Gegen-Demonstranten haben Angst, Strafanzeige zu erstatten
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An der unbewilligten Corona-Demo letzte Woche in Luzern haben Teilnehmer in der Buobenmatt auf drei Gegendemonstranten eingeschlagen. Ein Video zeigt Teile des Angriffs. zentralplus hat mit den Betroffenen darüber gesprochen, warum sie da waren – und weshalb sie die Angreifer nicht angezeigt haben.
Rund 400 Menschen sind am letzten Samstag durch die Stadt Luzern gezogen, um gegen die Corona-Massnahmen zu demonstrieren (zentralplus berichtete). Eine Bewilligung haben die Organisatoren bewusst nicht eingeholt – obwohl die Stadt eine solche in Aussicht gestellt hatte (zentralplus berichtete).
An der Kundgebung durchbrachen die Demonstrantinnen eine Polizeisperre, ein Demonstrant griff die Einsatzkräfte tätlich an und wurde verhaftet. Zudem kam es zu Pöbeleien mit Passanten (zentralplus berichtete). Ein Mann hat gemäss Polizei den Demo-Zug angegriffen und wurde deshalb ebenfalls in Gewahrsam genommen.
Verruckelte Videoaufnahme zeugt vom Zwischenfall
Von der Polizei unbemerkt blieb ein Zwischenfall in der Buobenmatt (zentralplus berichtete). Dieser ist in einem Videostream der Demonstration auf Youtube bruchstückhaft zu sehen. Beim Seiteneingang der Passage stehen drei Personen, die eine Fahne der «antifaschistischen Aktion» hochheben und von den Demonstranten beschimpft werden. Dann schwenkt die Kamera weg. Jemand sagt, jetzt habe man die Antifa «geärgert». Dann ruckelt das Bild, es sieht kurz aus, als würden mehrere Männer hinter einer Schweizerfahne auf jemanden einprügeln. Dann ist die Szene vorbei.
Was ist da passiert? Einer der Gegen-Demonstranten schildert den Angriff so: «Wir waren da, um ein Zeichen gegen Faschismus zu setzen. Wir haben damit gerechnet, dass wir deswegen angepöbelt würden – aber nicht mit so einer körperlichen Attacke». Rund 15 Männer seien auf sie zugestürzt und hätten mit Fäusten auf sie eingeschlagen. Es sei blitzschnell gegangen.
Keine bleibenden Verletzungen
Als weitere Gegen-Demonstranten hinzugekommen seien, seien die Täter davon gegangen. Der Angriff habe nur zwei bis drei Minuten gedauert. Einer der Gegen-Demonstranten habe danach eine Platzwunde am Kopf gehabt, ein anderer habe Schmerzen im Nierenbereich und der Dritte eine Prellung an der Schläfe und am Auge.
Die Polizei war beim Angriff selber nicht zugegen. Eine unabhängige Überprüfung der Geschichte gestaltet sich daher als schwierig. Für die Version der Gegen-Demonstranten sprechen die Videobilder und die Verletzungen. Unabhängige Ermittlungen wird es in dieser Sache aber keine geben. Denn eine Strafanzeige wurde nicht eingereicht. «Wir haben Angst, dass unsere Namen in die Hände der Angreifer kommen könnten und wir dann mit weiteren Gewalttätigkeiten rechnen müssen», sagt einer der betroffenen Gegen-Demonstranten.
Anonyme Strafanzeigen gibt es nicht
Grundsätzlich gibt es tatsächlich keine Möglichkeit, eine Anzeige anonym aufzugeben. Das bestätigt Edith Lang, Leiterin Dienststelle Soziales und Gesellschaft, welcher die Opferhilfe Luzern angegliedert ist. «Die beschuldigte Person hat das Recht, Belastungszeugen zu befragen, sich auf das Konfrontationsrecht abzustützen und Akteneinsicht zu verlangen. Eine Staatsanwaltschaft wird ein Verfahren nicht abschliessen können, bevor sie der beschuldigten Person die oben beschriebenen Rechte gewährt hat», erklärt sie.
Die Strafprozessordnung sieht zwar vor, dass in Ausnahmefällen die Anonymität gewährt werden kann, wenn einem Zeugen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben droht. Ob es sich um schwerwiegende und schutzbedürftige Fälle handelt, entscheidet das Zwangsmassnahmengericht. Dabei muss die drohende Gefahr gegen das Recht der Beschuldigten auf Verteidigung und Akteneinsicht abgewogen werden, wobei letzteres im Strafprozess einen sehr hohen Stellenwert hat.
Opferberatung auch ohne Strafanzeige möglich
«Betroffenen Menschen in dieser Situation wird geraten, sich bei der Opferberatungsstelle (OBS) zu melden und einen Termin zu vereinbaren», sagt dazu Lang. In einer telefonischen Beratung oder einem Gespräch vor Ort wird bei Bedarf eine Anzeigeberatung vollzogen. «Wenn nötig, findet eine umfassende Gefährdungseinschätzung bei einer möglichen Anzeige statt. Zugleich werden mit der betroffenen Person mögliche Schutzmassnahmen besprochen», so Lang. Eine Beratung setzt keine strafrechtliche Anzeige voraus.
Bewilligung hätte Schutz geboten
Ein weiterer Grund, weshalb die Gegen-Demonstranten keine Anzeige erstatten ist ihre Befürchtung, als Teilnehmer des Gegenprotestes selber angezeigt zu werden. Denn auch die Gruppierung «Resolut» – welche dazu aufrief – hatte vorgängig keine Bewilligung eingeholt.
«Ich bin dort nicht Mitglied, ich bin lediglich dem Aufruf gefolgt», sagt einer der betroffenen Gegen-Demonstranten. «Mir ist aufgefallen, dass an diesen Demos mehr nationalistische Symbole als Corona-Plakate gezeigt werden. Dagegen wollte ich ein Zeichen setzen.»
Hinweise auf Neonazi-Teilnahme an Corona-Demo
Vieles deutet daraufhin, dass die Antifa von Demonstranten aus der rechtsextremen Szene Prügel bezogen hat. So sind auf Aufnahmen der Demo mehrere Männer zu sehen, die mit ihrer Bekleidung ihre offensichtliche Zugehörigkeit zum Neonazi-Milieu kundtun und aus ihrer Gesinnung keinen Hehl machen.
Ein Massnahmen-Gegner trägt etwa ein Muskelshirt mit der Aufschrift «Nordic Performance». Die Marke wird vom rechsextremen Modelable «Thor Steinar» vertrieben. Dieses wiederum hat der deutsche Verfassungsschutz seit geraumer Zeit im Visier. Denn die vom Label vertriebene Kleidung wird als Erkennungszeichen der Rechten-Szene eingestuft.
Ein weiterer Teilnehmer der Demo trägt ein «Ansgar Aryan»-Shirt, der gleichnamigen deutschen Neonazi-Modemarke, die die «arische Rasse» verherrlicht. Ebenfalls auf den Aufnahmen zu sehen, ist ein Ex-Mitglied der in Deutschland mittlerweile verbotenen Rockervereinigung Gremium MC, der mit stolz das T-Shirt seines einstigen Motorradclubs zur Schau trägt. Gemäss Antifa soll er auch schon im Gefängnis eingesessen haben.