Schulleitung in der Kritik

Wie die Absage eines Sommerfests die HSLU in Unruhe versetzte

Valentin Gloor, Leiter des HSLU-Departements Musik, steht in der Kritik. (Bild: zvg)

Wegen Sicherheitsbedenken wurde das Sommerfest der Hochschule Luzern (HSLU) am Departement Musik abgesagt. Dass der Student, der die Absage mit einem Instagram-Post provozierte, weiterstudieren darf, stösst bei einigen seiner Kommilitonen auf Unverständnis.

Draussen auf dem Kampusgelände am Südpol in Kriens wurden angenehme 22 Grad gemessen, während sich drinnen ein paar Jazz-Studenten im kühlen Betonbau auf ihre anstehende praktische Prüfung vorbereiteten. Was an diesem Dienstag, 27. Juni, seinen Lauf nahm, sollte das Musikdepartement der Hochschule Luzern (HSLU) mit ihren rund 650 Studentinnen noch Monate später beschäftigen.

An diesem Dienstag sei es, so die Schilderungen des HSLU-Studenten Remo*, zu einer Auseinandersetzung zwischen den Studenten Max* und Leny* gekommen, die beide zusammen mit knapp 100 Kommilitonen Jazz studieren.

«Der Vibe unter den Jazzern ist der einer Familie», sagt Remo gegenüber zentralplus. Wer Max und wer Leny ist, sei daher allen Jazz-Studentinnen klar – allerspätestens seit den Vorfällen Ende Juni.

Erst die tätliche Auseinandersetzung

Damals habe sich Leny vor dem Prüfungslokal am Kampus Südpol befunden, als ihn Max habe angreifen wollen, erzählt Remo. Mitstudenten sollen Max erfolgreich zurückgehalten haben. Doch bei dem einen Versuch habe es dieser nicht bleiben lassen. Via «Backstage» habe er sich Zugang zum Prüfungslokal verschafft und einen neuerlichen Angriffsversuch auf Leny gestartet haben. Es sei beim Versuch geblieben – weil der anwesende Dozent Max aufhalten konnte.

Im HSLU-Rundmail vom 30. Juni, die zentralplus vorliegt, sollte Valentin Gloor, Direktor des HSLU-Musikdepartements, von einer «tätlichen Auseinandersetzung» schreiben. Weitere Details zum Konflikt zwischen Max und Leny kommentiert er heute auf Anfrage von zentralplus aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht.

Dann der alarmierende Social-Media-Post

Nach dem Angriffsversuch soll der prüfungsabnehmende Dozent seinen schockierten Mitstudenten Leny nach Hause gefahren haben, führt Remo die Erzählung fort. Aus Angst vor weiteren Angriffen sei Leny bis zum Semesterende nicht an den Kampus Südpol zurückgekehrt.

Dann folgte das, was aus dem Konflikt eine Mediengeschichte machte – oder, in den Worten Gloors, dem Fall eine «spezielle Dynamik» verlieh: Max postete am Donnerstag, 29. Juni, auf seinem Social-Media-Profil Bilder von Waffen. Remo kann sich an die Bildunterschrift erinnern: «my new baby.»

Schwierige Einschätzung der Sicherheitslage

Die HSLU habe daraufhin interne disziplinarische Massnahmen getroffen, ist Valentin Gloors Mail vom 30. Juni zu entnehmen. Aufgrund des intensiven Austauschs mit der Polizei gehe die Schulleitung davon aus, dass sie die Sicherheit der Personen an der Hochschule gewährleisten könne. «Aber für ein Sommerfest mit grossen Menschengruppen und viel Bewegung zwischen Innen- und Aussenraum wäre die Einschätzung der Sicherheitslage schwieriger gewesen», teilte Gloor den HSLU-Musik-Studentinnen mit.

Das HSLU-Musik-Gebäude auf dem Kampus Südpol.

Das Sommerfest der HSLU Musik wurde kurzfristig abgesagt. Zudem blieb der Zugang zu den Räumlichkeiten der HSLU Musik bis zum Semesterende ausschliesslich Personen mit entsprechendem Badge vorbehalten. Ein Sicherheitsdienst markierte vor Ort Präsenz.

Rückkehr wurde nur direkt Involvierten mitgeteilt

Den ganzen Sommer über blieb der Vorfall bei vielen Studenten, insbesondere den Jazzern, präsent. In einem weiteren Rundmail vom 19. Juli versicherte Gloor, dass die HSLU nach zahlreichen Gesprächen mit der Polizei, externen Experten und Beratungsstellen zum Schluss gekommen sei, dass die Sicherheit am Kampus Südpol gewährleistet sei.

«Ich möchte ihm keinen Grund geben, mich anzugreifen.»

Remo, HSLU-Student

Unter den Studentinnen verbreitete sich wenige Wochen später das Gerücht, Max werde auch im kommenden Herbstsemster an der HSLU Musik studieren, wie ein Lauffeuer. Das Gerücht war eines von vielen rund um den Vorfall und Max – und es sollte sich bewahrheiten. Doch in den Rundmails Gloors blieb diese Tatsache unerwähnt.

«Die Kommunikation orientiert sich am rechtlichen Rahmen, der den Persönlichkeitsschutz stark gewichtet. Ausschliesslich die in den Vorfall vom Juni direkt involvierten Studierenden wurden in einem persönlichen Gespräch informiert», rechtfertigt sich Valentin Gloor gegenüber zentralplus. «Zudem stand ich von Anfang an allen Studierenden und Mitarbeitenden für Fragen jederzeit zur Verfügung – was ich mehrfach betonte.» Dies gelte selbstverständlich auch heute noch.

Vermeintliche Entschärfung während Sommerferien

Wahrgenommen habe er dieses Angebot nie, sagt Remo. «Wir Jazzer haben die Vorfälle unter uns besprochen.» Der Austausch sei direkt nach der Sommerfest-Absage sehr intensiv gewesen. «Damals wurde Max als Bedrohung wahrgenommen», erinnert sich Remo. Um zu verhindern, dass das Studium für Max an der HSLU weitergeht, sei gar die Lancierung einer Petition diskutiert worden.

Die Sommerferien hätten dann zwar zur Beruhigung der Situation beigetragen. «Doch ein gewisses Unbehagen ist geblieben», erklärt Remo. Darum werde er Max künftig aus dem Weg gehen. «Denn ich möchte ihm keinen Grund geben, mich anzugreifen, wie damals Leny.» Dieser habe sich nicht ernstgenommen gefühlt, als er erfahren habe, dass Max weiterstudieren darf.

Unterschriftensammlung

Inzwischen befinden sich Remo, Max und Leny wieder mitten im Herbstsemester an der HSLU Musik. Einige Jazz-Studenten hätten mit dem Sammeln von Unterschriften begonnen. Wofür oder wogegen, entzieht sich Remos Kenntnis.

«Aggressionen jeglicher Art – darunter fällt auch das Streuen von Gerüchten – werden nicht geduldet.»

Valentin Gloor, Direktor des HSLU-Musikdepartements

Valentin Gloor glaubt zu wissen, dass es keineswegs um den Ausschluss von Max geht: «Gemäss den uns vorliegenden Informationen soll ein Schreiben kursieren, in welchem einige Studierende die Kommunikation der Departementsleitung kritisieren.». Das Schreiben liege der Departementsleitung nicht vor. Gloor bekräftigt aber, sich allfälliger Kritik offen, dialog- und lernbereit stellen zu wollen.

Auch zu den zentralplus teilweise bekannten Gerüchten über Max, die er im Einzelnen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht kommentiert, bezieht er klar Stellung: «Uns ist ein respektvoller Umgang unter Studierenden und Mitarbeitenden sehr wichtig. Aggressionen jeglicher Art – darunter fällt auch das Streuen von Gerüchten – werden nicht geduldet.»

So will die HSLU den Vorfall aufarbeiten

Valentin Gloor sagt auch, wie die HSLU den Vorfall aufarbeiten möchte. Zum einen mit dem Erarbeiten eines sogenannten «Code of Conduct», der unter Einbezug der Studenten das Themenspektrum des Umgangs miteinander, der Werte am Departement Musik und der Grenzen des Verhaltens umfassen solle.

«Das Sommerfest direkt abzusagen, war hingegen nicht unbedingt ein Muss und sorgte natürlich für weitere Aufmerksamkeit.»

Karoline Roshdi, Kriminalpsychologin und Bedrohungsmanagerin

Zweitens mit der Weiterführung von Gesprächen, um die Anliegen der Studenten bestmöglich verstehen und aufnehmen zu können, wobei sich die Departementsleitung extern kommunikativ und rechtlich beraten lasse und mit psychologischen Fachpersonen in Verbindung stehe. Weiterhin bestünden zudem die Angebote der psychologischen Beratungsstelle, der Hochschulseelsorge und der Diversity-Beauftragten der HSLU.

«Zudem haben wir unser Vorgehen in diesem Fall intern aufgearbeitet und setzen uns intensiv damit auseinander, wie wir unseren Umgang mit Konflikten und Beschwerden weiter verbessern können», schliesst Gloor.

Kriminalpsychologin nimmt Stellung

Wie gut hat die HSLU auf die Vorfälle reagiert? Und wie wird die Gerüchtebildung in solchen Fällen proaktiv unterbunden? Darüber hat zentralplus mit der Deutschen Kriminalpsychologin und Bedrohungsmanagerin, Karoline Roshdi, gesprochen.

«Im optimalen Fall ist die HSLU durch ein sogenanntes Bedrohungsmanagement-Team präventiv vorbereitet», sagt sie – um eine schnelle Ersteinschätzung vornehmen zu können. Sie kenne die zeitlichen Abläufe der Vorfälle Ende Juni zu wenig gut, doch das Hinzuziehen der Polizei sei, insbesondere zur Abklärung, ob Max eine Waffe hatte oder nicht, eine gute Option gewesen. «Das Sommerfest direkt abzusagen, war hingegen nicht unbedingt ein Muss und sorgte natürlich für weitere Aufmerksamkeit», fährt Roshdi fort.

Gerüchte können nicht komplett verhindert werden

Das Ziel der Gespräche mit den Involvierten, die im Nachgang richtigerweise geführt worden seien, sollten das Ziel haben, zu verstehen, was los ist. Gleichzeitig sei klarzustellen, dass man mit einigem – namentlich der Gewalt und dem Instagram-Post – nicht einverstanden sei. Schliesslich gelte es den Blick in die Zukunft zu richten.

«Für die Studenten muss klar sein, dass die Schulleitung etwas tut – und, dass sie weiss, was sie tut.»

Karoline Roshdi, Kriminalpsychologin und Bedrohungsmanagerin

«In Bezug auf die Kommunikation nach Aussen muss abgewogen werden, was allgemein bekannt ist und was zusätzlich kommuniziert werden muss», sagt Roshdi weiter. Dass Max nun gemieden werde, verbessere seine Situation sicher nicht und könne auch darauf zurückzuführen sein, dass Informationen über ihn in Umlauf sind, die es nicht sein sollten.

Labeling schwer rückgängig zu machen

Selbstredend sei es schwer, die Bildung von Gerüchten und das damit verbundene Labeling von Max komplett zu verhindern. Hilfreich sei nebst der Versorgung der Studenten mit allen nötigen Informationen auch das Aufzeigen von Kompetenz. «Für die Studenten muss klar sein, dass die Schulleitung etwas tut – und, dass sie weiss, was sie tut.»

Dass die Studentinnen sich gar mit der Lancierung einer Petition auseinandersetzten, zeigt für Roshdi, dass das Labeling von Max wohl bereits stattgefunden hat. «Dies ist oft schwer rückgängig zu machen und bedarf nun einer sehr sensiblen Vorgehensweise.»

*Namen geändert

Verwendete Quellen
  • Telefonat und schriftlicher Austausch mit Valentin Gloor, Direktor des HSLU-Musikdepartements
  • Persönliche Treffen und Telefonate mit Studentinnen der HSLU
  • Schriftlicher Austausch mit Karoline Roshdi, Kriminalpsychologin und Bedrohungsmanagerin
  • Artikel vom 4. Juli 2023 auf «Pilatus Today»
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


3 Kommentare
  • Profilfoto von De Jazz
    De Jazz, 08.10.2023, 01:14 Uhr

    Valentin Gloor hat in dieser Angelegenheit hohe emotionale und fachliche Kompetenz bewiesen. Auch das Beiziehen von externen Experten um die Schulleitung fachlich zu beraten war eine gute Entscheidung.

    Dass die Polizei unter den gegebenen Umständen zur Absage des Sommerfestes geraten hat ist verständlich. Sobald in irgend einer Art und Weise Waffen ins Spiel kommen, kann man es sich im Jahr 2023 nicht mehr leisten ein Risiko einzugehen. Die Schulleitung würde sofort verantwortlich gemacht, sollte es am Sommerfest zu einem Vorfall kommen.

    Es bleibt zu hoffen, dass sich der angreifende Student seiner Taten vergegenwärtigt und Besserung zeigt. Ich weiss hier nicht wie die rechtliche Situation ist betreffend «Recht auf Bildung» des angreifenden Studenten.

    In einem «Code of Conduct» könnte festgehalten werden, dass in einer solchen Situation der Student nur weiter an der HSLU immatrikuliert sein darf, wenn er sich erfolgreich einer psychiatrischen oder psychologischen Betreuung unterzieht. Eine Art Quid Pro Quo.

    👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔2Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Waesmeli-Sepp
    Waesmeli-Sepp, 07.10.2023, 11:26 Uhr

    Ein Skandal, das so ein Student weiterstudieren darf.

    👍4Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runter
    • Profilfoto von Hanswurst
      Hanswurst, 07.10.2023, 13:51 Uhr

      Schliessen Sie sich damit vorbehaltlos den Gerüchten an? Diese können ebenso verletzend sein wie Tätlichkeiten, treffen aber ja „nur“ die Psyche.

      👍1Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon