eat’n drink
Blog
Restaurant-Test

«Aigu» Zug: In diesem Lokal wird es wuchtig und intensiv

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • Preiskategorie●●●●●●
  • Küche Französisch
  • Ambiente Modern
Seit Herbst bietet das Parkhotel Zug im Restaurant Aigu südfranzösische Küche an. (Bild: hch)

Seit einigen Monaten wird im Zuger Restaurant «Aigu» südfranzösisch getafelt. Wir haben das neue Lokal getestet und waren nach einem Blick auf die Karte ziemlich begeistert. Ob Schmorgerichte, die Bouillabaise aus einheimischen Fischen und das Tatar unsere hohen Erwartungen erfüllten?

Es zeugt von Mut, in der Stadt Zug etwas anderes als ein italienisches Restaurant zu eröffnen. Denn Pizza und Pasta rangieren in der Beliebtheitsskala der Beizer deutlich vor Rösti und Sushi, hat unser Gastro-Redaktor Chris Bucher kürzlich vorgerechnet (zentralplus berichtete). Und noch viel seltener sind die Klassiker aus unserem westlichen Nachbarland erhältlich. Gerade einmal vier der rund 100 Lokale servieren Bouillabaisse & Co.

Letzten Oktober nun ist dieses illustre Grüppchen um das «Aigu» (ausgesprochen Egü) gewachsen. Das Parkhotel Zug möchte mit seinem neukonzeptionierten Restaurant einen südfranzösischen Akzent setzen (zentralplus berichtete).

Antrazitfarbene Eleganz statt Marmor-Chic

Um die Wartezeit für den nächsten Ausflug an die Côte d’Azur zumindest kulinarisch zu verkürzen, haben wir uns am einem nasskalten Januarabend zu einem Testbesuch eingefunden. Nach einem kurzen Kampf mit der Eingangstüre (Fachkräftemangel, man kennt es) finden wir uns im topmodernen Lokal wieder. Der Eingangsbereich des Parkhotels riecht nicht nur ganz neu, dezent etwas nach Farbe und Möbelhaus, sondern ist auch optisch kaum mehr wiederzuerkennen. Der frühere Marmor-Chic ist dezentem Anthrazit und gedeckten Farbtönen gewichen, ganz unterschiedliche Sitzkonzepte sorgen auch visuell für Abwechslung.

Ausgesuchte Karte mit Pflicht und Kür

Wir werden zu einem der klassischen Tische am Fenster geführt, die aufwändig gestaltete Karte erinnert entfernt an eine Zeitung. Abwechslungsreich ist nicht nur die Aufmachung, sondern auch der Inhalt. Während ich häufig ganz glücklich bin, wenn mir zwei Gerichte auf einer Karte ins Auge stechen, finden sich hier von einem nicht alltäglichen Pot au feu (mit Lammrücken, Rinds-Siedfleisch und Eierschwämmli) über Mistkratzerli, Kalbs-Kotelett oder Coq au Vin gleich mehrere Favoriten.

Ich entscheide mich jedoch für etwas ganz anderes: einen Klassiker aus der Fischküche, kombiniert mit dem absoluten Carnivoren-Pflichtgericht eines jeden Frankreich-Besuchs zur Einstimmung: Tatar. Die Vorspeise wird auf einem warmen Markbeinknochen serviert, zusammen mit geröstetem marinierten Fenchel an einer Feigen-Roquefortcrème. Am Tisch angekommen, beeindruckt der kunstfertige Aufbau, der der Küche einiges an Übung abverlangt haben dürfte.

Ein Tatar kommt selten alleine

Doch sollte eine Person, die weder Schimmel- noch Schafskäse mag, ein Gericht mit Roquefortsauce bestellen? Nein, definitiv nicht. Und besser auf den Kellner hören, der darauf hinweist, dass es das Tatar auch als kleine Vorspeisenportion gibt, ganz ohne Knochen. So aber galt es auszubaden, was man sich selbst eingebrockt hat. Denn das Gerichte schmeckte so, wie es sollte. Der Fenchel, sonst bekanntlich auch kein Freund für allzu zartbesaitete Geschmacksknospen, blieb gegen die intensive Käsesauce chancenlos. Und das feine, dezent gewürzte Tatar erst recht.

Unbeachtet blieb dafür der mitgelieferte Toast, denn auf dem Tisch fand sich schon vorher ein Brotkorb mit klassischem Baguette und einem Oliven-Tomatenbrot ein. Serviert wurde dieses mit Kräutersalz aus der Provence, Olivenöl und einen grosszügigen Stück Kräuterbuter – tolle, abwechslungsreiche Genüsse. Ebenfalls nicht auf der Karte war sich der grüne Salat mit Croutons und Kernen, den sich meine Begleitung zum Einstieg mit durchaus wohlwollender Mimik zu Gemüte führte.

Einheimische Fische statt Languste

Bei der letzten Bestellung einer Bouillabaise in Marseille wurde ich gebeten, im Becken eine lebende Languste auszuwählen – seither habe ich dieses Gericht tunlichst vermieden. Anders im «Aigu», wo die Bouillabaise aus Schweizer Lachs, Gotthard Zander, Saibling und Forelle vom Sattel zubereitet wird. Mit dem regionalem Fisch wird eher eine Suppe als ein Eintopf zubereitet, dazu wird ein Brioche serviert. Die Bouillabaise unterstreicht den vorherigen Eindruck der Küche, man mag es hier intensiv, aromatisch und vielschichtig.

Mit viel Kraft kommt auch das Gericht meines Gegenübers auf den Tisch, ein Bœuf Bourguignon. Zubereitet wird es aus falschem Filet mit Champignons und Perlzwiebeln, eingekocht in einer kräftigen Rotweinsauce. Passend dazu serviert man eine Gruyère-Bramata, die den anderen Gerichten in Sachen Wucht und Konzentration nicht nachsteht. Schmorgerichte wie dieses braucht es definitiv mehr auf den Karten der heimischen Restaurants.

Bescheidenheit zum Abschluss

Über Aufmerksamkeit des Personals konnten wir uns an diesem Abend alles andere als beklagen, auch das Dessert kam flugs an den Tisch. Für die «Grossen» wie Käseteller oder Tarte Tatin blieb nach Vorspeise und Hauptgang kein Platz. Und weil man das im Service wohl nur zu oft hört, hält im Aigu mit den Petit Desserts eine schlaue Option bereit: Eine kleine Auswahl von süssen Genüssen für sechs Franken, die am Tisch vorgestellt werden. Die Kuchen mit Mandeln war jedenfalls genau die richtige Beilage zum Kaffee.

Bewertung

Preis-Leistung
Die Karte ist nicht allzu gross und weist viele aufwändige Gerichte auf, was sich in den Preisen niederschlägt. Das Vorspeisen-Tatar kostete 29 Franken, der grüne Salat war für 10.50 Franken zu haben. Beide Hauptgänge standen für 44 Franken auf der Rechnung, für die Karaffe Leitungswasser wurden 2.50 Franken verrechnet. Die Portionen entsprachen dem französischen Prinzip des Dreigängers, andernfalls wären sie eher etwas knapp bemessen.

Viel Freude hatten wir am Mon Plaisir aus der Provence (Château des Ferrages). Ein im Ankauf günstiger Bio-Wein, der ausreichend Kraft aufweist, um die kräftigen Hauptgänge zu begleiten. Mittags werden im Aigu drei Menüs von 19 bis 25 Franken serviert. Das Restaurant bietet ab früh morgens durchgehend warme Küche.
**** von *****

Ambiente
Trotz seiner Grösse und den verschiedenen Ansprüchen fühlt man sich im Hotel-Restaurant wohl. Die unterschiedlichen Sitzmöbel und verschiedenen Gedecke mit und ohne Tischtuch sorgen für viel Abwechslung, Raumtrenner und ein kreatives Lichtkonzept schaffen im modernen Lokal die nötige Privatsphäre. Weine sind in der beleuchteten Vitrine ausgestellt. Die Tischdekoration ist passend nüchtern gehalten.
**** von *****

Service
Der gewünschte Teller zum in der Gusseisenpfanne servierten Bœuf Bourguignon kam schnell, die Speisen wurden in einer guten Abfolge serviert. Für diesen Abend war soviel Personal vorhanden, dass wir dem halben Dutzend Fragen, ob alles recht sei, zu zählen aufgehört haben. Die Wasserkaraffe wurde ungefragt aufgefüllt, wenn das Personal eine Frage nicht beantworten konnte, wusste man sich zu helfen. Vorbildlich auch, dass sich der Keller persönlich bei seinen Gästen in die Ferien verabschiedete.
**** von *****

Online-Faktor
Die Seite ist neu gemacht und bietet vielfältigste Informationen zu Anlässen, Packages und den verschiedenen gastronomischen Angeboten. Bei unserer Online-Reservation waren nicht alle Zeiten verfügbar. In solchen Situationen könne ein Anruf helfen, wurde uns auf Rückfrage beschieden. Standards wie Speise- und Getränkekarten sowie Newsletzter und Reservationsmöglichkeiten sind ebenfalls vorhanden.
**** von *****

Die Rechnung gibt es auch im Aigu Zug zuletzt.
Die Rechnung gibt es auch im Aigu Zug zuletzt. (Bild: hch)

Aigu

Adresse:
Industriestrasse 14
6302 Zug

Telefon:
041 727 47 47

E-Mailadresse:
[email protected]

Öffnungszeiten:
Täglich ab 7 Uhr geöffnet
Karte
eat’n drink
Blog
So isst zentralplus – Vom Gourmet bis zum Fast-Food – der eat’n drink-Blog befasst sich mit alltäglichen und besonderen gastronomischen Erlebnissen aus den Kantonen Zug und Luzern.
Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon