Lager wuchs auf das Vierfache an

Altwarenhandel in Littau: Vom Hühnerstall in die Grossmatte

Die Geschwister Christos und Eleni Paravalos führen zusammen mit Benno Bucher (nicht auf dem Bild) den Altwarenhandel in der Littauer Grossmatte. (Bild: Elia Saeed)

In Littau gibt es ein neues Gebrauchtwarengeschäft. Der Altwarenhandel in der Grossmatte 12a bietet Schätze, mit denen sich Spezialisten eine goldene Nase verdienen können. Wir haben mit den Geschwistern Christos und Eleni Paravalos gesprochen.

Christos Paravalos führt zusammen mit seiner Schwester Eleni Paravalos und seinem Geschäftspartner Benno Bucher den Altwarenhandel in der Littauer Grossmatte. Seit letzten November öffnen die Zwischenhändler ihr Lager jeden Freitagnachmittag als Mischung zwischen Brockenstube und Antiquitäten-Boutique.

Der Geschäftssitz im Hühnerstall

Christos Paravalos, auch «Para» genannt, hat früher schon mit Trödel gehandelt. «Ich hatte einen kleinen Kombi mit Anhänger und habe Gratis-Sachen am Strassenrand zusammengetragen und gehortet», erzählt er im Gespräch mit zentralplus. «Der erste Geschäftssitz war ein Hühnerstall», sagt er und lacht. «Er hiess Geschäftssitz, weil ich nicht darin stehen, sondern nur sitzen konnte.»

Wenn er eine Mulde oder Alteisensammlung sieht, müsse er wissen, was drin ist. Teilweise habe es auch etwas Krankhaftes. Bei schönen oder noch nutzbaren Gegenständen könne er nicht zulassen, dass sie weggeworfen werden. «Wenn ich einen Teppich oder ein Pult sehe, dann sehe ich die wahnsinnig viele Arbeit, die dahinter steckt.»

Seit letzten November wird das Lager des Altwarenhandels jeden Freitagnachmittag bis abends als Laden geöffnet. (Bild: Elia Saeed)

Die Dinge haben oder sammeln will er nicht. Vielmehr fühlt sich Paravalos dem Material gegenüber verantwortlich und will ihm eine neue Chance geben. Durch seinen Handel mit Altwaren habe er gemerkt, «dass es so viele Sachen gibt, die kein Mensch will und für die Wertschätzung fehlt». Darum mache er es sich zur Aufgabe, Sachen an Menschen zu vermitteln, die daran Freude hätten.

Dabei seien neue Dimensionen für ihn aufgegangen. «Je tiefer ich diesen Materialflüssen nachging, desto mehr merkte ich, dass man nicht nur eine alte Tasse im Müll findet, sondern auch ein Fahrrad oder Töffli.» Der grösste Schatz, den Christos Paravalos einmal fand, war eine reine Goldmünze im Wert von 1'200 Franken im Altmetall. «Später habe ich gemerkt, dass es Leute gibt, die mich dafür bezahlen, dass ich ihren Abfall abhole.»

An der Quelle des Materials

Die meisten seiner Sachen erhält der Altwarenhandel gratis von Menschen, die ihre Wohnungen, Häuser oder Garagen räumen lassen. Immer mehr Leute denken an Paravalos, wenn es ans Ausmisten geht: Dessen Lager füllt sich nämlich in der Littauer Grossmatte 12a. Es wuchs in den letzten fünf Jahren auf das Vierfache an. «Wir haben uns ein Netzwerk aufgebaut und wissen mittlerweile genau, an wen wir welches Material weiterverkaufen können», sagt Paravalos. «Unsere Stärke ist, dass wir an der Quelle sind.» Das Geschäft läuft so gut, dass vor zwei Jahren seine Schwester als neue Mitarbeiterin und stellvertretende Geschäftsleiterin dazu stösst.

Eleni Paravalos nimmt die digitale Vermarktung des Altwarenhandels an die Hand. Durch die Pandemie-Zeit seien gewisse Kunden nicht mehr gekommen. «Dann haben wir angefangen, mehr Sachen auf den gängigen Internetplattformen zu verkaufen. Wir spürten, dass ein Bedürfnis da ist», sagt Christos Paravalos.

Fast zwei Drittel der Einnahmen stammen aus dem Onlinehandel. «Die grossen, schweren und teuren Sachen verkaufen wir eher im Internet», erklärt Eleni Paravalos. «Im Laden kaufen die Leute eher kleine Sachen.» Durch den gestärkten Internetauftritt hätten sie nicht mehr nach Material suchen müssen, «sondern das Material hat angefangen, uns zu suchen», so Christos Paravalos.

Erfahrungswerte für 200 Jahre

Im Gegensatz zu vergleichbaren Gebrauchtwarenläden können Sachen beim Altwarenhandel in Littau kostenlos eingeschätzt und auch verkauft werden. «Bei sämtlichen Gebrauchsgegenständen aus dem Haushalt kenne ich den Wert von den letzten 200 Jahren», sagt Christos Paravalos.

«Eine Person mit Ahnung kann bei uns eine Uhr für 30 Franken kaufen und vielleicht für 300 Franken weiterverkaufen.»

Eleni Paravalos

Mehr Mühe hat er mit Designer-Artikeln und Luxusmarken. Dafür sei er ein Experte für Bernstein. «Wir haben wöchentlich 30 Emails mit X Fotos und Anfragen zur Wert-Einschätzung», so Paravalos. «Das sind meist Sachen, die reichen nicht für ein Auktionshaus – und das wissen die Leute auch.» Viele wollten einfach eine Zweitmeinung und hätten eine sentimentale Verbindung mit den Gegenständen, aber keinen Platz zum hinstellen. «Sie finden auch meist, dass es zu schade wäre, es einfach einer Brockenstube zu schenken», ergänzt Eleni Paravalos.

Gegenstände, zu denen die ehemaligen Besitzer oft eine sentimentale Verbindung haben. (Bild: Elia Saeed)

«Ich habe oftmals festgestellt, dass Leute Vorurteile gegenüber Gross-Brockenhäusern haben, weil sie denken, dass Sachen dort verschachert werden», meint Christos Paravalos. Sehr oft seien die Leute gar nicht auf Geld angewiesen.

«Sie wollen einfach, dass die Sachen bei Menschen landen, die Freude daran haben und richtig behandeln», sagt Christos. Eleni Paravalos ergänzt: «Wir können den emotionalen Wert der Waren abdecken.» Ihr Lager besteht zu grossen Teilen aus antiquierten Gebrauchsgegenständen, Schmuck und Werkzeugen.

Ein Geschäft für die goldene Nase

«Es gibt auch Leute, die möglichst schnell Geld brauchen», erzählt Eleni Paravalos. In solchen Fällen würden sie auch mal aus Mitleid etwas kaufen und darauf hinweisen, dass die Leute mehr Geld machen können, wenn sie es woanders selbst verkaufen.

Darüber hinaus könnten sie auf Spezialisten in ihrem Netzwerk verweisen. «Eine Person mit Ahnung kann bei uns eine Uhr für 30 Franken kaufen und vielleicht für 300 Franken weiterverkaufen», sagt Paravalos. Da sie kein Fachgeschäft seien, könnten sich nicht auf alle Sachen spezialisiert sein. «Da sind wir transparent.» Darum stimme auch der Preis.

«Wenn ich einen vollen Dachstock sehe, dann fängt es an, zu kribbeln.»

Christos Paravalos

Christos Paravalos gefällt es, als Vermittler zu wirken. Es gebe Händler, die verdienen sich mit dem Altwarenhandel eine goldene Nase, weil sie die Sachen für ein Vielfaches weiterverkaufen können. Das gehöre zum Geschäft und sei kein Problem.

Den grössten Profit machen sie mit Sachen, bei denen sie nicht wissen, was es ist oder welchen Wert es hat. «Der Faktor Ungewiss bringt Geld», sagt Paravalos. Auch deshalb entstehe bei Räumungsaufträgen jeweils auch ein kleiner Goldrausch. «Wenn ich einen vollen Dachstock sehe, dann fängt es an, zu kribbeln.»

Das Öl im Getriebe der Branche

Bisher bot der Altwarenhandel auch Umzüge an. Doch dieses Angebot wird runter gefahren: Denn es bringe viel Arbeit mit sich, womit aber nicht viel verdient werden könne. Umso mehr Freude brächten Räumungsaktionen, auch wenn diese anstrengend seien. Schliesslich ist es da sehr staubig, sehr dreckig und es gibt sehr viel zu schleppen.

Dieser Aspekt sei aber auch ein Vorteil des Altwarenhandels, so Eleni Paravalos. «Die wenigsten, die Sachen verkaufen, gehen selbst in die Häuser rein und räumen mit ihren eigenen Händen aus.» Diese Arbeit sei in gewisser Weise das Öl im Getriebe ihrer Branche, weil so das Verkaufsmaterial zusammenkomme.

Bruch mit dem schlechten Ruf

Zusätzlich zu den Lagerverkäufen geht der Altwarenhandel auch an Flohmärkte, obwohl diese teilweise einen schlechten Ruf hätten. «Den versuchen wir zu brechen», sagt Paravalos, «indem wir ehrlich sind, den Leuten zuhören, faire Preise anbieten und verkaufen wollen».

Sie erhielten immer wieder Komplimente für ihren Stand mit den ausgewählten Sachen, erzählt Eleni Paravalos. Im Hinblick auf die Zukunft wolle das Team erst einmal abwarten, wie sich der Laden entwickle. Beide haben Familie mit Kindern. «Wir orientieren nicht ganz alles an der Nachfrage, sondern auch daran, was wir brauchen und wollen», sagt Christos Paravalos.

Fürs Erste freut er sich weiterhin darauf, Sachen zu sammeln, die nicht mehr gebraucht werden und es an Leute zu vermitteln, die es wollen.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Eleni und Christos Paravalos
  • Website des Altwarenhandels in Littau
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


3 Kommentare
  • Profilfoto von Lisa Carra
    Lisa Carra, 27.01.2023, 10:51 Uhr

    Die Grati-Sachen am Strassenrand einzusammeln finde ich unsozial.
    Gibt es doch Nachbarn oder Leute die darauf angewiesen sind, einen brauchbaren Gegenstand mitnehmen zu dürfen und sich daran erfreuen!

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔2Nachdenklich👎2Daumen runter
  • Profilfoto von Mathilde Bucher
    Mathilde Bucher, 27.01.2023, 04:03 Uhr

    Gutes Interview , guter Artikel

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von John Leimsieder
    John Leimsieder, 26.01.2023, 13:54 Uhr

    Den Wert und die Arbeit hinter gebrauchten Gegenständen zu sehen, das schärft uns aller Bewusstsein.
    Vielen Dank für den spannenden Artikel für eine sinnvolle Sache.

    👍1Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon