Luzerner über Alltagsphänomen

Wäscheklau und Schreckschüsse: Wenn sich Nachbarn zoffen

Nachbarinnen: Entweder man kennt sich nicht oder man mag sich nicht.

Seine Nachbarinnen kann man sich nicht aussuchen. Entweder man hat Glück und trifft sich zum gemeinsamen Apéro – oder es kommt zu hässlichen Streits.

Es gibt jene Nachbarinnen, die frischen Börek vor der Tür deponieren, weil sie zu viel gebacken haben und an dich dachten. Es gibt Nachbarn, welche deine Wäsche sorgfältig falten, weil sie den Platz auf der Wäscheleine brauchten und du wieder mal vergessen hast, deine Wäsche aus der Waschküche zu holen. Und dann gibt es jene Nachbarn, welche deine Wäsche auf einen Haufen auf den Boden werfen, das eine oder andere davon gleich noch einpacken, und den Kinderwagen beim Eingang bei der Treppe so positionieren, dass du garantiert darüber stolperst.

Nachbarn kann man sich nicht aussuchen. Manche liebt man, manche kann man nicht ausstehen – die meisten jedoch, die kennt man erst gar nicht. Doch Knatsch oder Momente, in denen die Frage aufploppt, mit wem genau man sich das Dach teilt, dürfte jeder kennen. Etwa dann, wenn eine Dessousdiebin ihr Unwesen zu treiben scheint (zentralplus berichtete).

Waschküche: Hier streiten sich Nachbarn besonders oft

Auch der Luzerner Gregor, der eigentlich anders heisst, erzählt von gefrusteten Wascherlebnissen in seiner Stadtluzerner Wohnung. So habe sich eine ältere Dame, die inzwischen woanders wohne, partout nicht an den Wäscheplan gehalten. Die Seniorin sei nach Lust und Laune mit ihrer Schmutzwäsche die Treppe Richtung Waschküche gestampft. Wenn die Waschmaschine schon besetzt gewesen sei, habe sie das Programm kurzerhand gestoppt und die tropfnasse Wäsche darauf deponiert. Hauptsache, sie konnte ihre Wäsche waschen. Gregors Kommentar dazu: «Skrupellos.»

In der Tat sorgt die Waschküche immer wieder für Zoff unter Nachbarinnen. Das bestätigt auch Barbara Buchegger, Leiterin Marketing und Kommunikation bei der Livit AG. Der Immobilienverwalter hat schweizweit neun Niederlassungen, darunter eine in Luzern.

«Dass uns abhandengekommene Wäsche gemeldet wird, kommt gelegentlich vor.»

Barbara Buchegger, Livit AG

«Konflikte treten häufig um gemeinschaftlich genutzte Flächen auf – darunter auch die Nutzung der Waschküche», schreibt Buchegger. «Dass uns abhandengekommene Wäsche gemeldet wird, kommt gelegentlich vor.» Genauso gelegentlich käme es vor, dass Pakete geklaut werden. Streit unter Nachbarinnen gehört bei ihnen zur Tagesordnung. «Aufgrund der Portfoliogrösse, die wir in Luzern bewirtschaften, erhalten wir fast täglich Meldungen von Mietern zu Nachbarschaftsproblematiken.» Meistens geht es um Lärm oder Hausregeln, die gebrochen wurden.

Tatort Waschküche: Nicht selten führt dieser Ort zu Unstimmigkeiten unter Nachbarn. (Symbolbild: Adobe Stock)

Über nackte Skulpturen und Schreckschüsse

Oder manchmal sind es schlicht Skulpturen, die für Zoff sorgen. Genauer gesagt, zwei füdliblutte, aber abstrakte, Frauenskulpturen aus Bronze. So erzählt Gregor eine Geschichte, als er noch bei seinen Eltern zu Hause wohnte. Sein Bruder habe solche Skulpturen in seinem Zimmer aufgestellt. Das passte den Nachbarn nicht. «Weil die Mutter ihre eigenen Söhne ob des Anblicks der nackten Skulpturen nicht verderben wollte, bat sie unsere Mutter, dass mein Bruder die Skulpturen doch bitte wegräumen möge.» Aber um die Skulpturen im Zimmer überhaupt sehen zu können, musste man bewusst über eine Hecke spitzeln. Von aussen seien die Zimmer nicht einsehbar gewesen.

Eine weitere zentralplus-Leserin erzählt gar von Schüssen, die ein Nachbar abgefeuert habe. Wenn auch nur Schreckschüsse. Sie berichtet von einer Nachbarin, die zwei Hunde habe. In einem Rundmail wandte sich diese an die Bewohner von mehreren Mehrfamilienhäusern in einem Stadtluzerner Quartier. Sie schrieb, es passiere öfter, dass sie einen Knall oder einen Schuss höre, wenn sie mit den beiden Hunden rausgehe. Sie wisse nicht, was es sei – aber es passiere nur bei ihr und ihrem Mann und nicht bei anderen Hundehalterinnen. Die Frau ging deswegen davon aus, dass jemand etwas gegen sie persönlich oder ihre Hunde habe und sie erschrecken wolle. Inzwischen seien die Schüsse jedoch verstummt.

Die beiden sind bei Weitem nicht die Einzigen, die von Krach unter Nachbarn erzählen können. Satte 64 Prozent der Schweizer nerven sich über ihre Nachbarn, wie eine Umfrage von Comparis zeigte. Die grössten Aufreger sind Lärmbelästigung, Unfreundlichkeit, Zigarettenqualm und – wer hätte es gedacht – Streitigkeiten rund um die gemeinsame Waschküche.

Immobilienverwalter setzt auf Aussprachen unter Nachbarn

Doch wie klärt man solche Konflikte? Die Livit AG schwört auf Aussprachen. Aus Sicht des Immobilienverwalters sei es am erfolgversprechendsten, wenn die Nachbarn in einem ersten Schritt in Ruhe zusammensitzen und miteinander sprechen würden, um einander ihre Sichtweisen zu schildern. Werde der Streit nicht aus dem Weg geschafft, würden sie vermitteln und beide Seiten ermahnen, Rücksicht aufeinander zu nehmen. Halte eine der Parteien die Hausordnung nicht ein, könne die Verwaltung auf diese verweisen und dies auch schriftlich festhalten. «In einzelnen Fällen bieten wir an, mit beiden Mietparteien in unseren Büroräumlichkeiten und in unserer Anwesenheit Aussprache zu halten.»

Die vier Nachbarschaftstypen

Wie sich Herr und Frau Schweizer als Nachbarn verhalten, hat auch das Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI) im Auftrag des Migros-Kulturprozents genauer untersucht. Das GDI teilt diese in vier Nachbarschaftstypen ein.

Zum einen gibt es die Distanzierten, die mit ihren Nachbarinnen nicht sehr viel zu tun haben. Sie verhalten sich «unauffällig, sind weder laut noch halten sie sich lange in den öffentlichen Räumen des Quartiers auf». Alles, was über ein Grüezi hinausgeht, wird eher als lästig empfunden. Unabhängigkeit ist das höchste Gut. Fast jeder zweite Schweizer zählt sich zu dieser Gruppe (47 Prozent).

Dann gibt es die Inspirationssucherinnen. Sie legen Wert auf eine Durchmischung. Nachbarn sollen einander inspirieren, man will gemeinsam etwas Gutes tun. Dieser Nachbarschaftstyp sucht den Kontakt mit den Nachbarinnen und will diese kennenlernen. Zu dieser Gruppe zählen sich 30 Prozent aller Schweizer, wie die repräsentative Studie des GDI aus dem Jahr 2022 festhält.

«Oft hat sich über einen längeren Zeitrahmen viel Groll angesammelt, bis es der einen Partei zu viel wird.»

Esther Burri, Friedensrichterin Stadt Luzern

14 Prozent der Nachbarn sehen sich als Beziehungspfleger. Nachbarn sind für sie viel mehr als nur Nachbarn – sie sind Freunde oder eine Ersatzfamilie. Das bedeutet, dass es okay ist, kurz mal nebenan zu klingeln, um sich die Bohrmaschine auszuleihen. Regelmässig treffen sich die Nachbarinnen, sei es bei einem Grillabend, Hauskonzert oder einem Flurfest.

Am wenigsten sind die Schweizerinnen der Gruppe der Werteorientierten zuzuordnen (9 Prozent). Bei einem Umzug muss für diese Menschen nicht nur das neue Zuhause passen, denn sie setzen sich zuerst mit der Frage auseinander, wer in der Gegend und in demselben Haus wohnt. Diese müssen dieselben Werte und Spielregeln teilen. Einen engen Kontakt wie die Beziehungspflegerinnen wollen sie aber nicht. Man soll sich respektvoll begegnen, aber nicht zu viel Verpflichtungen auf sich nehmen. Ein kurzer Schwatz im Treppenhaus reicht.

Friedensrichterin wird nur selten involviert

Ein Nachbarschaftsstreit kann im schlimmsten Fall gar als Akte vor Gericht landen. Wie oft die Luzerner Polizei in einen Nachbarschaftsstreit involviert wird, weil etwa Wäsche oder Pakete gestohlen werden, kann diese jedoch nicht abschätzen. «Werden Gegenstände gestohlen, so empfehlen wir immer, dies bei der Polizei zu melden und eine Anzeige zu erstatten», schreibt Mediensprecher Yanik Probst.

Vermitteln könnte auch eine Friedensrichterin. Esther Burri, Friedensrichterin der Stadt Luzern, wird jedoch nur äusserst selten in solche Fälle beigezogen. In den vergangenen zwei Jahren waren es vier an der Zahl. «Viel häufiger sind Streitigkeiten zwischen Stockwerkeigentümerschaften», sagt Burri. «Oft handelt es sich um zu hohe Sträucher oder einen Anbau, der zu nahe an der Grenze des anderen ist. Oder wenn die Aussicht oder die Sicht auf die Sonne versperrt ist.»

Bis die Parteien den Weg zu Burri finden, sind die Fronten meistens schon verhärtet. «Oft hat sich über einen längeren Zeitrahmen viel Groll angesammelt», sagt Burri, «bis es der einen Partei zu viel wird.» Da wohl kaum eine Partei so schnell wegzieht, sei es umso wichtiger, eine gute Einigung zu finden und sich auszusprechen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Esther Burri, Friedensrichterin Stadt Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Yanik Probst, Mediensprecher bei der Luzerner Polizei
  • Schriftlicher Austausch mit Barbara Buchegger, Leiterin Marketing und Kommunikation bei Livit AG
  • Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts von 2022 «Hallo Nachbar:in – die grosse Nachbarschaftsstudie»
  • Umfrage von Comparis zu Nachbarschaftsstreitigkeiten
  • Website der Livit AG
  • Persönliches Gespräch mit Gregor
  • Schriftlicher Austausch mit zentralplus-Leserin
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 28.02.2024, 19:22 Uhr

    Ich schaffe es nicht, die im vorliegenden Artikel beschriebenen Störenfriede den vier Nachbarschaftstypen des Gottlieb-Duttweiler-Instituts (GDI) zuzuordnen. Dies zeigt, dass diese von Fachunkundigen verfasste GDI-Studie nicht das Geld wert ist, wenn sie vorgibt, die enorme Palette verschiedener psychischer Menschentypen in zeitlich variablen Zuständen lediglich vier Schuhschachteln zuzuordnen. So gesehen wird auch die Umfrage lediglich Datenschrott für Leichtgläubige liefern.

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