Der Kanton Zug im Tunnelrausch – das musst du wissen
Die Zuger Regierung will in der Stadt Zug und in Unterägeri zwei neue Tunnel bauen. Schon in wenigen Monaten werden die Zuger darüber abstimmen. Zeit für einen Rück- und Ausblick.
Zwei Tunnel, zwei Gemeinden, ein Ziel – und über eine Milliarde Franken Baukosten. Dies ist die Kurzfassung der beiden Tunnelprojekte der Zuger Regierung in der Stadt Zug und Unterägeri. Beide Projekte wurden innerhalb kürzester Zeit spruchreif. Der Regierungsrat trieb das Thema im Eiltempo voran.
Zeit, kurz durchzuatmen und sich einen Überblick über das Milliardenvorhaben zu verschaffen.
Worum geht es?
Der Zuger Regierungsrat will in der Stadt Zug und in Unterägeri je einen Umfahrungstunnel bauen. Sie sollen die beiden Gemeinden deutlich vom Verkehr entlasten. Die Tunnel werden gemäss Schätzung der Regierung den Verkehr in den Zentren der Gemeinden um rund 75 Prozent reduzieren.
Das freut wohl nicht nur den Autofahrer, der dadurch weniger oft im Stau stecken soll. Sondern auch die Velofahrerin, den Fussgänger sowie ÖV-Passagiere. Weil die Autos aus den Zentren verschwinden, soll der Langsamverkehr sicherer und der ÖV zuverlässiger werden. Letztlich bieten die beiden Tunnel die Chance, die Zentren in Zug und Unterägeri aufzuwerten.
Was ist in der Stadt Zug geplant?
Der Umfahrungstunnel in der Stadt Zug ist der aufwendigere der beiden. Die neue Röhre wird knapp zwei Kilometer lang und soll den Nord-Süd-Durchgangsverkehr im Stadtzentrum aufnehmen. Das südliche Tunnelportal liegt bei der Artherstrasse auf der Höhe Frauensteinmatt. Von dort führt der Tunnel in einem langen Bogen in Richtung Gubelstrasse. Bei der dortigen SBB-Unterführung mündet die Röhre in die Gubelstrasse. Der Tunnel ist zwei- und in manchen Abschnitten dreispurig.
Das Projekt enthält zudem einen Ausbau der Gubelstrasse im Bereich der SBB-Unterführung auf neu vier Spuren. Von der Unterführung aus werden neue Aufgänge zu den Gleisen erstellt. Parallel zur Strasse entstehen neue Velo- und Fusswege.
Wie sieht das Projekt in Unterägeri aus?
Die Röhre in Unterägeri wird rund 1,8 Kilometer lang und verläuft in einer fast schnurgeraden Linie von Nordwesten nach Südosten. Dieser Tunnel hat die Aufgabe, den Durchgangsverkehr vom Tal in Richtung Oberägeri aufzufangen.
Das westliche Tunnelportal liegt im Bereich Sagenmattli und ist an die Zugerstrasse angeschlossen. Im Osten mündet der Tunnel beim Theresiaparkplatz in die Seestrasse, wobei ein Abzweiger direkt ins Zentrum von Unterägeri führen soll. Der Tunnel wird in beide Richtungen einspurig geführt, nur bei den Portalen werden die Ausfahrten auf je zwei Fahrspuren verbreitert. Im Tunnel gilt Tempo 80.
Die Regierung rechnet vor, dass sich die Fahrzeit vom Brüelplatz in Baar an den Ägerisee dank des Tunnels auf zehn Minuten verkürzt – sofern es auf der Strecke keinen Stau hat. Heute dauert diese Fahrt fast doppelt so lange.
Was kostet das Ganze?
Der Zuger Stadttunnel kostet rund 750 Millionen Franken, jener in Ägeri knapp 310 Millionen. Die eigentlichen Bauarbeiten an den Tunnels machen rund 450 Millionen Franken davon aus. Weitere 140 Millionen kostet der Erwerb des Baulandes. Für die Planung und Projektierung veranschlagt die Zuger Regierung knapp 80 Millionen Franken. Ein weiterer teurer Posten ist der Umbau der SBB-Unterführung Gubelstrasse. Dieses Projekt wird rund 60 Millionen Franken kosten.
Insgesamt kosten beide Projekte zusammen über eine Milliarde Franken. In jedem anderen Kanton der Schweiz wären die geschätzten Kosten wohl Grund genug, das ganze Projekt auf der Stelle zu beerdigen. Nicht so in Zug. Der Kanton kann sich die beiden Verbindungen sogar ohne Fremdkapital leisten. Kein Wunder: Seit Jahren präsentiert der Kanton Zug mit der Jahresrechnung dreistellige Millionengewinne (zentralplus berichtete).
Was gibt zu reden?
Obwohl die beiden Projekte insgesamt über eine Milliarde Franken kosten, gibt das Preisschild erstaunlich wenig zu reden. Die notwendige Anpassung im Richtplan für die beiden Tunnel wurde im Kantonsrat deutlich mit 56 zu 16 Stimmen durchgewunken (zentralplus berichtete). Kritisch diskutiert wurde jedoch das Vorhaben der Regierung, beide Projekte in einer Vorlage zusammenzufassen. Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen den beiden Projekten, so die Regierung. Deshalb sollte aus beiden einzelnen Projekten ein Gesamtprojekt zur Abstimmung kommen.
Eine knappe Mehrheit des Parlaments sah dies jedoch anders. Die beiden Tunnel seien einzeln zu betrachten, darum müsse auch einzeln darüber abgestimmt werden. Die Auftrennung der beiden Projekte kam im vergangenen Juni im Kantonsrat knapp mit 39 zu 33 Stimmen durch.
Was technisch klingt, ist für die anstehende Abstimmung jedoch brisant. Denn der Stadtzuger Tunnel ist nicht nur teurer, sondern auch wesentlich umstrittener als jener in Unterägeri. Bereits 2015 wurde im Kanton Zug über den Stadttunnel abgestimmt. Die Vorlage scheiterte an der Urne mit 63 Prozent Nein-Stimmen deutlich. Wohl auch, weil das damalige Projekt als überdimensioniert galt und mit knapp 900 Millionen Franken Baukosten fast so teuer war, wie die zwei nun geplanten Tunnel zusammen. Der Zuger Stadttunnel ist also politisch vorbelastet – auch wenn das jetzige Projekt im Vergleich zur Vorlage 2015 verschlankt wurde.
Was spricht dafür – und was dagegen?
Die Befürworter betonen, dass sich mit den beiden Röhren eine einmalige Chance bietet, die Zentren von Zug und Unterägeri vom Verkehr zu entlasten und aufzuwerten. Sie erhoffen sich davon, dass im Zentrum mehr Aufenthaltsqualität entsteht, der Verkehr für Velos und Fussgängerinnen sicherer wird und dass die Busse pünktlicher ankommen.
Wie Kanton und Gemeinden ihre Zentren konkret aufwerten wollen, ist noch nicht bekannt. Auch Massnahmen, um den privaten Autoverkehr effektiv aus den Zentren rauszuhalten, wurden noch nicht definiert. Der Kanton will sich erst nach erfolgter Abstimmung mit diesem Thema auseinandersetzen.
Der Bericht und Antrag des Regierungsrats vermittelt die Haltung, dass von den beiden Tunnel ausnahmslos alle profitieren würden. Die linken Parteien sowie Umweltverbände sehen dies jedoch dezidiert anders. Sie befürchten, dass die neuen Verbindungen noch mehr Verkehr erzeugen. Getreu dem Motto: «Wer Strassen sät, erntet Verkehr.» Auf diese Art und Weise liessen sich die Zuger Verkehrsprobleme nicht lösen.
Insbesondere der Stadttunnel werde seine Wirkung verfehlen, kritisieren die Gegner. Das Problem im Zuger Zentrum sei nicht der Durchgangs-, sondern der Ziel- und Quellverkehr. Wer mit dem Auto ins Zentrum will – und das sei die Mehrheit der Autos – dem nütze der Tunnel nichts. Zuletzt kritisieren die Tunnel-Gegnerinnen auch den ökologischen Fussabdruck der beiden Projekte. Der Bau eines Tunnels sei extrem energieintensiv und verursache tonnenweise CO₂. In Zeiten der Klimakrise könne man sich solche Projekte nicht mehr leisten (zentralplus berichtete).
Was geschieht nun?
Als Nächstes ist die Bevölkerung am Zug. Sie entscheidet am 3. März 2024 darüber, ob die Vorhaben realisiert werden oder nicht. Stimmt sie den Krediten zu, erarbeitet der Kanton die beiden Bauprojekte. Dies wird rund fünf Jahre dauern. 2029 sollen dann die Baugesuche für die beiden Tunnel aufliegen. Läuft alles nach Plan, beginnen die Bauarbeiten für den Tunnel in Unterägeri 2033 und dauern bis 2036. Der Stadttunnel würde zwischen 2034 und 2041 fertiggestellt.
Vom Zeitpunkt der Abstimmung bis zum ersten Auto, das unter der Stadt Zug durchfahren wird, vergehen im schnellsten Fall also nochmals 17 Jahre.
- Unterlagen zur Vorlage
- Bericht und Antrag der Regierung