Warum Luzerner Handwerker aufs Cargobike setzen

«Ein rosa Cargovelo fällt mehr auf als jeder pinkfarbene Tesla»

Christiane Arold leitet das neue Cargobike-Center von Velociped in Kriens. (Bild: ewi)

Ein neuer Velotrend rollt über die Schweiz. Nach dem E-Bike kommt das Cargovelo zunehmend nach Luzern. Das Besondere daran: Nicht nur Hippiefamilien, sondern auch Handwerker setzen vermehrt auf das Lastenvelo.

«Drei Kübel Farbe zu je 20 Liter bringe ich locker auf das Velo», sagt Bruno Roos, Werkstattleiter bei der Malerfirma Gimalur im Obernau in Kriens. «Damit fährt es sich gleich wie mit einem normalen Velo ohne Transportlast. Und ich bin nicht langsamer, als wenn ich mit dem Geschäftsauto unterwegs wäre.»

Roos spricht vom «Gimabike», dem Cargovelo, mit dem er seit rund einem Jahr für seine Firma im Einsatz ist. Roos, selbst Velo-affin, schwärmt regelrecht vom neuen Transportmittel. Zwar seien seine Leute schon noch aufs Geschäftsauto angewiesen, gerade beim Transport grösserer Werkzeuge und Materialien.

Der Maler braucht das Velo darum vor allem, um spezielle Farben zu holen, die von Grosslieferanten nicht gebracht werden. Und um kleine Ausbesserungsarbeiten auf Baustellen zu unternehmen. «Für Kurierdienste oder Spezialaufträge, wo nicht mehr als ein paar Kübel Farbe transportiert werden müssen, ersetzt das Cargovelo ein zusätzliches Geschäftsauto, das sonst mehrheitlich herumstehen würde.»

Metallbaufirma erspart sich dank Cargovelo die Parkplatzsuche

Gleich klingt es bei Cyril Dönni von der Metallbaufirma Feinwerk GmbH aus Luzern. Auch die Mitarbeiter dieser Firma sind seit rund einem Jahr mit einem Cargovelo inklusive Anhänger unterwegs. «Da passt sehr viel rein», sagt Dönni am Telefon. «Vom Schlagbohrer bis zum Staubsauger lassen sich mit dem Velo die meisten Werkzeuge transportieren.» Schwieriger werde es, wenn grosses Material wie ein Geländer oder eine Scheibe transportiert werden müsste. «Für solche Einsätze brauchen wir nach wie vor ein Auto.»

Sacha Zbinden von der Firma Feinwerk GmbH ist regelmässig mit dem neuen Cargovelo unterwegs. (Bild: zvg)

Das Cargovelo möchte Dönni trotzdem nicht mehr zurückgeben. In der Stadt ist das Team damit fast schneller unterwegs als mit dem Auto – und erst noch entspannter. «Die mühsame Parkplatzsuche fällt weg. Und mit dem Lieferwagen dürfen wir nur bis zehn Uhr in die Altstadt. Da sind wir mit dem Velo deutlich flexibler unterwegs.»

Gimalur und Feinwerk sind nur zwei von vielen Zentralschweizer Firmen, die im vergangenen Jahr auf ein Cargovelo anstelle eines Geschäftsautos umgesattelt haben. Noch sind sie eine kleine Minderheit – doch ein Trend ist erkennbar. Auch weil zwei grosse Akteure in Luzern diesen Trend vorantreiben.

Stiftung unterstützt Firmen beim Kauf eines Cargovelos

Das ist zum einen die Albert Koechlin Stiftung (AKS), welche im Rahmen ihres Mobilitätsprojekts «clever unterwegs» Firmen beim Kauf eines neuen Cargovelos finanziell unterstützt. Die Stiftung beteiligt sich zu 60 Prozent an den Anschaffungskosten für das neue Velo. Bei Gesamtkosten von bis zu 10'000 Franken fällt diese Beteiligung durchaus ins Gewicht. Maler Bruno Roos bestätigt denn auch, dass dieser finanzielle Anreiz ausschlaggebend war, dass sich die Firma ein Cargovelo gekauft hat.

«Wenn ich mit dem Gimabike komme, drehen alle den Kopf um.»

Bruno Roos, Malerfirma Gimalur

Zudem beteiligt sich die Albert Koechlin Stiftung auch an den Kosten für die Beschriftung des Velos. Das sei zentral, erklärt Projektleiter Andreas Merz im Gespräch mit zentralplus. «Die Mitarbeiter können sich mit dem Velo stärker identifizieren und tragen mehr Sorge dazu.» Fast noch wichtiger aber sei die Aussenwirkung, die ein beschriftetes Velo habe. «Das signalisiert, dass es sich nicht einfach um eine lustige Idee handelt, sondern dass das ein seriöser Ersatz für ein Geschäftsauto ist.»

Das Gimabike der Krienser Malerfirma Gimalur. (Bild: zvg)

Die beiden Handwerker Dönni und Roos können das bestätigen. Metallbauer Dönni berichtet, dass Passanten sich nach dem Velo umdrehten und im positiven Sinn überrascht seien. Und Maler Roos meint: «Das Velo ist ein richtiger Blickfang. Der Werbeeffekt ist viel grösser als bei unseren Geschäftsautos. Wenn ich mit dem Gimabike komme, drehen alle den Kopf um.»

Das Cargovelo dürfen auch Jugendliche fahren

Das haben auch andere Unternehmen mitbekommen. Denn wie Andreas Merz von der AKS sagt, sei das Interesse am Angebot der Stiftung gross. Bereits zum zweiten Mal habe die Stiftung je 24 Velos und Anhänger vorbestellt und ausgeschrieben. Beide Male waren alle Velos innerhalb von wenigen Wochen reserviert. Bei den interessierten Firmen kann Merz weder eine Tendenz bezüglich der Branche des Unternehmens noch beim Firmensitz ausmachen. «Wir erhalten nicht nur aus städtischen, sondern auch aus ländlichen Regionen viele Anfragen», sagt der Projektleiter.

«Ein rosarotes Cargovelo erweckt auf der Seebrücke die grössere Aufmerksamkeit als jeder pink gefärbte Tesla.»

Christiane Arold, Leiterin Cargobike-Center von Velociped

Die Rückmeldungen der Unternehmen seien insgesamt sehr positiv. Einige konnten die schwierige Parkplatzsituation entschärfen. Andere ersparten sich dank des neuen Velos den Kauf eines zusätzlichen Autos. Hinzu kommt aus Sicht von Merz ein dritter gewichtiger Vorteil: «Im Gegensatz zum Auto dürfen bereits Jugendliche mit dem Cargovelo fahren. Lehrlinge können so mit neuen Aufgaben betraut werden.»

Krienser Velogeschäft setzt voll auf die Marktnische

Das sei definitiv ein relevantes Verkaufsargument, bestätigt Christiane Arold. Sie leitet das Cargobike-Center von Velociped in Kriens, das im Frühling dieses Jahres eröffnet wurde. Sie wurde eigens für diesen neuen Geschäftssektor eingestellt mit dem klaren Auftrag, Firmen vom Cargovelo als praktisches Transportfahrzeug zu überzeugen.

Im Cargobike-Center in Kriens können verschiedenste Modelle ausprobiert werden. (Bild: Velociped)

Damit ist Velociped neben der AKS der zweite Akteur in der Region, welcher das Cargovelo vorantreibt. Natürlich steckt dahinter auch ein wirtschaftliches Interesse, schliesslich ist es ein Markt, der bisher praktisch brachlag und in dem grosses Potenzial steckt. Mit dem neuen Cargobike-Center wird Velociped zur regionalen Cargovelo-Adresse schlechthin.

Es stecke aber ebenso ein ideelles Interesse dahinter, so Arold: «Wir haben die Mission, mehr Leute aufs Velo zu bringen. Und dazu müssen wir auch die Firmen abholen.» Heute gebe es noch viele Unternehmen mit einer traditionellen Einstellung, für die ein Geschäftsauto aus Prinzip unverzichtbar erscheine. «Darum ist es wichtig, dass wir mehr Sichtbarkeit erreichen und Cargovelos auch für Handwerker völlig normal werden. So wird offensichtlich, dass Cargovelos ebenso im Firmenalltag praktisch sind.»

Das Auto ist und bleibt bequem

Dass die Velos darum beschriftet sind und nicht nur als Werbeträger für die Firma, sondern auch für ein Cargovelo an sich funktionieren, sei darum wichtig. So sagt Arold, in Anspielung auf den rosaroten Tesla, welcher der Bäckerei Bachmann als Geschäftsauto dient: «Ein rosarotes Cargovelo erweckt auf der Seebrücke die grössere Aufmerksamkeit als jeder pink gefärbte Tesla.»

Für Bruno Roos ist derweil klar, dass er sein Cargovelo nicht mehr umtauschen würde. Einzig an bitterkalten Wintertagen. «Dann ist das Auto halt schon verlockend bequem», sagt Roos zum Schluss und verabschiedet sich zurück in die Werkstatt.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Christiane Arold
  • Telefonat mit Cyril Dönni und Bruno Roos
  • Telefonat mit Andreas Merz
  • Projektwebsite der Albert Koechlin Stiftung
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Franz
    Franz, 23.04.2023, 01:00 Uhr

    Dass es sich hier um Stromvelos handelt, wird nirgends erwähnt. Die Jüngeren werden es nicht glauben, aber bis vor ein paar Jahrzehnten war es üblich, einen Anhänger ans Velo anzukoppeln. Jeder Haushalt machte das so und selbstverständlich auch Handwerker. Als Bub lieferte ich damit Waren vom Coop aus, dafür gabs Taschengeld. Was hier als grün-innovativ verkauft wird, ist ein alter Hut. Und viel weniger ökologisch.

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    • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
      Kasimir Pfyffer, 24.04.2023, 13:08 Uhr

      Ich bewundere Ihre Kraft und Ausdauer. Melden Sie sich doch bei einem Handwerker. Der freut sich, wenn Sie sein 80 Kilo schweres Cargobike plus 200 Kilo Nutzlast ganz ohne Motor pedalen wollen.

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