusig spielt schräg? Muss sie, sagt ein Musikexperte

Seit Tagen gehört die Stadt Luzern unter anderem ihnen: Guuggenmusigen. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

An der Lozärner Fasnacht sind die Ohren voller Guuggenmusig. Der schräge Klang sei bewusst, sagt ein Musikexperte der Hochschule Luzern. Als Trompetenspieler hat er gar grossen Respekt vor den Fasnächtlern.

Während der fünften Jahreszeit wird die Stadt Luzern zur Hochburg von Konfetti, Kostümen – und Blasmusik. Über 80 Vereine füllen die Luzerner Gassen mit dem unverkennbaren Klang der Guuggenmusigen. Eine Zahl, die auch nicht fasnächtliche Musikerinnen beeindrucken dürfte. Zum Vergleich: Am vergangenen kantonalen Musikfest 2022 in Emmen nahmen 74 Vereine teil. Der Aufmarsch der Musigen zeigt sich jeweils eindrücklich am Monstercorso am Güdisdienstag.

Zur Einstimmung für heute Abend: ein Zusammenschnitt des Monstercorsos vom vergangenen Jahr.

Doch während einige in freudiger Erwartung auf heute Abend auf den Startknopf des Videos geklickt haben, gibt es auch einige, denen Guuggenmusig schlicht zu lärmig und schräg ist. Ob man diesen Klang nun mag oder nicht – das Laute, Schrille gehört zu dieser Art Musik. Das sagen aber nicht nur Fasnachtsfans, sondern auch einer, der es wissen muss: Yannick Wey. Der ausgebildete Trompetenspieler mit einem Doktor in Musikwissenschaft ist Forscher an der Hochschule Luzern. Seine Schwerpunkte: Volksmusik, Blasmusik und damit verbunden auch Guuggenmusig.

Yannick Wey ist Doktor in Musikwissenschaft und forscht an der Hochschule Luzern. (Bild: ZVG)

Pop, Volks- und Blasmusik

Wey erklärt den Zusammenhang der Themenbereiche so: «Guuggenmusig befindet sich musikalisch da, wo sich Blas-, Volks- und Popmusik mischen.» Die Besetzung – typischerweise Trompeten, Posaunen, Sousafone sowie Pauken und Schlagzeuge (im Jargon «Chuchi» genannt) – ähnle den Besetzungen von Brass Bands. Wobei einige Guuggenmusiger etwa auch in Dorfmusiken oder Blasmusikvereinen spielen würden. Die Guuggenmusig habe sich zudem ähnlich wie die Volksmusik entwickelt: Musizierte man früher eher mal drauflos, werden die Stücke heute passend arrangiert und regelmässig geprobt.

«Guuggenmusigen spielen bewusst schräg. Aber es ist nicht auf die gleiche Art schräg, wie jemand klingt, der das Instrument nicht beherrscht oder zu wenig geprobt hat.»

Yannick Wey, Dozent an der Hochschule Luzern

Im Repertoire befänden sich vorwiegend bekannte Lieder aus Pop, Rock oder Schlagermusik, die für die Guuggenmusig arrangiert worden seien. Diese Adaption entspreche dem grösseren Fasnachtskontext: aktuelle Themen aufnehmen und auf bunte, schräge Art parodieren, so Wey. Wie das Fasnächtlerinnen auch bei der Värsli-Brönzlete oder mit ihren Kostümen tun (zentralplus berichtete).

Ein Aspekt bei der Auswahl der Lieder sei auch der Wiedererkennungswert. Das erlaube den Musikern, die Lieder schnell auswendig zu lernen. Und das Publikum freut sich, wenn es die Lieder erkennt und mitsingen – oder grölen – kann. Haben Guuggenmusigen Glück, wird gar der Originalinterpret auf sie aufmerksam. So wie etwa Robbie Williams 2016 auf die Näbelhüüler Äbike.

Der typische Klang – blechern, scharf, schräg

Doch längst nicht alle sind so begeistert von Guuggenmusig wie Robbie Williams. Kritiker stören sich an der Lautstärke oder dem zum Teil unharmonischen Klang. Doch wie Yannick Wey ausführt, gehört das dazu: «Guuggenmusigen spielen bewusst schräg. Aber es ist nicht auf die gleiche Art schräg, wie jemand klingt, der das Instrument nicht beherrscht oder zu wenig geprobt hat.» Wey zieht eine Parallele zu Musikstilen wie Jazz oder Metal: Auch da würden Musiker mit rauen Tönen spielen, um eine spezifische Ästhetik zu erzielen.

Guuggenmusigerinnen würden dazu auf eine andere Art als etwa Trompeter in einem Symphonieorchester musizieren. Die Fasnächtler würden kräftiger und energetischer spielen, was in einem blechernen, scharfen, aber auch schrägen Klang resultiere. Auch die Aufstellung wirke sich auf den Klang aus: Guuggenmusig werde meistens draussen gespielt. Zudem würden die Musiker vor allem direkt nach vorn spielen und sich auf ihren Bühnen auch so aufstellen: «Das ergibt einen richtigen Schalldruck. Dem Publikum kommt beim Zuhören eine Wand aus Klang entgegen.»

Exemplarisch dafür sind auch ihre Instrumente: Blechblasinstrumente seien für ihre Wirkung draussen bekannt, erklärt der Musikexperte. Der Klang trage mehr in die Distanz als etwa derjenige einer Blockflöte oder eines Cello. Dieser Aspekt war es auch, der Blechblasinstrumente nebst der Erfindung der Ventile im 19. Jahrhundert so beliebt machte. Zu dieser Zeit hätten sich ebenfalls bereits einige Blasmusiken formiert, so Wey. Und über Lärmbräuche fanden die Instrumente ihren Weg zur Fasnacht – und zu ihrem fasnächtlichen Klang.

Live für die volle Wirkung

Diese Art zu spielen, sei jedoch sehr anstrengend: «Als Trompeter habe ich Respekt für die Guuggenmusiger. Stundenlang mit solch einer Intensität zu musizieren – ich könnte am nächsten Tag nicht mehr spielen.» Mit solcher Lautstärke und Energie zu musizieren, beanspruche Lippen und Muskulatur ungemein. Kein Wunder also, klingen Guuggenmusigen nicht an allen Tagen gleich.

Loszuziehen und zuzuhören, lohne sich trotzdem. Guuggenmusig sei ein Musikstil, den man am besten live erlebe: Die Intensität, die Kostüme, die Feststimmung, die Energie, die durch die Musiker ausgestrahlt werde – das alles trage zu deren unverkennbarer Wirkung bei.

Wer sich selbst davon überzeugen lassen will, hat ab 19.30 Uhr am Monstercorso Gelegenheit dazu. Dann marschieren über 80 Guuggenmusigen noch ein letztes Mal für die diesjährige Fasnacht durch die Stadt. Und wer sich trotzdem nicht dafür erwärmen kann, der kann sich zumindest damit trösten, dass der Aschermittwoch in greifbarer Nähe ist. Und der nächste Schmutzige Donnerstag erst am 27. Februar 2025.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 13.02.2024, 09:10 Uhr

    «Müssen wir – Alkohol» sagen die Guugger (Musikexperten ohne Hochschulabschluss)

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 13.02.2024, 07:46 Uhr

    mein erstes Guggen Instrument war ein Mundstück, Garten
    schlauch und und Trichter und versuchte damit Hau de Chatz de Schwanz ab!
    Heute hört man kaum ein Schränzen und die Guggen Mutieren zu Feldmussiken,denn jeder will besser sein!
    wenn ich zB die entwicklung der «Noggeler» beschreibe! Ein Bunter Haufen beiden Geschlechts und Saufgelage!
    Heute fast ein Militärischer Haufen, Alkohohlfrei und nur noch Mänlichen Geschlechts der nur auf Prestiche aus ist!

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