Projekt «Zero Waste»

Wie es eine Krienser Familie (fast) ohne Güsel schafft

In Kriens nahmen mehrere Haushalte an einem Projekt teil, um den eigenen Abfall zu minimieren. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Ein halbes Jahr möglichst wenig Güsel produzieren: Genau darum gings bei einem Projekt in der Stadt Kriens. Eine Familie erzählt, wo sie an ihre Grenzen gekommen ist – und warum man einfach mal loslegen sollte.

Kriens sagt dem Güsel den Kampf an: Gemeinsam mit dem gemeinnützigen Verein Zero Waste Switzerland startete die Stadt ein Projekt. Das Ziel: möglichst wenig Abfall zu produzieren. Zu diesem Zweck stand bis zu zehn Familien während sechs Monaten ein Coach zur Verfügung (zentralplus berichtete).

Nun ist das Projekt zu Ende. Die Verantwortlichen ziehen eine gute Bilanz. «Das oberste Ziel bestand für uns nicht darin, dass die Familien überhaupt keinen Abfall mehr produzieren», sagt Selina Wälti. Sie ist die regionale Koordinatorin Luzern von Zero Waste Switzerland. «Sondern, dass sie sich bewusst mit dem Thema auseinandersetzen und dauerhafte Veränderungen in ihren Alltag integrieren, die helfen, auch nach der Challenge den Abfall dauerhaft Stück für Stück zu reduzieren.»

So reduzierte eine Krienser Familie den Güsel

Eine, die sich an die Challenge gewagt hat, ist die Krienserin Nicole Vogler mit ihrer Familie. «Wir haben mittlerweile Routinen entwickelt und werden diese genauso weiterführen», sagt sie.

Schritt für Schritt hat sich die Familie Ziele gesetzt. Zum Beispiel: den Abfall konsequent trennen und recyclen. Keine Take-away-Behälter oder Kaffeebecher für unterwegs kaufen. Stattdessen trägt Nicole Vogler jeweils einen Stoffbeutel, einen zusammenfaltbaren Kaffeebecher und eine Dose fürs Essen in der Tasche mit sich.

«Als Konsequenz ist unser Kühlschrank viel leerer als früher. Wir kaufen viel bewusster ein.»

Nicole Vogler

«Wenn ich unterwegs war und den Mehrwegkaffeebecher daheim vergessen habe, dann gab es während der Challenge auch keinen Kaffee. Obwohl ich Lust dazu hatte», sagt Vogler. Auch Food Waste versucht die Familie entschieden zu vermeiden. «Als Konsequenz ist unser Kühlschrank viel leerer als früher. Wir kaufen viel bewusster ein.»

Unverpackt einkaufen? Nicht immer ist alles plastikfrei

Gemüse und Obst werden nur noch unverpackt gekauft, fast alles vom Bauern. «Mittlerweile routiniert, laufen wir im Lebensmittelladen an allem vorbei, was verpackt ist», so Vogler. Beeren im Offenverkauf zu kaufen, war nicht immer möglich, auch nicht beim Bauern. Auf Tetra Paks und PET-Flaschen hat die Familie so gut es geht verzichtet. «Auf null konnten wir jedoch nicht reduzieren, gerade in den Ferien.»

«Bei fast allen besteht der Restmüll mindestens zu einem Drittel aus Plastik. Ebenfalls ein Drittel machen Grünabfälle aus, die eigentlich in den Kompost gehören würden.»

Selina Wälti, Zero Waste Switzerland

Nicht immer ist es einfach, die bestmögliche Lösung zu finden. Beispielsweise stand die Familie vor der Frage, ob es bei der Milch sinnvoller wäre, von Tetra Pak auf Plastik- oder auf Glasflaschen umzusteigen. Da müsste man laut Vogler jedes Produkt separat analysieren zu Transportwegen, Abfüllort, Reinigung und so weiter, um die nachhaltigste Variante zu wählen. «Das ist komplex, und in den meisten Fällen fehlen schlechtweg die Informationen dazu.» Auch gänzlich auf Plastikverpackungen zu verzichten, sei schwierig. Beispielsweise bei Joghurts, Nudeln, Müeslis und Glacen.

Kompost und Plastik machen Grossteil des Güsels aus

Die grösste Herausforderung sieht auch Selina Wälti beim Plastik. Dieses zu recyceln, sei nicht immer möglich. «Aus diesem Grund besteht bei fast allen der Restmüll mindestens zu einem Drittel aus Plastik. Ebenfalls ein Drittel machen Grünabfälle aus, die eigentlich in den Kompost gehören würden.» Das letzte Drittel seien beispielsweise Papiertaschentücher, Pampers oder Ähnliches.

«Ich denke, auch durch starke Bemühungen ist Plastik nicht zu 100 Prozent zu eliminieren», so Wälti. Gerade Verpackungsplastik würde in riesigen Mengen anfallen, was auch heute noch kaum recycelt werden könne. Anders als feste Plastikbehälter wie Shampooflaschen oder Reinigungsmittel, die nicht im Güselsack landen sollten.

Sie alle haben sich in Kriens der Zero-Waste-Challenge gestellt. (Bild: zvg)

Im Schnitt bis zu 42 Prozent weniger Güsel

All die Bemühungen und Routinen wirken sich auf die Menge Güsel aus, der sich im Haus der Familie Vogler ansammelt. Mittlerweile vergeht mehr Zeit, bis ein ganzer Abfallsack gefüllt ist.

In den vergangenen sechs Monaten sammelten sich insgesamt 18 Kilo Restmüll für die dreiköpfige Familie an. Das ist deutlich weniger als der Schweizer Durchschnitt. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Umwelt produziert ein Schweizer alleine pro Jahr 698 Kilogramm Abfall.

Gemäss Selina Wälti haben die Familien ihren Güsel um 7 bis 69 Prozent reduziert. Der Durchschnitt aller sieben Haushalte, die am Projekt teilgenommen haben, lag bei 42 Prozent. Die meisten Familien hätten damit begonnen, Einkäufe mehr zu planen und Spontaneinkäufe zu vermeiden. Das hätte schon einen grossen Unterschied bei der Abfallmenge gemacht. Jede Familie habe individuelle Gewohnheiten geändert und im Alltag übernommen. «Das geht von Familien, die ihre Hygieneprodukte geändert haben und auf eine Marke umgestiegen sind, die sich wiederbefüllen lässt. Eine andere Familie macht nun ihre Pizza vom Pizzaboden bis zur Sugo selbst, wieder andere kaufen viel weniger ausländische Früchte und haben nun immer ihre Stoffsäcke und Mehrwegkaffeebecher dabei.»

Austausch mit anderen Kriensern

Durch die Challenge kam Nicole Vogler mit vielen Menschen aus ihrem Umfeld aufs Thema Abfall und Recycling zu sprechen. Mit den Krienserinnen, die sich ebenfalls der Herausforderung gestellt haben, tauschte sie sich aus, und alle teilten Tipps und Recherchen.

Doch frisst ein solches Projekt nicht viel Zeit? Dem widerspricht Vogler. «Ich bin überzeugt: Abfallreduktion passt in jedes Leben. Wichtig ist, einfach mal loszulegen und es einige Zeit durchzuziehen, bis sich gewisse Routinen etabliert haben.» Weniger Abfall zu produzieren, sei auch befreiend. «Auf unsere Ressourcen und unseren Planeten zu achten, ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir alle haben. Umweltschutz und Nachhaltigkeit fangen mit kleinen Schritten an – wenn jeder etwas tut, können wir viel bewirken.»

Selina Wälti erzählt von einer Familie, die sagte, dass das Thema Abfall und die Challenge familienbindend gewirkt hätten. «Abfall betrifft alle. Vom Kleinkind, das sich Gedanken über Spielzeug macht, über den Teenager, der gerne neue Kleider kauft, bis hin zu den Eltern. Alle können mitreden. So sei das Thema immer wieder Gespräch gewesen am Esstisch, und sie haben sich noch nie so intensiv mit Abfall auseinandergesetzt.»

Um das geht es gemäss Wälti auch. Dass man sich dem Abfall und den Mengen, die jeder von uns jährlich produziert, bewusst werde.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Thomas Lötscher
    Thomas Lötscher, 30.10.2023, 00:50 Uhr

    Wisst ihr vielleicht, Verpackungs Plastik im Jahr produziert wird!! Über 420 Tonnen??????

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    • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
      Hanspeter Flueckiger, 30.10.2023, 15:33 Uhr

      Es werden pro Jahr rund 500 Millliarden Plastiktüten verwendet. 17 Millionen Barrel Öl werden jedes Jahr für die Herstellung von Plastik verwendet. Pro Minute werden 1 Million Plastikflaschen gekauft. Nirgends auf der Welt gibt ein so gutes Abfallmanagement wie in der Schweiz. Die Plastikverschmutzung ist ein globales Problem. Bei der Grossverteiler können Sie praktisch kein Produkt kaufen, welches nicht in Plastik verpackt ist. Trotzdem gehört nicht die Schweiz zu den Umweltsünder. China, Russland, Indien, die USA sind diesbezüglich die führenden Nationen. Und wir wollen mit energetischen Haussanierungen das Klima retten. Jetzt noch GLP wählen und man hat es nicht verstanden.

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  • Profilfoto von Rosmarie luzi
    Rosmarie luzi, 29.10.2023, 11:21 Uhr

    Seit jahren lebe ich ds.idee.ich komme auf ähnliche resultate.eine tägliche herausforderung,macht jedoch sehr zufrieden.und geld lässt sich auch sparen.liebe grüsse!

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  • Profilfoto von flüma
    flüma, 29.10.2023, 08:34 Uhr

    Grünabfälle sind für mich kein Güsel, sie gehören nun mal in den Grüncontainer. Mein Mann und ich trennen seit Jahren ALLES. Gehen von Zeit zu Zeit in die Recyclinganlage mit Papier, Karton, Glas, Batterien etc. Ein 17L Abfallsack reicht 14 Tage.

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