Knatsch um Arztpraxis

Patientenvertreter: «Ich verstehe die harsche Reaktion des Zuger Heilmittelinspektors»

In der Praxis fehlte mutmasslich ein Qualitätssicherungssystem für die Medikamente. (Bild: Pixabay)

Ludek Cap fürchtet um die Gesundheit der Patienten einer Zuger Arztpraxis. Bei einer Kontrolle, die er gegen den Willen seiner Vorgesetzten durchführte, entdeckte der Zuger Heilmittelinspektor angeblich diverse Mängel. Doch wie schlimm sind diese wirklich? Zentralplus hat bei einer Patientenorganisation nachgefragt.

Sechs bis zehn Mängel sind bei Kontrollen von Arztpraxen der Normalfall. 21 Mängel hat Ludek Cap bei einer Inspektion Anfang August festgestellt. Einer Kontrolle wohlgemerkt, die von vornherein unter keinem guten Stern stand.

Der Zuger Heilmittelinspektor wirft Kantonsarzt Rudolf Hauri und Gesundheitsdirektor Martin Pfister vor, sie hätten diese bewusst verhindern wollen (zentralplus berichtete). Cap wandte sich deshalb über die Medien an die Öffentlichkeit und warnte: «Die Gesundheit der Bevölkerung wird aufs Spiel gesetzt.» (zentralplus berichtete).

Hat er damit Recht? Oder macht der langjährige Kantonsmitarbeiter aus einer Mücke einen Elefanten? Für Laien ist nur schwer zu beurteilen, wie die Auflistung in der Strafanzeige gegen den besagten Arzt zu werten ist – zumal die Staatsanwaltschaft noch nicht entschieden hat, ob sie überhaupt ein Strafverfahren eröffnet und zudem die Unschuldsvermutung gilt. Der Arzt selber hat sich entschieden, während des laufenden Verfahrens nichts zu den Vorwürfen zu sagen.

zentralplus hat die Mängelliste aus diesem Grund Dr. med. Daniel Tapernoux anonymisiert vorgelegt. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung bei der Schweizerischen Patientenorganisation (SPO). «Bei vielen Punkten scheint es, basierend auf der Mängelliste so, dass sie den Patienten schaden könnten, wenn mehrere Umstände zusammenkämen», schickt er voraus.

Ablaufdatum der Medikamente: Fehlt ein Kontrollsystem?

Ein grosses Thema sei in der erwähnten Liste das fehlende Qualitätssicherungssystem für Arzneimittel. Dieses soll beispielsweise verhindern, dass abgelaufene Medikamente an Patienten abgegeben werden.

Weiter spielt die stetige Temperaturkontrolle eine Rolle. Medikamente, die zu hohen Temperaturen ausgesetzt werden, können ihre Wirkung teilweise verlieren – was unter Umständen den Patienten schadet. «Dass die Qualitätssicherung möglicherweise mangelhaft ist, bedeutet zwar noch nicht, dass die Patienten unmittelbar gefährdet sind», meint Tapernoux.

Aber es sei natürlich störend, zumal ein Qualitätssicherungssystem gesetzlich vorgeschrieben und nicht einfach ein «Nice to have» sei. «Aus meiner Sicht wäre es in so einem Fall wichtig, rasche Nachbesserungen einzufordern, aber nicht zwingend gleich die Bewilligung in Frage zu stellen – weil eben keine unmittelbare Gefahr besteht.»

Betäubungsmittel: Missbrauch ist gefährlich

Ein weiteres Thema in der Liste ist der Umgang mit Medikamenten, bei welchen die Gefahr einer Abhängigkeit besteht. Diesen findet der Patientenvertreter «grenzwertig». «Wenn nicht genau dokumentiert ist, welche Medikamente abgegeben werden, besteht die Gefahr eines Missbrauchs – und dann kann das Schadenspotenzial unter Umständen gross sein», meint er.

Deshalb mache der Gesetzgeber diesbezüglich strenge Vorgaben. «Es ist sicher richtig, dass der Heilmittelinspektor eine korrekte Dokumentierung fordert.»

Sterile Instrumente: Es gäbe eine einfache Lösung

Das dritte grosse Thema ist die Sterilisation der Instrumente. «Da wurden in der Liste verschiedene Mängel festgehalten, die dazu führen könnten, dass die Sterilgutaufbereitung nicht funktionieren könnte», sagt Tapernoux.

Im Praxislabor zum Beispiel könnten die Instrumente mit kontaminierten Proben in Berührung kommen, auch weil es keine klare Trennung der Zonen gibt. Zudem wurde gemäss der Mängelliste nicht regelmässig geprüft, ob der Sterilisator richtig funktioniert.

Da in der Praxis kleinchirurgische Eingriffe und Wundversorgung angeboten werden, könnte dies im schlimmsten Fall zu einer Infektion führen. «Aber auch hier gilt: Es muss einiges schieflaufen, damit es für die Patienten wirklich gefährlich wird.»

Das Problem hätte sich relativ einfach lösen lassen, indem entweder Einweginstrumente eingesetzt werden – oder indem eine spezialisierte Firma mit der Sterilisation beauftragt wird. «Das ist heutzutage verbreitet und wird auch empfohlen», so Tapernoux.

Aufklärung ist wichtig

Was dem Patientenvertreter an dem Fall generell zu denken gibt, ist Folgendes: «Gemäss Medienberichten könnte der Eindruck entstehen, dass die Verantwortlichen versucht haben, den Arzt zu schützen, um die Gesundheitsversorgung in diesem Ort aufrechtzuerhalten. Mutmasslich nach dem Motto: Lieber von einem Arzt versorgt werden, der nicht ganz alle Vorgaben einhält, als von gar keinem Arzt. Aus meiner Sicht wäre das aber der falsche Weg.»

Zum einen seien die Distanzen in der Schweiz nicht so gross, dass man nicht im nächsten Dorf zu Arzt gehen könnte. Und zum anderen wären die Mängel mit vertretbarem Aufwand auch kurzfristig zu beheben.

Dass gemäss Medienberichten eine Mitarbeiterin der Gesundheitsdirektion vor Ort gewesen sei, um die geplante erste Kontrolle zu verhindern, hinterlasse einen schalen Beigeschmack. «Da verstehe ich die harsche Reaktion der Heilmittelinspektors.» Dass nun untersucht werden soll, welchen Hintergrund das Ganze hatte, findet der Patientenvertreter begrüssenswert.

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