Ist denn schon Weihnachten?

120’000-Franken-Geschenk der Stadt Kriens sorgt für Empörung

Der Krienser Stadtrat und Finanzvorsteher Roger Erni muss sich dieser Tage mit kritischen Stimmen aus der Bevölkerung auseinandersetzen. (Bild: Stadt Kriens/Adobe Stock)

Die Regierung der Stadt Kriens zeigt sich grosszügig und möchte allen Mitarbeitern 400 Franken schenken. Die Idee spaltet die Bevölkerung – und die Politik.

«Gehts noch?», empört sich ein zentralplus-Leser in den Kommentarspalten dieses Artikels. «Ab ins Kässeli mit den 120’000!», fordert er. Eine zentralplus-Leserin fragt sich, wieso die Stadt Kriens nicht zuerst die Schulden von fast 200 Millionen Franken abbaut. Noch hitziger wird in der Facebook-Gruppe «Du besch vo Kriens, wenn...» debattiert. Die Mitarbeiterinnen der Stadt Kriens hätten den Schuldenberg mitverursacht und kassierten nun Boni in Form von Gutscheinen, obschon sie ohnehin schon mehr als genug verdienten und dabei nicht einmal fleissig seien.

Das geplante 120’000-Franken-Geschenk des Krienser Stadtrats polarisiert. Denn nebst harscher Kritik erhält die Aktion von einigen Krienserinnen auch Zuspruch. Sie gönnen den Mitarbeitern die 400 Franken und loben deren ihrer Meinung nach beherzten Einsatz – insbesondere auch in Zeiten des Personalmangels. Ein bei der Stadt Kriens angestellter Hauswart sieht sich gezwungen zu betonen, dass er sehr wohl viel arbeiten müsse.

Das steckt hinter dem Geschenk

Im letzten Jahr hat die Stadt Kriens erstmals seit 2007 einen Überschuss erwirtschaftet. 1,1 Millionen Franken betrug dieser (zentralplus berichtete). Im laufenden Jahr soll der Betrag gemäss Hochrechnungen der Stadt Kriens gar im zweistelligen Millionenbereich liegen (zentralplus berichtete). Grund genug für den Krienser Stadtrat, die Mitarbeiter zu beschenken. 300 Gutscheine des Krienser Gewerbeverbands à 400 Franken sollen sie als «Zeichen der Wertschätzung» erhalten. Wegen ebendieses satten Überschusses. Und weil die Löhne jahrelang nicht der Teuerung angepasst worden seien.

«Die FDP bedauert, dass die geplante Bonusauszahlung als grosszügige Giesskanne angewendet wird.»

Matthias Erni, Vize-Fraktionschef der FDP Kriens

Dabei dürfte der Einwohnerrat – ein Referendum des Volks vorbehalten – das letzte Wort haben. Am 2. November trifft sich dieser und wird die Aktion durchwinken – oder aber versenken. Eine Prognose wagt Matthias Erni, Vize-Fraktionschef der Krienser FDP, nicht abzugeben. Immerhin suggeriert er damit, dass das Ganze sicherlich kein Selbstläufer wird. Er zeigt sich – so gehört es sich als Volksvertreter – verständnisvoll gegenüber den kritischen Stimmen in den Kommentarspalten von zentralplus.

FDP ist kein Fan des Giesskannenprinzips

«Dennoch ist es wichtig, die Situation in ihrer Gesamtheit zu betrachten», fährt Erni fort. «Die FDP bedauert, dass die geplante Bonusauszahlung als grosszügige Giesskanne angewendet wird.» Vielmehr stehe die Partei für Anerkennungen herausragender Leistungen, insbesondere von langjährigen Mitarbeitern, ein. Zudem sei es wichtig zu betonen, dass in erster Linie die Krienser Unternehmen den Überschuss ermöglicht hätten. Immerhin flösse das Geld zu diesen zurück – weil die Stadt Kriens kein Bargeld, sondern eben Gutscheine des Gewerbeverbands verteilen wolle.

«Jeder kann jede Entscheidung eines Exekutiv-Gremiums kommentieren.»

Roger Erni, Stadtrat und Finanzvorsteher der Stadt Kriens

Doch erst solle die Stadt Kriens den massiven Schuldenberg abbauen, bevor Geschenke an die Verwaltung verteilt würden, ist sich Erni mit der eingangs zitierten zentralplus-Leserin einig. Auch, weil die Verwaltungslöhne dieses Jahr bereits um «moderate» 1,5 Prozent angehoben worden seien.

Der andere Erni verteidigt die Idee des Stadtrats

Weder verwandt noch verschwägert mit Matthias Erni ist ein anderer Krienser FDPler: Roger Erni. Der Stadtrat und Finanzvorsteher der Stadt Kriens nimmt gegenüber zentralplus Stellung zum 120’000-Franken-Geschenk. Die Idee dazu sei nicht etwa von der direkt davon profitierenden Verwaltung selbst gekommen – sondern einer Retraite des Stadtrats vom Mai 2023 entsprungen, als sich der Millionenüberschuss bereits abzeichnete.

Dass die Idee nun auf Kritik stösst, scheint Roger Erni nicht weiter zu stören. «Das markiert aus meiner Sicht das Schöne an der direkten Demokratie – jeder kann jede Entscheidung eines Exekutiv-Gremiums kommentieren.» Auch aus ihm spricht der Volksvertreter.

Mitarbeiter schätzen das «Zeichen der Wertschätzung»

Wenig überraschend freuen sich die Mitarbeiterinnen der Stadt Kriens über das «Zeichen der Wertschätzung» ihrer Arbeitgeberin. Erste Rückmeldungen hätten gezeigt, dass auch die Kopplung des Gutscheins ans lokale Gewerbe positiv aufgenommen werde. In ein Velo eines Krienser Veloladens oder einen Weihnachtsbraten einer Krienser Metzgerei würden die Beschenkten den Gutschein investieren wollen, soll Erni gehört haben.

Doch die 400 Franken seien, so Erni, eher zu tief angesetzt, um als Teuerungsausgleich zu taugen. Vielmehr dürfte der Betrag zwischen 0,8 bis 1,0 Prozent des Jahreslohns ausmachen. Kombiniert mit der von der FDP erwähnten Lohnerhöhung von 1,5 Prozent entspräche dies einem Total von 2,5 Prozent – während die Teuerung alleine im Jahr 2022 rund 2,8 Prozent betrug.

Anbiederung nicht nötig

Das Geschenk an die Mitarbeiter der Stadt Kriens möchte Roger Erni auch nicht als Massnahme zur Erhöhung deren Zufriedenheit verstanden wissen. Diese sei bereits hoch, stellt er klar und verweist auf die Auszeichnung durch Bundesrat Berset als familienfreundlichste Verwaltung der Schweiz (zentralplus berichtete).

Beat Schwander, Personalleiter der Stadt Kriens, Stadtpräsidentin Christine Kaufmann-Wolf und Bundespräsident Alain Berset (von links) an der Verleihung des «Family Score Award 2023» in Bern. (Bild: zvg)

Doch noch im Frühjahr 2022 hatte die Stadt Kriens ein Personalproblem (zentralplus berichtete), ein Jahr später forderte die Junge Mitte ein Konzept, um die überlasteten Mitarbeiter besser vor langen, krankheitsbedingten Ausfällen zu schützen (zentralplus berichtete). Und zuletzt warb die Stadt Kriens mit einem Video um neue Angestellte (zentralplus berichtete). Zu weiteren Fragen zum Personal möchte Roger Erni jedoch keine Auskunft geben – und verweist auf die zuständige Stadtpräsidentin Christine Kaufmann-Wolf.

«Sollte der Stadtrat gute Antworten geben können, ist es schon möglich, dass die Mitarbeitenden den Check erhalten werden.»

Bruno Bienz, Co-Präsident der Grünen Kriens

Nur eines scheint ihm wichtig zu betonen: Ihren Schuldenberg von rund 200 Millionen Franken habe die Stadt Kriens nicht den Mitarbeitern zu verdanken – sondern dem riesigen Zentrumsprojekt, das die Stadt Kriens auf «ein neues Level» gehievt habe. Gleichzeitig habe die Stadt innert drei Jahren, also seit der neue Stadtrat amtet, 30 Millionen Franken an Schulden abbauen können. Weitere 10 Millionen Franken sollen 2024 zurückbezahlt werden.

Unterstützung aus dem linken Lager

In den vergangenen «Sparjahren» sei die Stadt Kriens denn auch «sehr knausrig» gewesen, sagt Bruno Bienz, Co-Präsident der Krienser Grünen. So etwa im Rahmen der «Sparübung» bei der schulergänzenden Kinderbetreuung, auf welche die SP mit einer Initiative reagierte (zentralplus berichtete). «Sollte die Stadt nun solche Fehlentscheide dank besserer Finanzlage wieder ins Lot bringen wollen, dann ist das noch keine Geldverschwendung», findet Bienz. Würde aber lediglich das Personal profitieren, sähe das nach «Beliebtmacherei» aus. Auch die Bevölkerung habe unter dem Spardiktat gelitten. Gleichzeitig dürften die Gutscheine nicht als Ersatz für die Lohnanpassungen der Angestellten an die Teuerung 2023 dienen.

Im Hinblick auf die Thematisierung des 120’000-Franken-Geschenks im Einwohnerrat hoffe er, dass sich dieser die Pläne der Stadtregierung im Gesamten vorlegen lasse. Nebst der Teuerung seien auch Massnahmen zur Entlastung der Familien am untersten Rand der Gesellschaft oder die Rücknahme übertriebener Sparhammer zu berücksichtigen. «Sollte der Stadtrat gute Antworten geben können, ist es schon möglich, dass die Mitarbeitenden den Check erhalten werden», schliesst Bienz.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Roger Erni, Stadtrat und Finanzvorsteher der Stadt Kriens
  • Schriftlicher Austausch mit Matthias Erni, Vize-Fraktionschef der FDP Kriens
  • Schriftlicher Austausch mit Bruno Bienz, Co-Präsident der Grünen Kriens
  • Medienmitteilung des Bundes zur Teuerung 2022
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