In Luzern entsteht die erste queere Bibel
Ein Luzerner Pastor will es wagen, biblische Texte neu zu erzählen und der queeren Community zugänglich zu machen. Die katholische Kirche Luzern steht dahinter, sagt er.
Die biblische Geschichte von Josef lässt sich queer deuten. Das sagen zumindest Menschen, die das heiligste Buch des Christentums queer auslegen. Einer von ihnen ist der Luzerner Theologe Meinrad Furrer. Der Leiter der Peterskapelle schreibt diesen Sommer gemeinsam mit der queer-feministischen Aktivistin Mentari Baumann eine queere Bibel. Wohl die erste im deutschsprachigen Raum, vielleicht sogar weltweit, sagt er zu zentralplus.
Die Peterskapelle ist die älteste Kapelle der Stadt Luzern. Sie liegt direkt neben der Kapellbrücke. Meinrad Furrer, der schon am Zürcher Platzspitz queere Paare auf einer Regenbogenbank gesegnet hat, leitet sie seit rund einem Jahr. Und hat die bunte Bank mit nach Luzern gebracht.
Josef und das Prinzessinnenkleid
Zurück zu Josef. Wie im ersten Buch Mose steht, ist Josef 17 Jahre alt und hütet gemeinsam mit seinen Brüdern die Schafe. Ihr Vater Israel, auch Jakob genannt, liebt Josef mehr als die anderen Söhne. Denn der Junge ist «der Sohn seines Alters». Um ihm eine Freude zu bereiten, macht er ihm «einen bunten Rock».
Queere Interpretatoren sagen nun, der hebräische Begriff «Ketonät Passim» bezeichne nicht irgendeinen farbigen Rock. Sondern ein «bodenlanges, verziertes Ärmelkleid», wie es zu König Davids Zeiten einer Prinzessin gebührte. Und so auch im zweiten Buch Samuel beschrieben wird.
Trug Josef also ein Prinzessinnenkleid? Fühlte sich Josef vielleicht mehr wie eine Josefine? Und war seine Identität wohl der Grund, warum er später von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde?
Drei Wege, um die Bibel queer zu denken
Solche und ähnliche Interpretationen finden sich auf unzähligen Websites, die sich mit der queeren Auslegung der Bibel beschäftigen. Für Meinrad Furrer sind diese Texte aber nur einer von drei Wegen, um die Bibel für queere Menschen zugänglich zu machen.
Erstens gäbe es in der Bibel gewisse Texte, die queer-feindlich gelesen werden können. So etwa die Passage aus dem Levitikus: «Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel.» Solche Stellen gelte es einzuordnen. «Wir lassen die Texte, wie sie sind in der Bibel, legen aber Texte darüber, die Erklärungen geben», sagt Furrer.
«Man kann die biblischen Texte so auslegen, dass sie queere Menschen inspirieren.»
Meinrad Furrer, Luzerner Seelsorger
Zweitens beinhalte die Bibel auch Texte, die sehr queer-freundlich gelesen werden können, wie die Geschichte von Josef und dem Kleid. «Viele solcher Debatten finden auf Social Media in einer queer-feministischen Bubble statt. Wir wollen die Texte, die es gibt, nehmen und veröffentlichen.»
Drittens geht es darum, Texte hervorzuheben, die für diverse und queere Identitäten hilfreich sein können, auch wenn sie nichts mit Sexualität oder Geschlechtsidentität zu tun haben. «Wir wollen queere Menschen ermutigen, auch aus biblischer Sicht einen positiven Zugang zu ihren Lebensrealitäten zu bekommen.»
Ein Projekt für die Pride-Woche und darüber hinaus
Der Luzerner Seelsorger betont, es gehe nicht darum, «eine neue Bibel» zu schreiben. Auch könne man aus moderner Sicht keine queeren Identitäten «in die alten Texte» lesen. «Man kann die biblischen Texte aber so auslegen, dass sie queere Menschen inspirieren», sagt Furrer.
Der 58-Jährige arbeitet bereits mit Mentari Baumann an der Zusammenstellung der Texte für die wohl erste queere Bibel. «Es gibt viele Texte, die kommentieren, aber wenige Nacherzählungen», sagt Furrer. Baumann war bis letztes Jahr Präsidentin der Zurich Pride und ist Geschäftsführerin von «Allianz Gleichwürdig Katholisch», einer Arbeitsgemeinschaft von reformfreudigen katholischen Gruppierungen.
«Auf Social Media sammeln wir zurzeit Texte und merken, welche wir noch selbst schreiben wollen», erzählt Furrer. Am diesjährigen Pride Festival am 26. August soll dann eine erste Ausgabe an einem Stand der Kirchen ausliegen. Später werden die Texte auch online verfügbar sein. «Es soll ganz bewusst kein Endprodukt geben. Wir wollen, dass es weitergeht.»
Mit ihrem Projekt, basierend auf der Zürcher Bibel, wollen die beiden nicht nur queere Menschen ansprechen, sondern auch für «skeptische Menschen» Aufklärungsarbeit leisten, sagt Meinrad Furrer. «Biblische Texte sind sehr alt und in einem anderen kulturellen Kontext entstanden. Wir wollen es wagen, sie neu zu erzählen.» Rund um die diesjährige Pride-Woche veranstaltet er in der Peterskapelle daher auch ökumenische Veranstaltungen zu queeren Themen.
Die Haltung zu queer in der katholischen Kirche bildet die Gesellschaft ab
Bei der diesjährigen Zentralschweizer Pride am 26. August machen erneut alle drei Landeskirchen und die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» mit. Es wird die zweite Pride in Luzern nach 17 Jahren Pause (zentralplus berichtete). Ein Grund für die Teilnahme ist Meinrad Furrer, der schweizweit als «Queer-Pastor» bekannt ist. Doch seine Arbeit stösst auch auf Gegenwind.
«Ich glaube, das Thema LGBT und Religion ist immer noch ein grosses Reizthema.»
Meinrad Furrer
«Generell steht die katholische Kirche Luzern voll dahinter und findet, wir müssen Menschen mit queerer Identität offen begegnen», sagt der Leiter der Peterskapelle. Es gäbe aber einzelne Menschen in der Kirchengemeinde, die diese Haltung nicht teilen. «Ich finde, mittlerweile bildet die katholische Kirche die Gesellschaft diesbezüglich gut ab.»
Es sei nicht immer leicht, mit Kritik an seiner Lebensrealität umzugehen, erzählt er. Denn es könne einen auch «persönlich treffen». Er versuche dann trotzdem, professionell ein Gespräch zu suchen. «Ich glaube, das Thema LGBT und Religion ist immer noch ein grosses Reizthema.»
- Bibelstelle 1. Mose 37,2–3
- Bibelstelle 2. Sam 13,18
- Artikel auf «VCP»
- Artikel auf «Nac»
- Telefonat mit Meinrad Furrer
- Medienmitteilung der vier kirchlichen Partner zur diesjährigen Pride
- Artikel auf «kath.ch»
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Viola, 20.08.2023, 13:33 Uhr Jetzt bin ich endgültig froh, dass mein Enkel vor 10 Jahren nicht getauft wurde (katholisch).
So wird er wenigstens mit solch absurdem neuem Schrott nicht gezwungenermaßen konfrontiert. Als Erwachsener kann er sich dann selber entscheiden, ob und welcher «Sekte» er sich überhaupt anschließen will.👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterLukas Wolfisberg, 16.08.2023, 09:05 Uhr Eine abenteuerliche Interpretation, die sich einzig vom Ziel hat leiten lassen, Josef als Josefine zu outen. Könige trugen farbige Festtagsgewänder. König Salomon z.B. war für seine luxuriöse farbenprächtige Garderobe bekannt, die gemäss Jesus nicht an die natürliche Farbenpracht einer Lilie heranreicht. War Salomon also nach der Logik des Auslegers ebenfalls eine Frau?
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👍2Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runtermarsumarsu, 14.08.2023, 17:29 Uhr So ein in der Landschaft quer stehender Quatsch.
Solche Figuren werden bestimmt nicht die Abwanderung von „Gläubigen“ aus den Kirchen verhindern können.👍3Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterMARIO P. HERMANN, 14.08.2023, 06:58 Uhr Wow, diese Meldung haut mich glatt aus den Socken…!
👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterAlois Iten, 13.08.2023, 20:49 Uhr Natürlich ist er der erste, der eine quere Bibel schreibt. Würde ich ein Buch übers Einlochen auf der Minigolf Bahn 11 schreiben, wäre das wohl auch eine Premiere. Es gibt schlichtweg Dinge, die die Welt nicht braucht.
👍6Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterMarkus Grob, 13.08.2023, 14:52 Uhr Ist ja nichts neues. Gibt ja schon die Volxbibel und die für «gerechte Sprache».
Entweder man nimmt die Bibel wie sie ist, oder man lässt sie komplett sein. Gott ändert sich nicht nach unseren Vorstellungen, nur weil wir sein Wort unseren Vorstellungen anpassen.👍7Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterHans Th. Flory, 13.08.2023, 13:54 Uhr Eine Super-Idee.Auch der römische Hauptmann und sein Diener gehört dazu.
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎3Daumen runterRoli Greter, 13.08.2023, 07:50 Uhr Mario und Josefine hatten eine gemeinsame Tochter; Jesuita Emma Dolores Maelle. Diese wurde am 24. Dezember 1291 geboren und noch in der selben Nacht von den eiligen drei Königinnen adoptiert.
👍5Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runterMichail Alexandrowitsch, 12.08.2023, 22:21 Uhr Das Gefährlichste in unserer Gesellschaft ist, wenn die Dummen und Ideologisierten das Heft in die Hand nehmen.
👍13Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterHafen Hansi, 12.08.2023, 22:52 Uhr Die Dummheit hat mal wieder Hochkonjunktur!
👍10Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterMichail Alexandrowitsch, 14.08.2023, 10:01 Uhr Schon länger, sonst müssten wir uns nicht mit diesem Schrott auseinandersetzen.
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Marie-Françoise Arouet, 12.08.2023, 18:42 Uhr Was für eine geistlose, dumme, im Kern blasphemische und arrogante Idee!
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Marc, 12.08.2023, 18:31 Uhr Märchenbuch bleibt Märchenbuch.🤷🏻♂️
👍7Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎3Daumen runterFranz, 12.08.2023, 18:04 Uhr Offenbar will man noch die letzten Getreuen aus den Kirchen vertreiben. Nach der Kampagne gegen die Konzerne nun die Queer-Propaganda. Auch beim Klima sind sie längst dabei, das hat auch mit Religion zu tun, einfach als Ersatz. Bin da längst weg.
👍13Gefällt mir👏1Applaus🤔1Nachdenklich👎0Daumen runterKommentarschreiber, 12.08.2023, 22:01 Uhr Wir alle sind tagtäglich «beim Klima dabei».
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎9Daumen runterHugo Ball, 13.08.2023, 08:28 Uhr Franz meint wohl eher die totalitären Anflüge der grünen Weltuntergangssekte. Und nicht das Klima im Allgemeinen.
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Hegard, 12.08.2023, 17:44 Uhr für was eine Bibel,die gewisse Sexualität wird
nicht nur hier sondern auch im Vatikan praktisch ausgeübt!
Wir hatten sogar einen Pater als Aufklärungs Lehrer der sich getrennt von Mädchen/Buben in der 4 Klasse von seiner Kutte entblösste!
Woher hatte er wohl seine Erfahrung!
Und warum auch bei den Buben,die ja aus Natürlichen Gründen wissen wie ein Mann aussieht!
Ich denke ein Zölibat ist überflüssig,wenn’s im geheimen doch nicht eingehalten wird!
Dort sollte Mann entlich aufräumen!👍6Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎3Daumen runter