Weil sichtbar Drogen konsumiert werden

Crack-Problem: Stadtluzerner fühlen sich unwohl und verärgert

Hier bei den roten Bänken am Kasernenplatz direkt an der Reuss treffen sich regelmässig Menschen, konsumieren Drogen und dealen. (Bild: ida)

Der sichtbarere Drogenkonsum geht an Luzernerinnen nicht spurlos vorbei. Um das Crack-Problem anzupacken, hat die Drogen-Anlaufstelle bald länger offen. Doch: Wird das eigentliche Problem damit nicht bloss für ein paar Stunden länger versteckt?

Crack flutet die Schweiz – die meisten Städte versuchen, den steigenden und sichtbareren Drogenkonsum einzudämmen (zentralplus berichtete).

Auch Stadt und Kanton Luzern ergreifen Massnahmen. Unter anderem soll die Gassechuchi – Kontakt- und Anlaufstelle (kurz K+A) im Juli eine Stunde länger offen haben, ab September zwei Stunden. Der städtische Sozial- und Sicherheitsdirektor Martin Merki spricht von «zwei wichtigen Stunden». Insbesondere, da zwischen 17 und 19 Uhr viele Leute unterwegs seien (zentralplus berichtete).

Dennoch poppt die Frage auf, ob das Problem so nicht einfach versteckt wird. Denn der Drogenkonsum findet einfach zwei Stunden länger in den Gemäuern des Hauses am Geissensteinring 24, wo die Anlaufstelle ist, statt.

Einer, der sich mit dem Crack-Problem beschäftigt, ist Christian Wandeler. Er ist der städtische Sicherheitsmanager und Teil der «Fachgruppe Sucht Stadt Luzern». Darauf angesprochen sagt Wandeler, dass es bei der erwähnten Massnahme darum gehe, den öffentlichen Raum vor allem zu Stosszeiten im Feierabendverkehr zu entlasten. «Es geht aber auch darum, dass die betroffenen Personen länger in einem betreuten Rahmen konsumieren können.»

Die vier Säulen der Schweizer Drogenpolitik

Als weitere Massnahmen haben Stadt und Kanton beschlossen, die SIP (Sicherheit Intervention Prävention), die eine Mischung aus Sozialarbeiter und Ordnungsdienst ist, personell aufzustocken. Und die Luzerner Polizei, welche die Lage immer wieder neu beurteilt, ist weiterhin an den Hotspots präsent.

Stadt und Kanton fokussieren sich insbesondere auf die Schadensminderung. Sie ist eine der vier Säulen, auf welchen die Schweizer Drogenpolitik basiert. Das sind Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression.

«Wir können das Problem alleine mit den bisher festgelegten Massnahmen nicht lösen.»

Christian Wandeler, Sicherheitsmanager Stadt Luzern

Das Problem bei Crack: Therapiemöglichkeiten gibt es kaum. Eine Substitution ist nicht möglich, denn bei Crack gibt es kein Ersatzprodukt. Anders ist es bei Heroinsüchtigen, die man beispielsweise mit Methadon substituieren kann (zentralplus berichtete).

Gemäss Wandeler muss man sich folglich überlegen, wie man die verbleibenden drei Säulen stärken kann – was nicht nur eine städtische und kantonale Aufgabe ist, sondern auch eine nationale. «Wir können das Problem mit den bisher festgelegten Massnahmen alleine nicht lösen», sagt er. «Wir können aber dazu beitragen, dass sich die betroffenen Personen länger in diesem geschützten Rahmen aufhalten können und die Personen Zugang zu Essen, Trinken und Hygienemassnahmen haben.» Das Crack-Problem wird die Stadt vermutlich noch länger beschäftigen. So sagt denn auch Wandeler, dass man mit Kanton und anderen involvierten Akteuren im Austausch bleibe und nach weiteren Lösungen suche.

Ist seit 2020 der städtische Sicherheitsmanager: Christian Wandeler. (Bild: zvg)

Wie es ums Sicherheitsgefühl der Luzernerinnen steht

In den Kommentaren melden sich Leserinnen von zentralplus, die den sichtbaren Drogenkonsum beunruhigen. So schreibt Corinne: «Wenn ich abends am Bahnhof Luzern ankomme, fühle ich mich sehr unwohl.» Sie werde jeweils von zwei bis drei Personen angequatscht und angebettelt. «Diese Menschen brauchen einen Ort, aber nicht den Bahnhof/Busbahnhof der Stadt Luzern. Ich meide es jedenfalls, mich dort abends aufzuhalten. Kein sicherer Ort.»

Gregor berichtet Ähnliches. «Ich habe keine Angst. Aber teilweise empfinde ich die Drogenkonsumenten als unberechenbar und aggressiv. Ich finde es unangenehm, wenn ich angesprochen werde von ihnen.»

Anwohner des Luzerner Geissensteins, wo die Gassechuchi – K+A zuhause ist, begegnen in ihrem Alltag ebenso Drogenabhängigen. Ein paar Schritte weiter westlich von der Gassechuchi – K+A entstanden vor über einem Jahr 66 neue Wohnungen. Mieterinnen zeigten sich besorgt, weil etwa in der Tiefgarage Leute Drogen genommen haben (zentralplus berichtete).

Die Frage nach dem richtigen Mass an Repression

Andere Leser monieren, dass die ergriffenen Massnahmen von Stadt und Kanton zu wenig weit greifen würden. So schreibt Kevin zu den kommunizierten Massnahmen von Stadt und Kanton, dass damit das Problem nicht eingedämmt werde. «Nur, weil man an einem sicheren Ort für ein paar Minuten Drogen zu sich nehmen könne, halte man sich ja nicht den ganzen Rest da auf. Im Gegenteil, wenn man dann davon runterkommt oder voll ‹drauf› ist, sind diese dann in dem entsprechenden Zustand auf dem Spielplatz, an der Bushaltestelle, am Boden vor dem Museum, im Bus etc.»

Ein anderer Leser findet, dass es mehr Repression brauche «und Polizisten, die das Gesetz durchsetzen». Ansonsten, so schreibt ein anderer Leser, gehöre der Drogenkonsum wie die Kapellbrücke bald zum Stadtbild: «Die Dealer werden ja kaum angefasst und Konsumenten gehören bald zum Stadtbild.»

«Zugenommen haben Kontaktaufnahmen von betroffenen Quartiervereinen, die ihre Beobachtungen zu Drogenkonsum in ihren Quartieren mitteilen.»

Christian Wandeler

Auch die Stadt kriegt Rückmeldungen zum Drogenkonsum. «Immer wieder» melden sich Stadtluzernerinnen schriftlich und telefonisch zu Situationen rund um Drogenkonsumenten, erzählt Wandeler. Der zunehmende Crack-Konsum mache den Drogenkonsum sichtbarer. «Das kann einerseits eine Verunsicherung und anderseits Ärger über die Situation auslösen.» Eine Häufung von Meldungen stelle die Stadt jedoch nicht fest. «Zugenommen haben aber Kontaktaufnahmen von betroffenen Quartiervereinen, die ihre Beobachtungen zu Drogenkonsum in ihren Quartieren mitteilen.»

Wo der Drogenkonsum sichtbarer wird und das Unwohlsein in der Bevölkerung wächst, könnte das Miteinander-Reden helfen, Verständnis für das Gegenüber aufzubauen. Schliesslich dürfen auch Menschen am Rande der Gesellschaft ihren Platz in dieser Stadt einnehmen und auch sichtbar sein. «Wo sollen wir denn sonst hin?» – eine Frage, die Betroffene umtreibt (zentralplus berichtete).

Vermehrt auf den Dialog mit Anwohnern – dazu rät auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in einem kürzlich veröffentlichten Bericht zum Thema Crack in den Städten. In der Stadt wurde in diesem Frühjahr ein Austauschgefäss mit Anwohnerinnen und Polizei, SIP und dem Verein kirchliche Gassenarbeit eingeführt. Gemäss Wandeler soll der Austausch nun zwei- bis dreimal im Jahr stattfinden.

Drogen-Hotspot in der Stadt – doch auch auf dem Land wird konsumiert

Drogenkonsumentinnen sind da, wo es Stoff gibt. Hauptumschlagplatz für Drogen ist die Stadt Luzern, gefolgt von den Agglomerationsgemeinden. Doch auch in Sursee, Hochdorf und Willisau hat der Drogenkonsum gemäss einer Vorstossantwort von der Luzerner Regierung zugenommen – insbesondere Crack.

«Von einer offenen Drogenszene kann man in Luzern nicht sprechen. Eine solche wäre nicht mehr auflösbar.»

Christian Wandeler

Abhängige sind auch da, wo es besonders viele Passanten gibt. So können sie durch Betteln Geld eintreiben. Der Bahnhof und die Bushaltestellen oder der Kasernenplatz sind solche Orte in der Stadt Luzern. «Von einer offenen Drogenszene kann man in Luzern aber nicht sprechen. Eine solche wäre nicht mehr auflösbar», hält Christian Wandeler fest.

Polizeipräsenz wirkt abschreckend – führt aber auch bloss zu einer Verlagerung

Damit keine offene Drogenszene entsteht, braucht es gemäss Experten ein Gleichgewicht der vier Säulen.

Wandeler sagt, dass vor allem einsehbare und gut beleuchtete Plätze unattraktiv für Drogenabhängige sind. Eine abschreckende Wirkung könne punktuell die Präsenz der Polizei haben. «Mit Kontrollen der Personen wird verhindert, dass sich offene Drogenszenen bilden.»

Doch das alleine ist nicht die Lösung, das weiss auch die Stadt. Konsumiert wird sowieso. Wird die Szene verjagt, sucht sie sich neue Plätze. «Als Reaktion auf Kontrollen verlagern sich Drogenkonsumierende oft auf andere Plätze, wo sie sich weniger gestört fühlen», sagt Christian Wandeler.

Gerade bei Crack ist das Suchtpotenzial hoch. So intensiv der Flash ist, so intensiv ist auch der Absturz danach, weswegen Konsumentinnen mehrmals täglich Crack rauchen. Crack-Konsumenten sind oft verhaltensauffälliger als etwa Heroin-Konsumenten – weil sie aggressiv und gereizt reagieren können, insbesondere wenn der Flash abflacht.

Verwendete Quellen
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9 Kommentare
  • Profilfoto von Ragnar
    Ragnar, 15.04.2024, 17:25 Uhr

    Vielen Kommentatoren würde ein bisschen mehr Empathie gut tun. Menschen mit Drogenproblemen sind genau so ein Teil unserer Gesellschaft wie jeder von uns und das darf man auch wahrnehmen durch Präsenz. Wer hier von offener Drogenszene spricht hat nicht sehr viel Erfahrungswerte diesbezüglich.

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  • Profilfoto von Simone Dettwiler
    Simone Dettwiler, 14.04.2024, 15:57 Uhr

    Längere Öffnungszeiten in der Gassenküche? Ob das die Lösung ist? Als fast Nachbar der Gassenküche, bin ich nicht begeistert. Dann bleiben die Konsumenten noch Länger im Quartier. Unsere beiden Blöcke werden als Durchgangsstrasse benutzt. Es wird gedealt, konsumiert, eine Schweinerei hinterlassen. Geklaut: Fahrrad (abgeschlossen) Sättel. Wein und leere Dosen von meinem Balkon. Und es ist in den letzten Jahren schlimmer geworden. Wohne jetzt seit 8 Jahren dort.

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  • Profilfoto von Eisengasse
    Eisengasse, 13.04.2024, 13:39 Uhr

    Christian Wanderer (sinnbildl. für Politik) ist ein Träumer. 1h am u. um Luzerner Bhf reicht, um eine offene Drogenszene zu sehen. Die 4-Säulen-Politik scheitert, da Repression (gegen Dealer/Käufer) gleich null ist. Nachschub/Nachfrage ist grösser. Die Notschlafstellen sind vorallem voll, weil Crack-City Leute anzieht, die hier nicht wohnen/gemeldet sind. Theoretisch also das Problem anderer Sozialämter. Wer macht was?

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    • Profilfoto von marsumarsu
      marsumarsu, 14.04.2024, 13:46 Uhr

      Eisengasse sieht die Realitäten so wie sie sind.
      Ob Politiker oder Gutmenschen, die seit Jahren der Meinung sind, die Probleme lassen sich nach ihren Vorstellungen lösen, was ist besser geworden?
      Nichts! Leeres Gerede bei gleichzeitig grossem Lohn.

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    • Profilfoto von Marsumarsu
      Marsumarsu, 14.04.2024, 14:28 Uhr

      @Eisengasse (könnte auch Vögeligärtli, unter der Egg und weiss noch was heissen), scheint mir der Einzige zu sein, der die Situation richtig einzuschätzen weiss.
      Was hat sich in der letzten Jahrzehnten mit den, von der Regierung, Sach- und Sozialarbeiter gestellten Konzepten geändert?
      Nichts, Leere und Belastung der Steuerzahler durch studiertes Mehrpersonal.
      Ich für meinen Teil unterstütze die Süchtigen immer mit 2-5 Franken. Verschlimmbessern kann ich sowieso nichts, als den Tatsachen in die Augen zu blicken

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  • Profilfoto von Wieso
    Wieso, 13.04.2024, 11:04 Uhr

    Wieviele Drogensüchtige, die in der Stadt Luzern negative auffallen, sind im Heroinprogramm? Das wäre interessant zu wissen. Der Drogendealer ist ja die Behörde. Anscheindend ist es nicht mehr die Lösung des Problem Drogenszene.

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  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 12.04.2024, 21:41 Uhr

    Von einer offenen Drogenszene kann man in Luzern aber nicht sprechen. Es wird wieder verharmlost, wenn sich Bürger beschweren, Angst und sich nicht mehr sicher fühlen, wie nennen sie das, Einzelfälle?
    Jetzt ist es noch nicht zu spät, Tränengas, Wasserwerfer, so entstehen keine Rechtsfreie Räume. Je länger man sie machen lässt, um so schlimmer wird es. Schliesslich dürfen auch Menschen am Rande der Gesellschaft ihren Platz in dieser Stadt einnehmen und auch sichtbar sein. Von mir aus, aber das beinhaltet, keine Rechtsfreier Raum und keine Gefahr und Angst für Bürger dieser Stadt.
    Das einzige was hilft, sind strikte Repressionen, alles andere sind unrealistische Gutmensch Träumereien. Wir müssen wieder realistischer werden und von dieser übertriebener Kollektiver Toleranzdiktatur wegkommen, denn das schadet einer Gesellschaft, für was haben wir Gesetze, wenn sie nicht durchgesetzt oder eingehalten werden?

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  • Profilfoto von Bryan Müller
    Bryan Müller, 12.04.2024, 19:48 Uhr

    Ich finde das Problem sehr störend und ich sehe auch wie die Polizei zuschaut wenn gedealt wird! Verstehe hier wirklich nicht wieso da härter durchgegriffen wird.
    Wenn alle Links wählen kriegen wir das Problem leider nicht in den Griff! Daher richtig Wählen und Probleme der Stadt angehen!!’

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    • Profilfoto von Ragnar
      Ragnar, 15.04.2024, 17:30 Uhr

      Repression alleine hat noch nie funktioniert. Daran ändert sich auch nichts wenn sie rechts wählen

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