Luzerner Firmen belohnen ihre Mitarbeiter fürs Velofahren
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«Wie gelangen unsere Mitarbeiterinnen zur Arbeit?» Mit dieser Frage setzen sich immer mehr Firmen in Luzern auseinander. Dabei setzen sie auf neuartige Konzepte, in denen das Velo und der Bus im Zentrum stehen.
Fester Bestandteil unserer Mobilität ist der Weg zum Arbeitsplatz und wieder zurück nach Hause. Corona und der Homeoffice-Boom konnten an dieser Tatsache nichts ändern. Die Schweiz ist und bleibt ein Land der Pendler.
Doch für unsere Verkehrssysteme sind die täglichen Pendlerströme eine Belastung. Im Stau stehen gehört für viele Luzerner fast schon zur Morgenroutine – schliesslich sind gemäss Zahlen von Lustat rund zwei Drittel aller Luzerner Pendler mit dem Auto unterwegs.
Das kostet. Der Bund rechnet vor, dass der staubedingte Zeitverlust die Schweizer Wirtschaft jährlich rund 1,4 Milliarden Franken kostet. Darum setzen in Luzern immer mehr Firmen auf ein Mobilitätskonzept. Ihr Ziel: Ihre Mitarbeiter sollen, wenn möglich, zu Fuss, mit dem Velo oder mit dem ÖV kommen und so einen Beitrag für eine nachhaltige Mobilität leisten.
Nach dem Pilotprojekt in Kriens folgt das Paradebeispiel in Horw
Eine der Pionierinnen in dieser Entwicklung war das Krienser Holzwerkstoffunternehmen Herzog Elmiger. 2022 hat es ein neuartiges Mobilitätskonzept eingeführt. Mit finanziellen Anreizen werden die Mitarbeiter dazu motiviert, mit dem Velo oder dem öffentlichen Verkehr zur Arbeit zu kommen. Hingegen wurden die Gratisparkplätze für Mitarbeiterinnen aufgehoben. Wer mit dem Auto zur Arbeit fährt, muss fürs Parkieren neu zahlen (zentralplus berichtete).
Treiber hinter dem Projekt ist die Albert Koechlin Stiftung (AKS), die bei der Erarbeitung des Mobilitätskonzepts half und für die Anschubfinanzierung aufkommt. Projektleiter Andreas Merz sagt auf Anfrage von zentralplus, dass das Konzept erfolgreich angelaufen sei und weitergeführt wird. Und nicht nur das. «Unterdessen konnten wir weitere Vereinbarungen mit Unternehmen unterzeichnen», so Merz. Das Mobilitätsmanagement macht die Runde.
«Schon jetzt konnten wir Unternehmen mit gesamthaft über 2000 Mitarbeitenden für das Projekt gewinnen. Es geht schneller voran als erwartet.»
Andreas Merz, Projektleiter Albert Koechlin Stiftung
Mit dem Blindenheim Blickfeld in Horw wurde im April dieses Jahres beispielsweise eine weitere Zusammenarbeit lanciert. Das Blickfeld liegt in unmittelbarer Nähe zum Veloweg Freigleis und zum Bahnhof Mattenhof. Darum sagt Merz: «Daraus hat sich ein Paradebeispiel eines Mobilitätsmanagements entwickelt. Das Blickfeld ist mit dem Velo und dem ÖV perfekt erschlossen. Und gleichzeitig ist die Anzahl Parkplätze begrenzt. Diese Kombination führt dazu, dass ein cleveres Mobilitätskonzept seine volle Wirkung entfalten kann und die Anzahl Autofahrten erfolgreich reduziert werden kann.»
Blickfeld will ein faires System für alle
Doris Amrhein ist Geschäftsleiterin im Blickfeld. Sie bestätigt auf Anfrage, was Merz als «Paradebeispiel» bezeichnet. So hat das Unternehmen vor der Lancierung des Mobilitätskonzepts eine Analyse der Arbeitswege erstellt: «Wir haben festgestellt, dass die Mehrheit der Mitarbeitenden vertretbar ohne Auto zur Arbeit pendeln kann», so Amrhein.
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Früher stellte das Blickfeld einem Teil seiner Mitarbeiter rund 30 Parkplätze gratis zur Verfügung. Allerdings gab es bei der Parkplatzverteilung kein Konzept. Und wer mit dem ÖV oder mit dem Velo zur Arbeit kam, konnte davon nicht profitieren. «Das war kein faires System», sagt Amrhein.
«Mit dem Mobilitätskonzept sind wir als Arbeitgeber attraktiver geworden.»
Doris Amrhein, Geschäftsleitung Blickfeld
Wegen eines Umbaus des Areals stehen die Parkplätze für Mitarbeiterinnen nun nicht mehr zur Verfügung. Das Blickfeld muss diese extern mieten. Einen Teil dieser Parkplatzkosten wird jetzt auf die Mitarbeiterinnen abgewälzt. Wer mit dem ÖV oder dem Velo ins Blickfeld kommt, erhält hingegen Gutscheine. «In diesem System werden alle Mitarbeitenden gleich behandelt, unabhängig von ihrer Stufe in der Unternehmenshierarchie», so Amrhein.
Fast alle kommen mit dem Velo oder dem ÖV
Nebst der Frage der Fairness gibt es für ein Amrhein einen weiteren Grund, der für das neue Mobilitätskonzept spricht. «Wir wollen einen Beitrag zu einer klimafreundlichen Mobilität leisten und jene Mitarbeitenden belohnen, die dabei mithelfen.» Und letztlich sei insbesondere das Pendeln zu Fuss oder mit dem Velo auch gesund.
Schaut man sich die ausgestellten Mobilitätsabos an, teilen die Mitarbeiter die Ideen der Geschäftsleitung. Von den 208 Mitarbeiterinnen mieten lediglich acht einen Parkplatz, den sie selber bezahlen müssen. Drei erhalten einen kostenlosen Rollerparkplatz.
Hingegen haben sich 85 Mitarbeiter für ein Veloabo entschieden und erhalten im Gegenzug einen grosszügigen Gutschein für verschiedene Outdoorgeschäfte, um sich etwa mit einer Regenhose, Licht und Velohelm auszurüsten. Vier leasen mit Unterstützung der Firma ein E-Bike. Und 107 Mitarbeiterinnen haben zugesichert, ein Jahr lang mit dem ÖV zur Arbeit zu kommen – dafür übernimmt das Blickfeld einen Teil der Kosten fürs ÖV-Abo.
Wie Doris Amrhein berichtet, erhält das neue Mobilitätskonzept im Blickfeld viel Zuspruch. «Wir spüren grossen Zuspruch und Dankbarkeit unter unseren Mitarbeitenden.» Die Gutscheine haben ihren Zweck als Motivation der Teammitglieder erfüllt. Dass es im Blickfeld jetzt ein faires Mobilitätsmanagement gibt, werde geschätzt. «Mit dem Mobilitätskonzept sind wir als Arbeitgeber attraktiver geworden», ist Amrhein überzeugt.
8000 Mitarbeiter sollen in ein Mobilitätsmanagement integriert werden
AKS-Projektleiter Andreas Merz freut sich über den gelungenen Start des Mobilitätskonzepts im Blickfeld. Er sieht darin die Bestätigung, dass das Modell funktioniert. Nun soll das Projekt wachsen. Dazu ist die Albert Koechlin Stiftung auf gutem Weg. «Als Projektziel haben wir definiert, 8000 Mitarbeitende neu in ein Mobilitätskonzept zu integrieren. Wir sind mit vielen Unternehmen im Austausch.»
Er stellt fest, dass das Interesse der Unternehmen an nachhaltigen Lösungen steige. «Schon jetzt konnten wir Unternehmen mit gesamthaft über 2000 Mitarbeitenden dafür gewinnen. Es geht schneller voran als erwartet», sagt Merz.
Auch andere grosse Unternehmen in Luzern setzen auf ein Mobilitätsmanagement. Zum Beispiel die Hirslanden-Klinik St. Anna, die 1500 Mitarbeiterinnen beschäftigt, oder die Firma Komax in Dierikon mit 800 Mitarbeitern. Bei Komax setzt man auch auf die Bewirtschaftung der Firmenparkplätze und sponsert dafür allen Mitarbeitern ein Halbtax-Abo. Und bei der Klinik St. Anna hat sich die Zahl der Mitarbeitenden, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, seit der Einführung des Mobilitätsmanagements halbiert.
Die Schweiz wird ein Pendlerland bleiben. Aber vielleicht wird das Auto eines Tages darin nicht mehr die Hauptrolle spielen.
- Telefonat mit Andreas Merz
- Telefonat mit Doris Amrhein
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