Trotz tieferer Bestände gibt es in Luzern Probleme

Darum gibt es heute massiv weniger Tauben als vor 20 Jahren

Sorgt dafür, dass die Tauben weniger werden in der Stadt: Monika Keller. (Bild: Adobe Stock/Stefan Kämpfen)

Bei einigen wecken sie Beschützerinstinkte, bei anderen gelten sie als Plagegeister. Tauben gehören in Luzern zum Stadtbild wie die Kapellbrücke oder die Museggmauer. Mit Plakaten geht die Stadt gegen die Taubenplage vor – und verringert die Anzahl Tiere merklich.

Vom Heiligen Geist zum Allesfresser, vom Friedensstifter zum Köter, vom Pöstler zum Krankheitsüberträger: Die Taube hat einen Wandel hingelegt, wie einst Saulus zum Paulus – einfach in der umgekehrten Reihenfolge.

Wenn wir schon bei Bibelsprüchen sind: Die Taube war früher ein gefeiertes Tier, bevor es sich in urbanen Gefilden niederliess, sich ausbreitete und durch seine Hinterlassenschaften zum öffentlichen Ärgernis wurde. Denn nicht nur in der Osterzeit verbindet der Mensch mit der Taube symbolische Bedeutungen. In der Antike nahm man an, dass die Taube keine Galle besitzt und sie deshalb von allem Bösen und Bitteren befreit sei. In Indien und bei einigen germanischen Stämmen ehrte man sie als Seelenvogel.

Im Christentum wurde mit der Taube der Heilige Geist symbolisiert, und im Judentum steht die Taube für Wehrlosigkeit, Reinheit und Lauterkeit. Wegen ihrer hervorragenden Orientierung wurde sie früher als Übermittlerin von Briefpost zweckentfremdet. Und an Olympischen Spielen wurde die Taube von 1920 bis 1988 bei Eröffnungsfeiern symbolisch freigelassen. Da man Tauben im Allgemeinen mit Liebe und Treue verbindet, sind sie auch an Hochzeiten beliebt.

2001 gab es noch 7000 Tauben in der Stadt – heute nicht mal mehr die Hälfte

Grundsätzlich gilt der gefiederte Überlebenskünstler als sanft, einfältig und unschuldig. Doch gerade beim letzten Attribut scheiden sich die Geister – zumindest in der Neuzeit. Denn mögen die kleinen, gurrenden und etwas ungeschickt wirkenden Vögel, die beim Laufen charakteristisch mit dem Kopf nach vorne und hinten wippen, auch noch so harmlos aussehen – sie haben es sprichwörtlich faustdick hinter den Ohren.

Denn abgesehen davon, dass ihre Ausscheidungen unappetitlich sind, beinhaltet ihr Kot Krankheitskeime, und in ihrem Gefieder leben Parasiten, die für den Menschen unangenehm werden können. Im Jahr 2000 gab es in der Stadt Luzern so viele von ihnen, dass man von einer Taubenplage sprach, die es zu kontrollieren und reduzieren galt.

«Tauben gelten zwar als Ratten der Lüfte, aber sie tragen nicht mehr Krankheitserreger in sich als andere Vögel.»

Monika Keller

Im 2001 wurde deshalb das Projekt «Stadttauben Luzern» ins Leben gerufen, das bis heute aktiv ist. Eine, die fast von Anfang an als Projektleiterin mitwirkt, ist die Biologin Monika Keller. Sie und der Taubenwart sorgten dafür, dass sich die Anzahl Stadttauben von circa 7000 Tiere im 2001 bis auf heute rund 2000 bis 3000 Tiere verringerte. Obwohl die Tauben in der Stadt Luzern regelmässig gezählt würden, handle es sich bei diesen Werten um reine Hochrechnungen, gibt Monika Keller zu verstehen.

Das Problem ist das Füttern der Stadttauben

zentralplus trifft die Biologin im Estrich des Rathauses, in dem sich einer von zwei Taubenschlägen der Stadt Luzern befindet. Der andere ist im Dach des ehemaligen Zeughauses und heutigen Museggmagazins. Sie erklärt die Funktion eines solchen Taubenschlags: «Hier können Tauben ein- und ausfliegen, brüten und schlafen. Sie stören hier nicht, und wir können die Population kontrollieren. Auch geben sie ihren Kot vor allem hier ab, wo er einfach beseitigt werden kann.»

Da aufgewirbelter Kot Krankheitskeime enthält, ist der Taubenschlag für Besucherinnen nur durch eine Glasscheibe einsehbar. Das ist mitunter auch ein Grund, weshalb grosse Populationen in der Stadt nicht gerne gesehen werden. «Tauben gelten zwar als Ratten der Lüfte, aber sie tragen nicht mehr Krankheitserreger in sich als andere Vögel», sagt Monika Keller.

«Es ist wichtig, dass diese Tiere möglichst wenig gefüttert werden. So brauchen sie Energie und Zeit, selbst Futter zu suchen, und pflanzen sich weniger häufig fort.»

Monika Keller

Sie fügt an: «Das Problem ist das Füttern der Stadttauben. An solchen Orten versammeln sich sehr viele Tiere dicht zusammen, weshalb da auch mehr Krankheiten übertragen werden können. Und – im Gegensatz zu vielen anderen Tieren – leben Stadttauben nahe beim Menschen, was die Gefahr einer Krankheitsübertragung auf den Menschen erhöht.» Grundsätzlich müsse man aber keine Angst vor Tauben haben, solange kein zu enger Kontakt zu ihnen bestehe oder Staub von Taubenkot eingeatmet werde, wenn man ihn beispielsweise auf dem Balkon beseitige. Hierfür empfiehlt sie eine Maske.

Tauben sind heute Allesfresser

Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass der Hauptansatz zur Reduktion der Stadttauben über das Futter gehe, so Monika Keller. «Das Futterangebot bestimmt die Anzahl Tauben in einer Stadt. Deshalb ist es wichtig, dass diese Tiere möglichst wenig gefüttert werden. So brauchen sie Energie und Zeit, selbst Futter zu suchen, und pflanzen sich weniger häufig fort.»

Auch wenn Menschen keine Tauben mehr füttern würden, gebe es in der Stadt Luzern trotzdem welche, denn sie seien sehr anpassungsfähig. Sie würden einfach neue Nahrungsquellen erschliessen und sich wieder selbst ernähren. «Tauben fressen von Natur aus Körner, aber seit sie als Kulturfolger in den Städten leben, haben sie sich zu Allesfressern weiterentwickelt, die Nahrungsresten jeder Art und sogar Erbrochenes zu sich nehmen», gibt Monika Keller zu Bedenken. 

Haben Taubenmütter und -väter einen Vogel?

Seit vielen Jahren versucht die Stadt Luzern, Menschen, die Tauben füttern, für solche Probleme zu sensibilisieren. Unter anderem gibt es regelmässige Plakataktionen, Medienarbeit, und es wurden auch schon Rezepte für die Verwertung von altem Brot abgegeben. Doch diese Bemühungen sind nicht immer von Erfolg gekrönt. Dabei würden Touristen nur einen kleinen Teil des Problems ausmachen, ist Monika Keller überzeugt.

«Beratungsresistent sind vor allem sogenannte Taubenmütter und -väter, die Stadttauben mit säckeweise Brot, gekauftem Reis oder anderen Körnern füttern. Sie fühlen sich für das Wohl der Stadttauben zuständig und nehmen diese Tiere manchmal sogar mit nach Hause. Mit solchen Leuten suchen wir das Gespräch, laden sie in Taubenschläge ein und versuchen, sie so zu überzeugen, Stadttauben nicht zu füttern», erzählt die Biologin.

Heute gibt es im Jagdgesetz sogar einen Passus, der besagt, dass das exzessive Füttern von Wildtieren einer Bewilligung bedarf. «Wir geben Taubenmüttern und -vätern zu verstehen, dass sie für ihr Verhalten eine Bewilligung beim Kanton beantragen müssen, die sie wohl kaum erhalten würden», sagt Monika Keller. Sie führt weiter aus, «dass auch schon die Polizei anrückte und solche Personen angezeigt werden mussten». Neuralgische Plätze in der Stadt Luzern sind vor allem der Schwanenplatz, der Bahnhofplatz und entlang der Reuss.

Vorläufer vom Poulet

Die Taube ist nicht ursprünglich hier heimisch. Sie stammt eigentlich aus dem Mittelmeerraum, wo sie vor allem in Felsnischen haust. Die alten Römer hielten Tauben als Haustiere, um ihren Kot als Dünger und das Tier selbst als Nahrungsmittel zu verwerten. «Das mag für viele sonderbar klingen, doch die Taube war der Vorläufer vom Poulet», sagt Keller.

«Früher hielten Bauern Tauben in Schlägen, damit sie zu einem Sonntagsbraten kamen. Und auch im Globus konnte man Taubenfleisch bestellen.» Allerdings hätten Untersuchungen gezeigt, dass Tauben, die in der Stadt leben würden, sehr viele Fremdstoffe in sich trügen, weshalb vom Verzehr abzuraten sei. «Obwohl genau das eigentlich eine nachhaltige Variante wäre, um die Stadttaubenpopulation einzudämmen», sagt Monika Keller mit einem Augenzwinkern.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Treffen mit Monika Keller, Natur- und Landschaftsschutz der Stadt Luzern im Taubenschlag des Stadtluzerner Rathauses
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Stärnä7bni
    Stärnä7bni, 30.03.2024, 11:07 Uhr

    Der Mensch is selber Schuld. Brieftauben hatten ausgedient und wurden ausgesetzt und nun is das halt so.
    Wir sind auch überbevölkert…. soll ich nun ein paar meiner Mitmenschen eliminieren?

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    • Profilfoto von Hanswurst
      Hanswurst, 30.03.2024, 13:45 Uhr

      Das Eliminieren ihrer Mitmenschen übernehmen andere: Russischer Überfall auf Ukraine, Völkermord in Gaza, blutige Konflikte in Myanmar, Somalia, Kongo, um einige aktuelle zu nennen. Frohe Ostern.

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  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 29.03.2024, 19:19 Uhr

    ca. 3500 sind immer noch zu viele. Sie haben kaum Fressfeinde, ergo müssen wir der Bestand Regeln. Sie essen kaum Käfer und sonstiges, sondern werden falsch gefüttert und das Littenring macht den rest.

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    • Profilfoto von Hanswurst
      Hanswurst, 29.03.2024, 23:54 Uhr

      Geschätzter Baldo – Stadtgrün müsste einfach künstliche Felsnischen für Wanderfalken einrichten, dann bessert das schon. Ist mit 320km/h im Sturzflug übrigens das schnellste Lebewesen.

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