Klinik bedauert Todesfall «ausserordentlich»

Kindstodfall in Cham: Massive Vorwürfe gegen Hebamme

Eine betroffene Familie beschuldigt die zuständige Hebamme nach dem Tod eines Neugeborenen in der Andreasklinik Cham. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Vor Kurzem starb in der Andreasklinik offenbar ein Säugling während der Geburt. Die Angehörigen äusserten in mehreren Google-Bewertungen schwere Vorwürfe gegen die verantwortliche Hebamme. Nun wird der Fall «von den zuständigen Behörden» aufgeklärt werden.

Der Verlust des eigenen Kindes ist womöglich das Schlimmste, was ein Mensch erleben kann. Der Kindstod während der Geburt ist zwar in der Schweiz selten, dennoch kommt er vor. In der Schweiz wurden im Jahr 2022 359 Babys tot geboren, im Jahr davor waren es 395.

Auch in der Andreasklinik Cham kam es offenbar kürzlich zu einem solch tragischen Fall. Damit nicht genug: Die Verwandtschaft der betroffenen Mutter erhebt massive Vorwürfe gegen die verantwortliche Hebamme und machten diese auch öffentlich.

Drei vernichtende Google-Bewertungen waren unter dem Eintrag der Andreasklinik Cham zu lesen. Unter anderem war dort die Rede davon, dass die Hebamme bei der Geburtseinleitung ihre Aufgabe nicht gemacht und dass deshalb ein gesundes Baby sein Leben verloren habe. Der Verfasser bezeichnet die Hebamme als Mörderin und droht mit rechtlichen Schritten bis vor Bundesgericht.

Die beiden weiteren Rezensenten – ihre Einträge sind zwischenzeitlich verschwunden – äusserten sich in ähnlicher Weise. Auf Anfrage von zentralplus möchte sich der Verwandte, dessen Rückmeldung nach wie vor auf Google Maps zu finden ist, bis zum Abschluss des Strafverfahrens nicht äussern.

Die Vorwürfe gegenüber der Andreasklinik respektive der Hebamme wiegen schwer. (Bild: zvg Google Maps)

Andreasklinik bedauert Todesfall «ausserordentlich»

Zu den einzelnen Fragen von zentralplus äussert man sich bei der Hirslanden-Gruppe, zu der das Chamer Spital gehört, nicht. Yvonne Hubeli, die Direktorin der Andreasklinik, äussert sich jedoch mit folgendem Statement: «Ich bedaure den tragischen Todesfall ausserordentlich, der sich bei der Geburt eines Kindes zugetragen hat. Wir setzen alles daran, dass die Ursachen transparent und vollständig aufgeklärt werden, und arbeiten hierzu vollumfänglich mit den zuständigen Behörden zusammen.»

Bis zum Abschluss der Untersuchung und dem Vorliegen der Ergebnisse gelte für alle Beteiligten uneingeschränkt die Unschuldsvermutung. Und weiter: «Erneut möchte ich den Eltern persönlich mein tief empfundenes Beileid aussprechen.»

Schweizerischer Hebammenverband ordnet ein

Der Schweizerische Hebammenverband hatte bis zur Medienanfrage keine Kenntnis über den Fall in Cham. Zu den besagten Google-Maps-Bewertungen äussert sich Präsidentin Barbara Stocker Kalberer wie folgt: «Der Tod eines Neugeborenen ist immer sehr erschütternd. Selbstverständlich vor allem für die betroffene Familie, die Verwandtschaft.» Und weiter: «Im Hintergrund ist er auch erschütternd für alle beteiligten Fachpersonen. Inwieweit es sich tatsächlich um einen Behandlungsfehler handelt, muss durch ein fachliches Gutachten geklärt werden.»

Totgeburten in der Schweiz

Gemäss Bundesamt für Statistik wird das Überleben eines Neugeborenen massgeblich von der Dauer der Schwangerschaft beeinflusst. Besonders bei den Frühgeburten, die zwischen der 22. und der 27. Schwangerschaftswoche zur Welt kämen, besteht ein erhöhtes Risiko für einen perinatalen Todesfall. Unter perinataler Sterblichkeit werden die Anzahl der Totgeburten und die Todesfälle in den ersten sieben Tagen zusammengezählt.

Die Anzahl tot geborener Kinder pro 1000 Geburten (Lebend- und Totgeburten) in einem Jahr wird auch Totgeburtenrate genannt. Diese lag im Jahr 2021 bei 4,4 und sank im Jahr 2022 leicht auf 4,3 Totgeburten pro 1000 Geburten. Die Totgeburtenrate ist zwischen 1970 und 1990 um die Hälfte zurückgegangen, seither schwankt sie um den Jahreswert von vier Totgeburten pro 1000 Geburten.

Betroffene finden auf der Website kindsverlust.ch sowie bei der Patientenorganisation Hilfe.

Das passiert bei einem ungeklärten Todesfall

«Bei einem ungeklärten Todesfall ermittelt die Staatsanwaltschaft», so Stocker. «Bei Haftungsfragen gegenüber einem Spital sind vor allem die Haftpflichtversicherungen involviert. Manchmal liegen klare Behandlungsfehler vor, manchmal kommt es auch zu einem Todesfall, ohne dass ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann», sagt sie weiter.

Häufig gehe es in solchen Fällen darum, mit den betroffenen Patientinnen einen Vergleich zu erzielen, welcher Schadensansprüche regle. Patientinnenorganisationen würden professionelle Beratung und Unterstützung anbieten, indem eine Situation unabhängig beurteilt werde und eine unabhängige Hilfestellung in medizinischen Fragen geboten werden könne.

Gutachten können bei der Aufklärung helfen

Auch der Schweizerische Hebammenverband bietet seit Kurzem gerichtliche und aussergerichtliche Gutachten an. In wie oben geschilderten Fällen können auf Anfrage der Staatsanwaltschaft von Haftpflichtversicherungen, Gesundheitsdirektionen oder Anwältinnen Gutachterinnen beigezogen werden. «Solche Anfragen sind streng vertraulich. Alle Gutachter haben einen entsprechenden Vertrag zu unterschreiben», sagt die Verbandspräsidentin.

«Unser Team hat Expertise in verschiedensten Arbeitsbereichen. Alle im Team sind langjährige Hebammen, und alle haben einen Masterabschluss. Die Verantwortliche für Qualität und Innovation triagiert bei Anfragen, wer am besten geeignet ist, den Fall zu beurteilen.»

Die ausgewählte Gutachterin müsse sich in den entsprechenden Fall einlesen, die Dokumentationen prüfen und beurteilen, ob die involvierten Fachpersonen korrekt gearbeitet hätten. Weiter müsse geprüft werden, ob grob fahrlässige Fehler gemacht und die Anweisungen sowie Verordnungen befolgt worden seien oder nicht. Ebenso ob diese Verordnungen mündlich erfolgt wären oder auch schriftlich vorlägen. «Dazu muss sie Leitlinien und Richtlinien sowie spitalinterne Empfehlungen beiziehen und auf Grundlage dieser Fachliteratur eine fachliche Einschätzung machen», sagt Stocker.

Verwendete Quellen
  • Statistik des Bundes zur Kindersterblichkeit
  • Auf der Website kindsverlust.ch erhalten trauernde Eltern Hilfe
  • Schriftliche Anfrage bei der Andreasklinik Cham
  • Schriftlicher Austausch mit betroffenen Verwandten
  • Schriftlicher und mündlicher Austausch mit Barbara Stocker Kalberer
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8 Kommentare
  • Profilfoto von E.F.
    E.F., 26.11.2023, 10:02 Uhr

    Stellt euch vor Ihr hat alles vorbereitet, Kinderzimmer usw.und nachher so was!!!!
    Die Schwangerschaft lauft alles besten und was ist das???

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  • Profilfoto von Zuger Kerl
    Zuger Kerl, 25.11.2023, 17:43 Uhr

    Bei Unschuld der Hebamme, wäre das voreilige Vorgehen der Rezession Schreiber eine strafbare Verleumdung

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    • Profilfoto von Roli Greter
      Roli Greter, 26.11.2023, 08:37 Uhr

      Ohne rechtskräftiges Urteil ist die Aussage, die Hebamme sei eine Mörderin, strafbar. Vielleicht hat Herr Mainardi noch Zeit für ein zur Abwechslung mal sinnvolles Mandat?

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  • Profilfoto von Zuger Kerl
    Zuger Kerl, 25.11.2023, 17:09 Uhr

    Wie im Bericht erwähnt, es gilt noch die Unschuldsvermutung. Nicht immer muss jemand Schuld sein, nur im Kopf der Menschen

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  • Profilfoto von Mirjam
    Mirjam, 25.11.2023, 15:45 Uhr

    Hebammen sind eben keine Ärzte. Auch ich hatte bei der Geburt mulmige Gefühle über das Vorgehen der Hebamme. Es bleibt nichts anderes übrig als zu vertrauen. Jemand anderer ist nicht da. Die andere Variante ist nicht zu vertrauen und sich dagegen zu sträuben. Funktioniert dann aber nicht, wenn die grossen Schmerzen kommen und man realisiert, ich muss positiv in den Ablauf reingehen. Fazit: Man ist tatsächlich hilflos ausgeliefert. Vielleicht sollte endlich eine Debatte darüber starten, was eine Frau in einer solchen Situation unternehmen kann. Es gibt ja auch kein Vier-Augen-Prinzip. Die Hebamme holt den Arzt nur bei Komplikationen oder ganz zum Schluss. Was, wenn sie die Komplikationen nicht heraussieht? Ich plädiere für Vier-Augen-Prinzip während der ganzen Geburt.

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 25.11.2023, 15:06 Uhr

    Sie würden das Gutachten eher vom Verband der Strassentransportarbeiter einholen? Oder vom Interessenverein Gender-Student:innen?

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  • Profilfoto von M.Meier
    M.Meier, 25.11.2023, 12:06 Uhr

    Ja genau.
    Der Hebammenverband macht ein Gutachten über eine Hebamme!
    Das ist bestimmt «unabhängig» und «neutral»!

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    • Profilfoto von Zwätschgechueche
      Zwätschgechueche, 25.11.2023, 15:04 Uhr

      Wer soll denn ein Gutachten machen, wenn medizinische Organisationen vorbelastet sind? Der TCS?

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