Temporärer Bau beim Röhrliberg

Mögliches Asylzentrum erhitzt Chamer Gemüter

Hier beim Chamer Röhrliberg könnte ein Asylzentrum für Ukrainer entstehen. (Bild: wia)

In der Nähe des Schulhauses Röhrliberg in Cham soll eine Unterkunft für rund 400 ukrainische Geflüchtete entstehen. Kaum stehen die Bauprofile, regt sich grosser Widerstand. Viele bangen um ihren Freiraum. Insbesondere der grösstenteils abwesende Gemeinderat steht in der Kritik.

Ein Tschutti-Rasen wie jeder andere. In der gewitterigen Abendstimmung trainieren Jungs in neongelben Fussballstulpen ihre Dribbelkünste. Die Bauprofile, die neben den Flutlichtern montiert sind, fallen kaum auf. Könnte man jedenfalls meinen.

Die Baudirektion des Kantons Zug plant hier eine mögliche provisorische Unterkunft für Asylsuchende aus der Ukraine. Beim Röhrliberg-Schulhaus in Cham oder in der Äusseren Lorzenallmend in Zug sollen dereinst 410 Frauen, Kinder und Männer während maximal fünf Jahren untergebracht werden. Für beide grössenmässig vergleichbaren Grundstücke hat der Kanton ein Baugesuch aufgelegt.

Anwohner von Gemeinderat überrumpelt

Das Bauvorhaben, das in Cham seit knapp einer Woche baulich angedeutet und entsprechend ausgeschrieben ist, behagt einigen Chamerinnen überhaupt nicht. Darunter auch Hans-Jörg Villiger, begeisterter Sportler, Anwohner und Vorstandsmitglied der hiesigen SVP. Auf seine Initiative hin lud die SVP Cham Interessierte zu einem Infoaustausch vor Ort ein.

«Was ging in diesen Köpfen vor?»

Hans-Jörg Villiger, SVP Cham

Während die Jungspunde zwischen den Bauprofilen an ihren Pässen feilen, versammeln sich Dutzende Chamer am Rand der Wiese. Mit ganz verschiedenen Sorgen: Da sind Anwohnerinnen, die sich von der kargen Kommunikation des Gemeinderats vor den Kopf gestossen fühlen. Daneben Freizeitsportler, die um ihre Wiese und ihren Freiraum fürchten. Und zuletzt Eltern, die lieber einen Fussballrasen als ein Asylzentrum neben der Schule sähen.

Viel Unverständnis und viele Fragen bei Chamern

Überrascht wurden die Anwesenden dann aber von Urs Kamber. Der Leiter des kantonlen Hochbauamts nahm spontan am Infoanlass teil. Auch entschied sich der Chamer Bauvorsteher Rolf Ineichen kurzfristig, vor Ort zu sein. Und die Anwesenden verschonten ihn nicht mit Kritik. Im Gegenteil: Viele waren empört, dass nicht der Gesamtgemeinderat anwesend war.

Doch wo genau drückt der Schuh? Hans-Jörg Villiger, der in den kurzen Turnhosen vor die Anwesenden tritt, sagt dazu: «Wir wurden überrumpelt. Weder die Vereine noch die Anwohner erhielten eine Information über den geplanten Bau.»

«Es war klar, dass wir keine grosse Freude auslösen in der Bevölkerung.»

Rolf Ineichen, Chamer Bauchef

Man habe viele Fragen, erklärte er. Zur Verkehrssituation. Dann auch dazu, weshalb der Kanton bereits einen grossen Modulbau gekauft habe, ohne einen definierten Standort dafür zu haben. Und auch dazu, ob man in der Zone OeIB (Zone des öffentlichen Interesses) eine Asylunterkunft bauen dürfe. «Für mich ist das schwierig nachzuvollziehen. Was ging in diesen Köpfen vor?», erklärte Villiger.

Hans-Jörg Villiger hat den Anlass für Interessierte organisiert. Sie kamen zahlreich. (Bild: wia)

Beliebte Wohncontainer fürs Asylzentrum: Zug schlug zu

Hochbauamtschef Kamber versuchte den baulichen Aspekt zu veranschaulichen: «Wir haben ziemlich schnell, bereits im April gemerkt, dass es sich um eine Krisensituation handelt. Es reicht nicht, wenn wir die Geflüchteten privat und in den bestehenden Provisorien unterbringen.» Deshalb habe man beschlossen, Modulbauten zu kaufen. «Denn der Kanton muss immerhin 1,5 Prozent der Asylbewerber aufnehmen. Weil alle 26 Kantone dasselbe Problem haben und auch Interesse an diesen Wohncontainern zeigten, haben wir schnell gehandelt.»

Der Chamer Bauchef Rolf Ineichen fügte an: «Im Prinzip haben wir in Cham nicht die Möglichkeit, Land zur Verfügung zu stellen. Aber wir möchten dem Kanton entgegenkommen.» Dies habe man getan, indem man dem Kanton erlaubt habe, ein Baugesuch einzureichen. «Dies auch aus Gründen der Solidarität. Wir wissen nicht, wie lange der Krieg noch dauert und wie viele Menschen noch kommen werden.»

Doch Ineichen betonte, man habe noch keinen Dienstbarkeitsvertrag mit dem Kanton aufgesetzt. «Es war klar, dass wir keine grosse Freude auslösen in der Bevölkerung. Doch es ist richtig, dem Kanton in einem ersten Schritt Hand zu bieten. Irgendwo müssen die Flüchtlinge hin.»

«Wir wissen, was diese Leute durchmachen. Aber hier geht es um Wiesen. Um den Platz, wo wir noch sein können.»

Chamerin beim Anlass

Die Anwesenden schienen sich dabei einig zu sein. Die Geflüchteten müssen irgendwo hin, das sei schon klar. Aber bitte nicht hierher.

Warum nicht auf dem Gelände des Multimillionärs?

Die Worte der Verantwortlichen schienen kaum jemanden zu beschwichtigen. Ein älterer Chamer nahm kein Blatt vor den Mund. Voller Wut warf er ein: «Was ist mit der Bevölkerung? Immer wieder werden wir bei Projekten über den Tisch gezogen. Jetzt ist Zeit, uns mal richtig zu wehren. Und wenn wir eine Demonstration durchs Dorf machen müssen.»

Viel lieber solle man «den Papieri-Multimillionär» anfragen, ob er sein Land zur Verfügung stellen möge, spottete der Mann und erntete dafür grossen Beifall.

«Irgendwann haben wir den Krieg hier.»

Chamer Einwohner

Eine Frau sprach letztlich die aktuelle Lage an: «Wir wissen, was diese Leute durchmachen. Aber hier geht es um Wiesen. Um den Platz, wo wir noch sein können.» Viele fürchteten sich davor, dass aus dem «Provisorium ein Fixum wird. Das war bisher immer so», murmelte ein Anwesender leise. Wieso man nicht bei der Schluecht baue, fragte ein anderer lauter.

In der geplanten Kollektivunterkunft ist Platz für 410 Geflüchtete. (Bild: wia)

Die Verzögerungstaktik im Ärmel

Wie gross der Widerstand gegen das Projekt letztlich wird, ist unschwer vorherzusagen. Die SVP brachte ausgedruckte Petitionsbögen zum Infoanlass mit, die regen Zuspruch fanden. Jemand schlug scharfzüngig vor: «Wir legen einfach Einspruch ein und ziehen das bis zum Bundesgericht durch. Dann sind auch schon drei Jahre vergangen.»

In der Stimme des Mannes war der Stolz deutlich zu hören. Denn mit dieser Strategie kennt sich die SVP aus. Das einst geplante Asylzentrum in der Obermühle in Baar wurde nicht zuletzt aus diesem Grund nicht gebaut (zentralplus berichtete).

Ist das nun der Moment, fragt man sich, in dem die grosse Solidarität der Anfangszeiten langsam zu bröckeln beginnt und der Angst Platz macht? Dass es hier um mehr ging als um die 6000 Quadratmeter Fussballrasen, war unschwer zu erkennen. «Irgendwann haben wir den Krieg hier», knurrte ein älterer Chamer, während er sich aufmachte zum Unterschriftenbogen.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Urs Zaugg
    Urs Zaugg, 14.06.2022, 06:22 Uhr

    Millionen von Franken wurden fur Zivilschutz Unterkunfte verbaut.
    Warum werden die Fluchtlinge nicht in den Zivilschutz Anlagen unter gebracht??

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  • Profilfoto von Russenlover_Beter_lic.phil.
    Russenlover_Beter_lic.phil., 08.06.2022, 16:31 Uhr

    manchmal schäme ich mich für die mangelnde Solidarität, welche die Bünzlis an den Tag legen….echt schade

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  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 08.06.2022, 09:20 Uhr

    Ideale Standorte für Asylzentren ist zum Beispiel das Wesemlin in Luzern.

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    • Profilfoto von Rene Gruber
      Rene Gruber, 08.06.2022, 10:41 Uhr

      Ein Standort in Luzern soll ideal sein für die Unterbringung von Flüchtlingen welche in Zug untergebracht werden müssen? Die Logik müssen sie mir nun aber erklären.

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  • Profilfoto von Trömpeterli
    Trömpeterli, 08.06.2022, 06:29 Uhr

    Lieber dort als in meinem Garten.

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