Kleinformationen werfen Bettel hin

An der Lozärner Fasnacht wird es für Theater immer enger

2023 nahm die Theatergruppe «Helena Stubenrein» das Publikum mit auf eine Zugfahrt. (Bild: zvg)

Bald strömen Tausende Fasnächtler in die Gassen Luzerns. Nebst Guuggenmusigen ziehen auch Kleinformationen und Theatergruppen ihre Runden. Doch für Letztere wird das zunehmend (zu) mühsam.

In wenigen Stunden heisst es in Luzern wieder «BRÜEELEEE», Konfetti, wohin das Auge reicht und ausgelassenes Feiern mit Blechinstrumenten im Ohr. In den Gassen tummeln sich aber nicht nur Guuggenmusigen auf dem Weg zu ihrem nächsten Auftritt oder angeheiterte Fasnächtlerinnen, sondern auch Theatergruppen, die von Platz zu Platz ziehen.

Oder zumindest würden sie, so Urs Eggler. Er ist seit 50 Jahren mit Herzblut an der Fasnacht dabei, wie er erzählt. Die Lozärner Fasnacht habe sich seither entwickelt. Für ihn nicht nur zum Positiven: «Es kommen immer mehr Leute, mehr Wagen, immer mehr Geschäfte und es wird generell immer lauter. Kleine Gruppierungen wie wir ziehen öfters den Kürzeren.» Die Gruppe Domus hörte vergangenes Jahr unter anderem deswegen mit grösseren Produktionen auf (zentralplus berichtete).

Helena Stubenrein verzichtet «notgedrungen» auf Theater

Eggler gehört zur Kleinformation «Helena Stubenrein», einer Gruppe von rund 15 Personen, die musiziert und auch Theater spielt. Seit 1984 ziehen sie durch die Gassen. Tagsüber spielen sie Theater, abends spielen sie in den Beizen.

Doch dieses Jahr verzichtet auch Helena Stubenrein «notgedrungen» auf ihr Theater. Nachdem sie bereits vor 10 Jahren ihre Theaterbasteleien altershalber etwas zurückgeschraubt haben, lassen sie es in diesem Jahr ganz bleiben.

Für ihr Theater bräuchten sie einen Platz mit Leuten, aber nicht zu vielen. Zudem darf es nicht zu laut sein, da die Zuschauer den Text und die Musik verstehen sollen. Diesen Platz finden sie kaum mehr.

Fasnächtler würden zusehends territorial

Beim Schwanenplatz sei ein zu grosses Gewusel, auf Plätzen wie dem Kapell- oder Hirschenplatz regelten IGs den Platz, bei der Münzgasse sei nun eine dauernd besetzte Fasnachtsbühne, am Falkenplatz steht inzwischen eine Guuggerbühne, zählt er auf. Auch stellten Guuggenmusigen und Umzugsteilnehmer ihre Wagen mitten in die Altstadt, womit zusätzlich Platz verloren ginge, so Eggler. «Ich fand, wir werteten die Fasnacht auf. Wir präsentierten immer neue Geschichten, hatten stets viele Zuschauer und gewannen mit unseren Grende auch schon Preise.»

Auch erlebe er die Fasnacht zusehends als territorial: Als Helena Stubenrein einmal ihr Theater an einem Eck des Mühleplatzes aufgeführt habe, sei eine Guuggenmusig gekommen und habe sie vertrieben. Mit der Begründung, dass das «ihr» Platz sei. Wären sie nicht gegangen, wären Fäuste geflogen, ist sich Eggler sicher. «Das hat überhaupt nichts mehr mit dem Fasnachtsgedanken zu tun.»

Der Clou mit der Organisation

Deshalb störe er sich insbesondere an den Interessengemeinschaften, die die Plätze für ihre Mitglieder aufteilen. «Wir wollen nicht in eine IG. Fasnacht heisst für uns archaisch, wild und unorganisiert. Wir wollen nicht irgendwo eine Woche herumstehen, sondern umherziehen.» Aus diesem Grund sei Helena Stubenrein auch nicht Teil der «Vereinigte».

Irgendwo habe er auch Verständnis für die Organisation der Plätze, räumt Eggler ein. «Die Fasnacht wird immer grösser, da trägt die Organisation sicher zur Sicherheit bei.» Aber die Entwicklung widerstrebe ihm, da so die «Kleinen, Wilden» an den Rand gedrängt würden.

Für die nächsten Jahre wünsche er sich darum etwas mehr Rücksicht und Empathie. «Dass man andere auch ihre Fasnacht machen lässt, nicht nur die Guuggenmusigen», wie er es zusammenfasst. «Würden nur schon die Guuggenmusigen ihren Getränkewagen statt auf den Altstadtplätzen am Löwengraben, vor dem Stadttheater, an der Bahnhofstrasse oder am Grendel abstellen, wäre das Problem für den Moment schon entschärft. Das gilt auch für die kommerziellen Verpflegungsstände.»

Fasnachtskomitee verweist auf Bühnen

Direkt bekannt sei dem Lozärner Fasnachtskomitee (LFK) der Unmut der Kleinformationen nicht, wie Mediensprecher Peti Federer auf Anfrage sagt. Zumal das LFK auch den Kleinformationen Plattformen böte, wie er betont. So etwa mit der neuen Möglichkeit zum Auftritt beim Regierungsgebäude, dem Jesuitenhof (zentralplus berichtete). «Es ist etwas einfach zu sagen, für Kleinformationen gebe es grundsätzlich zu wenig Platz», findet Federer.

Gänzlich auf taube Ohren stossen die Sorgen von Eggler jedoch nicht. «Ich kenne extrem viele Kleinformationen und natürlich auch ihre Sorgen.» Federer hält jedoch fest: «Es hat für alle zu wenig Platz.» Ein Problem, das sich nicht einfach lösen lasse. «Wir können nicht einfach Besuchern aus Langnau im Emmental sagen: ‹Du darfst jetzt nicht kommen.›» 

«Wir sind hier alle ‹im selben Boot›, auch für unsere Mitgliedsvereine wird der Platz in der Stadt Luzern knapp.»

Robert Marty, Präsident «Die Vereinigte»

Daher brauche es Organisation. Während die Fasnächtler früher noch ungehemmt von Ort zu Ort ziehen konnten, sei das heute mit der x-fachen Menge an Besuchern schlicht nicht mehr möglich. Federer sieht die fixen Zeitpläne für Plattformen wie die Münzgasse aber auch als Chance für Kleinformationen: So hätten sie eine Garantie, dass sie da spielen können. Zudem können sie den Auftritt ihren Unterstützern ankündigen.

Wägen beleben Altstadt

Auch die von Eggler kritisierten Platz-IGs sieht Federer weniger kritisch. «Der Vorteil der IGs ist ja gerade, dass die Gruppen auf dem Platz miteinander reden und Rücksicht nehmen.» So werde der Kapellplatz von den Fasnachtswagen gar nicht mehr beschallt.

Die Kritik der Wägen in der Altstadt kann Federer zum Teil nachvollziehen. «Von den Kafiwagen, die von Kebabständen nicht unterschieden werden können, weder dekoriert sind noch ein Sujet haben, bin ich auch kein Fan», gibt Federer zu. Die Wägen der Guuggenmusigen und Sujetwägen hingegen hätten sich in der Altstadt so eingebürgert.

Rüüdige Samschtig 2022: Auf dem Kapellplatz war Fullhouse. (Bild: ewi)

Zudem seien gewisse Plätze erst durch die Wägen attraktiv geworden. Letztlich – und da stimmt er mit Eggler überein – «funktioniert eine gelungene Fasnacht nicht ohne ein Miteinander».

Vereinigte hofft auf Besucherzahlen und runden Tisch

Ins gleiche Horn stösst Robert Marty, Präsident des Guuggenmusik-Dachverbands «Die Vereinigte»: «Wir sind hier alle ‹im selben Boot›, auch für unsere Mitgliedsvereine wird der Platz in der Stadt Luzern knapp.» Sie appellierten deshalb jedes Jahr an auswärtige Guuggenmusigen, die Stadt als Zuschauer zu besuchen und nicht spielend. Zudem verweist Marty auf ein Projekt, das bereits in Gang ist: «Wir sind gespannt auf die Erkenntnisse der Personenstrommessungen der Stadt Luzern und sind gerne bereit, mögliche Lösungen zusammen mit allen beteiligten Organisationen am runden Tisch zu diskutieren.»

Den Kleinformationen empfiehlt er Auftritte in den Stadtluzerner Fasnachtsbeizen. Oder aber einen Auftritt auf der Bühne beim Zöpfli, die extra für Kleinformationen gemacht wurde.

Stadt Luzern will sich nicht einmischen

Die Stadt Luzern wiederum mische sich «bewusst nicht» in Fragen zur Bespielung der Plätze ein, wie Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen, auf Anfrage schreibt. Doch auch er anerkennt, dass der Platz wegen der zunehmenden Besucherzahlen knapper wird. Deshalb begrüsse die Stadt «das Anliegen der IGs, mit Toleranz und gegenseitiger Unterstützung für ein gutes Mit- und Nebeneinander auf den jeweiligen Plätzen zu sorgen». Was auch den Umgang mit Kleinformationen einschliesse, wie Lütolf anfügt.

Bezüglich Imbiss- und Getränkeständen beschränke sich die Stadt Luzern auf neun Bereiche auf öffentlichem Grund, die sie als «Verpflegungsbereiche» definiert. Doch wie Lütolf anmerkt, würden viele Angebote auf privaten Grundstücken stehen. Verkaufen diese Stände etwas, benötigen sie jedoch eine Einzelanlassbewilligung der Gewerbepolizei.

Das sind die offiziellen «Verpflegungsbereiche» der Fasnacht, die auf öffentlichem Grund stehen. (Bild: zvg)

Für das Platzproblem würden Massnahmen zur Besucherlenkung und zur Sicherung von Fluchtwegen zunehmend an Bedeutung gewinnen, so die Stadt. Dies stets in Zusammenarbeit mit allen involvierten Fasnachtsorganisationen und der Luzerner Polizei. Zudem reicht Lütolf den Kleinformationen die Hand: Die Anliegen der bedrängten Kleinformationen sollen im Rahmen des periodischen Austauschs mit den Fasnachtsinstitutionen thematisiert werden.

Hinweis: Der Artikel wurde im Abschnitt zu Domus nachträglich bearbeitet. Gemäss Daniel von Arx hänge Domus die Grende nicht ganz an den Nagel, sondern sei noch als Kleinformation unterwegs.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Daniel von Arx, Mitglied von Domus
  • Telefonat mit Urs Eggler, Mitglied von Helena Stubenrein
  • Facebook-Profil und Youtube-Kanal von Helena Stubenrein
  • Telefonat mit Peti Federer, Mediensprecher Lozärner Fasnachtskomitee (LFK)
  • Schriftlicher Austausch mit Robert Marty, Präsident «Die Vereinigte»
  • Schriftlicher Austausch mit Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen, Stadt Luzern
  • Website «Alkademiker»
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8 Kommentare
  • Profilfoto von Hans
    Hans, 09.02.2024, 20:04 Uhr

    Was haben guggenmusiken aus Obwalden, Nidwalden, Buchrain, Meggen, Ebikon, Rothenburg, Emmenbrücke usw
    An der Luzerner Fasnacht zu suchen

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  • Profilfoto von Urs Eggler
    Urs Eggler, 09.02.2024, 14:12 Uhr

    Danke für diesen umfassenden Artikel, Frau Keller. Alles in allem fasst er die Situation meines Erachtens gut zusammen. Alle wollen halt immer mehr Platz.

    Eine Lösung könnte darin bestehen, dass man diesen Platz vergrössert, sprich, dass die Stadt und oder die Vereinigte aktiv neue Plätze schafft, und halt mal eine Guuggerbühne in der Neustadt oder bei der Hofkirche austellt.

    Und die Stadtverwaltung, welche sonst das ganze Jahr ach so vieles inklusive Marronistände regelt, sollte mehr dazu beitragen, dass die weltbekannte Luzerner Fasnacht nicht zu einem 0815 Anlass verkommt, sondern sich auch qualitativ weiterentwckelt. In diesem Sinne, no e schöni Fasnacht üüs allne!

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  • Profilfoto von psychomodo
    psychomodo, 08.02.2024, 08:52 Uhr

    Auswärtige Guuggenmusigen haben an der Luzerner Fasnacht nichts zu suchen!!!
    Und es sind jedes Jahr immer mehr. Das macht die Fasnacht kaputt.

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  • Profilfoto von Karl-Heinz Rubin
    Karl-Heinz Rubin, 08.02.2024, 07:18 Uhr

    Die Fasnacht hat sich grundlegend verändert.
    Nur noch Kommerz.
    Minderjährige saufen sich ins Komma, Müll soweit das Auge reicht und keine Spur von Nachhaltigkeit.
    Das Ganze hat nicht mehr mit Tradition zu tun.

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  • Profilfoto von Jannette Zünd
    Jannette Zünd, 08.02.2024, 06:34 Uhr

    Ja leider ist das so! Aber sie verkünden immer so großartig. Das wie Luzerner für eine Tradition hat von Fasnachts Grindä. Aber wenn heute einem eine Gugermusick begegnet haben alle den gleichen Grind. Früher gab es innerhalb von einer Gugermusick auch sehr viel vielvalt. Es werden nur noch die von der Zunft nunterstüzt.
    Und in der Luzerner Zeitung gibt es. Einen Artikel wo sie sagen mann soll sich anmelden um zulernen oder eine Maske zumachen. Und das sie zuwenig hellfer brauchen dass sie immer zuwenig Helfer haben. Ich habe mich mal gemeldet um zu helfen. Dann bis der Zeitpunkt dawar habe ich nichts mehr gehört. Jetzt heißt es die Lehren und Lererinnen sollen wider mit den Kinder Masken machen. Für was wenn sie dann doch nicht erwünscht sind. Und ich bin jedes Jahr eine einzel Maske. Aber das Junge Volk hat keinen Respekt mehr wenn mann den Grind anhat schütteln sie hin und her. Vorallem wenn mann so klein ist wie ich.
    Trotz allem wünsche ich euch eine Rüüüüüüdig schöni Fasnacht.

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 07.02.2024, 20:57 Uhr

    ja die Geldgier und die Narzistischen Guggen verträngen die Altfasnacht!Zum Getränge von Trittbrettfahrer muss man noch natürlich den Touristen ( penetrante Asiaten)die Fassnacht verkaufen! Dazu das Getröhne des Bumbum Krachs! Jetzt wo die Bahnhofstrasse ?PW frei ist ( Verkaufs Standfrei),könnte man doch den verträngten Urfassnächtler,von der Hauptpost bis und mit Franziskanerplatz ihnen überlassen und der Unkulturelle bumbum Krach beim Europaplatz dröhnen lassen!
    Dann könnten ( keine Saufgruppen) doch solch kleine Gruppen gediegen»theaterlen»! Und im Standfreien Mühleplatz ( Coop Velopark)noch eine Gugge Bühne aufstellen! Dafür Stände an Kleinplätzen verteilen!
    Es wäre schade wenn die Uhrfassnächtler verschwinden würden,die doch immer ein lächeln herauslocken! Fassnacht halt und nicht gieriger Geschäftssinn!

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  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 07.02.2024, 19:19 Uhr

    Sehr vieles hat schon lange nichts mehr mit Fasnacht zu tun.
    Es ist unnötig unerträglich laut und alles dreht sich um Kommerz. Unnötige Leiterwägen mit Generator und Musikanlagen, die mit drei Meter Abstand von einander stehen und in unerträglicher Lautstärke irgendwelche Schlager, immer und immer wieder Spielen.
    Was das mit Fasnacht zu tun hat, habe ich noch nicht herausgefunden.

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  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 07.02.2024, 18:44 Uhr

    Zunehmender Dichtestress verschont die Fasnacht leider nicht. Die 10-Millionen Schweiz lässt grüssen.

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