Von Alkoholverbot und noblen Kurhotels

Prost! Bibliothek Zug beleuchtet historische Gastronomie

Der Landsgemeindeplatz von Zug mit dem Gasthaus Löwen. Das Bild stammt aus einer Zeit vor 1891, denn die Volière ist noch nicht gebaut worden. (Bild: Bibliothek Zug TD_23_00049)

In der Bibliothek Zug ist eine Sammlung von Fotografien ausgestellt, die Besucher in die Zuger Gastronomie der Vergangenheit entführen. Und die auch zeigen, womit Beizer vor 150 Jahren zu kämpfen hatten.

Es sind Einblicke in längst vergangene Tage, welche die Bibliothek Zug ihren Besucherinnen ermöglicht. Sie verfügt über eine umfangreiche Glasplattensammlung mit Fotografien aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem frühen 20. Jahrhundert und stellt einige davon für Besucherinnen aus.

Da wird einem plötzlich wieder bewusst, dass im frühen 20. Jahrhundert eine Tram der Elektrischen Strassenbahn Zug durch Menzingen tuckerte. Oder dass vor 1891 noch keine Volière auf dem Landsgemeindeplatz stand. Vor allem aber eröffnet die Ausstellung den Besuchern einen Blick auf die historische Gastronomie und Hotellerie des Kantons.

Nebst Gasthäusern war Zug einst bekannt für zahlreiche Kurhotels. Darunter etwa das Kurhaus Gottschalkenberg, das Kur- und Grandhotel Schönfels oder das Kurhaus Waldheim – heute sind die meisten dieser beliebten Ausflugsziele verschwunden. Übrig geblieben sind historische Fotografien, die an jene Zeiten des frühen Tourismus und Gastgewerbes erinnern.

Wie stark sich Zug in den letzten 100 Jahren verändert hat, zeigt beispielsweise dieser Slider:

Kurhaus Waldheim: Luxus à la Belle Époque

An der Zugerbergstrasse eröffnete um 1900 das Kur- und Gasthaus Waldheim. Initiiert wurde es vom Zuger Stadtschreiber August Weiss-Hess und es lockte Gäste während der Belle Époque unter anderem mit «elektrischem Licht», «Telephon» und «prächtigen Waldungen» an den Hang des Zugerbergs. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg schloss das Hotel 1919 jedoch seine Türen und wurde später unter anderem als Klinik Liebfrauenhof umgenutzt – die dann 2001 abgerissen wurde.

Das Hotel Waldheim an der Zugerbergstrasse, ab 1924 ein Kinderheim und ab 1936 dann Teil der Privatklinik Liebfrauenhof. (Bild: Bibliothek Zug TD_23_00385)

Hotel Ochsen empfängt Gäste seit 500 Jahren

In seinen Grundzügen steht das Hotel Ochsen in der Stadt Zug bis heute. Die charakteristischen Zinnen, das Ecktürmchen und nicht zuletzt auch der Name selbst. Das Gebäude blickt aber auf eine jahrhundertealte Geschichte zurück. 1544 beim Kolinplatz erbaut, war der «Ochsen» zu Beginn eine Trinkerstube und Herberge für Handwerker und Reisende. Auch als Zunftstube und Ort, an dem Söldner angeworben werden konnten, wurde der «Ochsen» genutzt. 1775 und 1797 soll sogar der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe hier genächtigt haben – ein Inserat von 1903 preist voller Stolz das «historische Göthezimmer» an. Die Gasthaustradition blieb bis in die Neuzeit erhalten.

Das Bild kann übrigens aufgrund der Wandmaldereien am Hotel Ochsen und der hier noch fehlenden Schienen für die Strassenbahn nach Ober- und Unterägeri auf den Zeitraum von 1906 bis 1911 datiert werden.

Das Hotel Ochsen beim Kolinplatz. (Bild: Bibliothek Zug TD_23_02644)

Mit der Strassenbahn zum «Löwen» in Menzingen

Stichwort elektrische Strassenbahn. Diese führte bis nach Menzingen – wo ein weiteres historisches Restaurant bis heute steht: der «Löwen». Das heute unter Denkmalschutz gestellte Gasthaus gilt als eines der ältesten Restaurants im Kanton Zug. Seine Geschichte reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert. Heute wirtet das Ehepaar Tanja und Franco Körperich im Restaurant «Löwen». Für ihre gehobene Küche zeichnete Guide Michelin sie im vergangenen Herbst mit einem Michelin-Stern aus (zentralplus berichtete).

Verschwunden ist jedoch die Strassenbahn. Ihr Betrieb wurde 1953 eingestellt. Heute tuckern Busse der ZVB nach Menzingen – und darüber hinaus.

Damals noch mit Strassenbahn: Der Dorfplatz von Menzingen, wie er zwischen 1913 und 1923 ausgesehen hat. (Bild: Bibliothek Zug TD_23_00079)

Die Conditorei-Café Anderhalden und der liebe Alkohol

Touristisch ideal bei der Talstation Schönegg der Zugerbergbahn gelegen, eröffnete 1910 der Zuger Konditor Anton Landtwing die Conditerei-Café Anderhalden zur grossen Freude der Zuger Regierung. Grund dafür: Landtwing führte den Betrieb alkoholfrei.

Der Alkoholkonsum um die Jahrhundertwende war nämlich beträchtlich, mit rund 17 Litern pro Kopf und Jahr fast doppelt so hoch wie heute, wie die Eidgenössische Alkoholverwaltung in einer Statistik festhält. Dank neuen Technologien konnten Bauern billigen Schnaps herstellen, der zum Allzweckmittel gegen Sorgen, Stress und zur Beruhigung schreiender Kinder eingesetzt wurde. Mit entsprechenden Folgen für Ehen, Ersparnisse und Gesundheit, wie die Historikerin Nadia Pettannice in der «Zuger Zeitung» schrieb.

Die «Schnapspest» sollte aufgehalten werden – und Gasthäuser galten als besonders unsittliche Orte. Der Kanton Zug verschärfte darum 1882 das Wirtschaftsgesetz, beschränkte die Anzahl Gasthäuser und verweigerte Bewilligungen, wenn sie in der Nähe von Schulen oder Kirchen gebaut werden sollten. Ebenfalls wurden in Restaurants «schwarze Listen» geführt. Aufgelistete Personen bekamen Hausverbot in sämtlichen Wirtschaften.

Da kam der Zuger Regierung ein alkoholfreies Lokal wie jenes von Anton Landtwing gerade Recht. Wie die «Zuger Zeitung» schreibt, lobte der Zuger Regierungsrat damals das Vorhaben als «wirksame Waffe» zur Bekämpfung des Alkoholismus. Die Freude war jedoch von kurzer Dauer. Wie sich zeigte, konnte Landtwing trotz Kaffee und Kuchen nicht genügend Gäste in sein Lokal holen und beantragte ein knappes Jahr nach der Eröffnung eine Bewilligung zum Ausschank von Alkohol. Die Regierung gab zähneknirschend nach.

Erst eine Konditorei mit Café, später das Restaurant Weber und 2019 zum Abriss freigegeben: das «Chalet Anderhalden». (Bild: Bibliothek Zug TD_23_00645)

Das höchste Gasthaus im Kanton Zug

Für die wohl schönste Aussicht mussten Touristen und Bergwanderinnen damals ganz schön in die Höhe. Genauer gesagt auf den Wildspitz, im Grenzgebiet zwischen den Kantonen Zug und Schwyz. Hier, auf einer Höhe von 1571 Meter über Meer, kehrte man schon 1855 ein, zu jener Zeit jedoch erst in eine Berghütte unterhalb des Gipfels. 1888 öffnete das ausgebaute Hotel Rossberg-Kulm seine Türen und befeuerte den Wanderboom, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts an Popularität gewann. Das Gipfelhotel hielt sich lange, brannte im Jahr 2000 jedoch bis auf die Grundmauern nieder. 2002 wurde unter dem Namen Berggasthof Wildspitz ein neues Hotel an derselben Stelle eröffnet.

Eine Wandergruppe vor dem Gasthaus Rossberg-Kulm, heute Berggasthaus Wildspitz. (Bild: Weber-Strebel, Joseph Maria / Bibliothek Zug TD_23_01833)

Detektivarbeit ist gefragt

So beeindruckend die auf Glasplatten festgehaltenen Fotografien sind, so aufwendig ist die Arbeit, die hinter der Digitalisierung steckt. Im Laufe der vergangenen 35 Jahre haben zahlreiche Fotografinnen und Privatpersonen ihre Glasplatten bei der Bibliothek Zug abgegeben. So hat sich bis dato ein Bestand von über 3500 Fotografien angesammelt. Rund 2300 davon zeigen ein längst vergangenes Zug, andere bilden Personen, Landschaften und Häuser aus der restlichen Schweiz ab. Dieser musste in der Vergangenheit aufwändig gesichtet, sortiert und katalogisiert werden.

Die Erschliessung der Bilder kommt einer Detektivarbeit von Arthur Conan Doyle'schen Ausmassen gleich. Wann, wo und von wem die Bilder aufgenommen wurden, ist nicht immer leicht zu eruieren. «Wir achten bei jedem einzelnen Bild auf bestimmte Details», erklärt der Projektverantwortliche Roger Sträuli gegenüber zentralplus. Diese reichen von Fahrzeugen bis zu Kleidungsstücken, Strassenbelag, Wandbildern und Bergspitzen. Selbst alte Werbeplakate in den Bildern liefern Hinweise auf den Zeitpunkt, an dem ein bestimmtes Foto aufgenommen wurde.

Glasplatten sind eine Langzeitbeschäftigung

Sträuli zur Hand gehen bei dieser Arbeit drei historisch versierte Senioren, die den Kanton in- und auswändig kennen. Einer sei ein Eisenbahnexperte und wisse über Streckennetze und alte Bahnanlagen sehr gut Bescheid. Ein weiterer lebe seit 70 Jahren in Zug und kenne gefühlt jedes Gebäude, erklärt Sträuli. «Solche persönliche Expertisen sind von unschätzbarem Wert.» Einmal pro Monat treffen sie sich in der Bibliothek Zug, um sich auszutauschen.

Die Glasplatten – manche sind nur 2 mal 4 Zentimeter klein, andere 19 mal 12 Zentimeter – sind alle im Kulturgüterschutzraum des Hauses unter speziellen Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen verstaut, damit sie möglichst gut geschützt sind und lange erhalten bleiben. Rund 150 Glasplatten waren leider schon vor Beginn des Projektes beschädigt, sie mussten aussortiert werden und sind wohl für immer verloren. Für die Digitalisierung der Glasbilder werden diese mit einer modifizierten Fotokamera aufgenommen und digital abgelegt – eine Heidenarbeit. Sträuli arbeitet schon über ein Jahr daran und wird noch eine ganze Weile damit beschäftigt sein.

Die Glasplattenausstellung in der Bibliothek Zug, die einige historische Restaurants und Hotels in den Fokus rückt, läuft noch bis zum 30. September. Interessierte Personen können die komplette Sammlung der bereits digitalisierten Fotografien bei Zentralgut direkt anschauen. Interessierte haben zudem die Möglichkeit, online bei der Erschliessung mitzuwirken.

Verwendete Quellen
  • Besuch der Ausstellung in der Bibliothek Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Jasmin Leuze, Nadia Christen, Maria Nätscher
  • Persönliches Gespräch mit Roger Sträuli, Projektverantwortlicher Glasplattensammlung
  • Glasplattensammlung von Zentralgut
  • Statistik Alkoholkonsum von 2012
  • Artikel in der «Zuger Zeitung»
  • Informationen über die Zuger Strassenbahn auf «Eingestellte Bahnen»
  • Website Berggasthof Wildspitz
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