Die neue Tourismus-Chefin im Gespräch

Renya Heinrich: «Wir müssen am Image von Zug arbeiten»

Renya Heinrich kam in wilden Zeiten zu Zug Tourismus. (Bild: wia)

Renya Heinrich hat eine anspruchsvolle Aufgabe. Die neue Geschäftsführerin von Zug Tourismus hat ihren Job mitten in der Coronakrise angetreten – und innerhalb ihrer Organisation gab es in jüngster Zeit einige Turbulenzen. Ihre erste Erkenntnis nach drei Monaten: Zug braucht eine neue Tourismusstrategie.

Renya Heinrich ist seit Anfang August die neue Geschäftsführerin von Zug Tourismus. In einer Zeit, in der kein einziger Bus mit Asiaten bei der Katastrophenbucht parkiert, kein spanischer Tourist auf der Durchreise einen Blick über die Zuger Seepromenade erhascht und kein internationaler Businessmann für eine Sitzung anreist. Wir treffen die Zugerin drei Monate nach Stellenantritt an einem sommerlich warmen Novembertag vor dem Café Speck in Zug auf einen Cappuccino.

zentralplus: Frau Heinrich, Sie haben sich einer ganz schönen Herausforderung angenommen.

Renya Heinrich: Sie lächelt. Bereits Anfang Jahr hatte sich abgezeichnet, dass Corona auch vor der Schweiz nicht Halt machen würde. Ich kam aus dem Bündnerland, wo das Thema während der vergangenen Wintersaison bereits schon aktueller war, daher war die darauffolgende Krise auch nicht besonders überraschend. Doch hatten wir gehofft, dass sich diese im Sommer ausläuft. Diese Tendenz gab es ja auch. Viele Schweizer begannen wieder vorsichtig zu reisen, der Abstand schrumpfte.

«Wenn man sich mit Herzblut in der Tourismusbranche bewegt, denkt man nun wohl eher: Jetzt erst recht.»

Renya Heinrich, Geschäftsführerin Zug Tourismus

zentralplus: Hätten Sie die Stelle auch angetreten, wenn Sie gewusst hätten, dass das Thema Corona ein derart hartnäckiges wird?

Heinrich: sehr bestimmt. Ja, das hätte ich. Corona hätte keinen Einfluss auf meine Entscheidung gehabt. Im Gegenteil, die Herausforderung wäre umso grösser gewesen. Wenn man sich mit Herzblut in der Tourismusbranche bewegt, denkt man nun wohl eher: Jetzt erst recht.

zentralplus: Womit haben Sie sich während den ersten drei Monaten als Geschäftsführerin beschäftigt?

Heinrich: Mir war es sehr wichtig, dass ich mir anfangs einen guten Überblick über die Lage verschaffe. Gerade da es in der Geschäftsleitung vor meiner Zeit mehrere Wechsel gab, war vieles in der Schwebe. Insbesondere, da meine Vorgängerin nicht mehr da war, um mich einzuarbeiten und ich mir viel Wissen selber aneignen musste. Ich suchte auch das Gespräch mit unseren Partnern und Leistungsträgern, versuchte herauszufinden, was deren Wünsche und Bedürfnisse sind.

zentralplus: Und was hat sich daraus ergeben?

Heinrich: Dass es eine neue Standortbestimmung für Zug braucht. Daher haben wir entschieden, nicht nur aufgrund der Krise eine neue Strategie zu erarbeiten, welche wir im März kommenden Jahres vorstellen möchten. Zug hat sich in der Vergangenheit sehr stark auf den Businesstourismus verlassen. Dafür musste man nicht einmal besonderen Aufwand betreiben, der funktionierte einfach. Schweiz Tourismus rechnet damit, dass sich diese Sparte frühestens 2024 erholen wird.

zentralplus: Können Sie bereits verraten, in welche Richtung die neue Strategie zielen soll?

Heinrich: Noch nicht. Ich denke, wir haben im Bereich Städtetourismus und auch Freizeit durchaus Chancen. Im Rahmen der Strategie möchten wir dazu unterschiedliche Personen aus Wirtschaft, Politik, Freizeit und Kultur befragen. Wichtig ist mir, dass die neue Strategie nicht zum Papiertiger verkommt, sondern breit abgestützt ist. Klar ist, dass der Schweizer Tourist im Moment unheimlich wichtig ist.

Fragen, die es im Rahmen der Strategieentwicklung zu klären gilt, sind unter anderem: Was kann und will Zug bieten? Welche Gäste möchte man herbringen? In der Vergangenheit nämlich wurde immer wieder die Angst vor dem Massentourismus genannt und jene, dass der asiatische Tourismus Überhand nehmen könnte. Wir wollen nicht Luzern oder Zürich kopieren.

«Es ist Zeit, dass Zug auch noch einen anderen Tourismus begrüsst als nur den Businesstourismus.»

zentralplus: Eine Tourismusstrategie zu erarbeiten in einer Zeit, in der es fast keine Planungssicherheit gibt; das stelle ich mir schwierig vor.

Heinrich: Tatsächlich wissen wir nicht, wo wir in drei Monaten, geschweige denn in einem Jahr stehen. Dennoch ist bereits klar, dass wir künftig auf andere Märkte ausweichen müssen. Es ist Zeit, dass Zug auch noch einen anderen Tourismus begrüsst als nur den Businesstourismus. Da können wir uns an anderen, ähnlich grossen Städten orientieren, die das bereits sehr gut machen, etwa Solothurn, Schaffhausen oder Chur. Zug bietet so viel. Wir müssen über die Krise hinausschauen und uns fragen, wie man Zug besser vermarkten kann.

zentralplus: Wurde das bisher zu wenig gemacht Ihrer Meinung nach?

Heinrich: Bisher wurde praktisch nicht gegen aussen kommuniziert, es wurden kaum national sichtbare Marketingmassnahmen eingesetzt. Viele Schweizer haben keine Ahnung, wie schön es hier ist und dass es sich lohnt, hierherzukommen. Die Vermarktung von Zug als Stadt und als Region hat bisher nicht stattgefunden. Dafür braucht es grössere Kampagnen. Das ist ein grosser Hebel, bei dem wir ansetzen können. Wir müssen selbstbewusster werden und an unserem Image arbeiten.

«Ich vertrete die Haltung, dass man erst recht in Marketing und Innovation investieren soll, wenn die Lage schwierig ist.»

zentralplus: Heini Schmid, der ehemalige Präsident von Zug Tourismus kritisierte diesbezüglich, dass die finanzielle Unterstützung von Stadt und Kanton Zug zu niedrig sei, um eine professionelle Strategie umzusetzen (zentralplus berichtete).

Heinrich: Das ist ein wichtiger Punkt. Eine gute Kampagne braucht Geld. Erhalten wir dieses nicht, können wir nicht wachsen und als Tourismusregion agieren. Wir verzeichnen im Zuger Tourismus derzeit massive Einbussen bei Hotels, Restaurants sowie Eventplanern. Der Umsatz liegt zum Teil bei einem Viertel der normalen Einnahmen.

Es ist wie bei einem Hund, der sich in den eigenen Schwanz beisst. Ich vertrete die Haltung, dass man erst recht in Marketing und Innovation investieren soll, wenn die Lage schwierig ist. Andere Städte erhielten wegen der Krise hohe Summen an Geld gesprochen. Sie werden die nächsten Jahre damit überleben.

zentralplus: Ihre beiden letzten Vorgänger verliessen die Stelle bereits nach einem halben respektive nach rund einem Jahr (zentralplus berichtete). Hat das Ihren Start schwieriger oder einfacher gemacht?

Heinrich: Vermutlich beides. Schwieriger war, dass die Stelle und die Arbeit von Zug Tourismus teilweise in kritischem Licht stand. Ich selber habe mich bewusst nur grob über meine Vorgänger informiert und fand, dass die Vergangenheit ruhen solle. Wichtiger waren mir zu Beginn Stimmen von Partnern und Leistungsträgern zu den Anforderungen und Wünschen an die neue Geschäftsleitung. Da gab es nicht nur einfache Antworten und viele kritische Stimmen. Selbst wenn diese nicht immer angenehm anzuhören waren, werden sie mir doch helfen, in Zukunft einen längerfristigen Job zu machen.

Einfacher war es für mich insofern, dass ich quasi bei null anfangen kann. Es gibt unheimlich viele gute Chancen und tolle Leute in Zug, die mich und Zug Tourismus unterstützen und die zusammen mit uns einen neuen Weg gehen wollen. Dabei darf ich auch auf ein motiviertes Team zählen.

zentralplus: Ist es einfacher für Sie, da Sie selber aus Zug sind?

Heinrich: Mit Sicherheit, das ist ein wichtiger Punkt. Ich verfüge über ein gewisses Grundwissen und über ein wertvolles Netzwerk. Zug ist ein kleiner Kanton. Wenn man dessen Mentalität kennt, kann das einige Türen öffnen.

«Die Situation in der Hotelbranche lässt uns schon etwas ratlos zurück.»

zentralplus: Den Zuger Hotels ging es schon vor Corona nicht blendend. Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass Hotels wegen der aktuellen Lage schliessen müssen?

Heinrich: Tatsächlich liegt die aktuelle Auslastung bei ungefähr 30 Prozent. Einige Hotels haben in den letzten Monaten jedoch eine Auslastung bis zu 60 Prozent erreicht. Dabei kommt es sehr darauf an, wie flexibel die Betriebe auf die Situation reagieren. Legt man den Fokus beispielsweise auf Trends wie im Sommer das Velofahren, auf Wassersport oder Familien, gelingt es sicher, einige Gäste zu gewinnen.

Doch in der Branche spürt man tatsächlich eine gewisse Resignation. Gerade in Anbetracht des kommenden Winters. Zug ist kein Ort, an dem der Winter zu den Highlights zählt. Ausserdem verfügt Zug Tourismus über zu wenig finanzielle Möglichkeiten, um schnell eine gewinnbringende Kampagne zu lancieren. Ausserdem weiss niemand, ob es zu weiteren Restriktionen kommt. Die Situation lässt uns schon etwas ratlos zurück.

zentralplus: Was wäre denn Ihre Wunschvision? Wie soll der Zuger Tourismus in fünf Jahren aussehen?

Heinrich: Ich hoffe, dass wir Zug ein neues Image verleihen können und dass der Kanton künftig auf der touristischen Landkarte der Schweiz als erlebenswertes Ziel existiert. Auch wünsche ich mir, dass die Zuger mehr Freude daran bekommen, ihren Ort zu zeigen. Ausserdem möchte ich die Digitalisierung von Zug Tourismus vorwärtsbringen, sodass wir auch in diesem Bereich konkurrenzfähig sind.

zentralplus: Hat man das bisher verschlafen?

Heinrich: Es ist verständlich, dass die Digitalisierung wegen der personellen Wechsel nicht als erste Priorität behandelt wurde. Ausserdem verfügte man, wie gesagt, über beschränkte Mittel. Doch sind wir es den Gästen schuldig, dass diese technischen Mittel auf dem aktuellen Stand sind. Da sehe ich noch viel Potenzial.

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