Die Luzerner vor dem entscheidenden Barrage-Spiel

Fringer: «So kann der FCL die Anspannung verscheuchen»

Ein Bild von 2009: Der damalige FCL-Trainer Rolf Fringer (Mitte) wird nach dem Erreichen des Ligaerhalts von seinem Spieler Lukmon geduscht (rechts Assistent Petar Aleksandrov). (Bild: Daniela Frutiger/freshfocus)

Im Jahr 2009 hat der damalige Trainer Rolf Fringer den FC Luzern im Barrage-Rückspiel zum Ligaerhalt geführt. Am Sonntag steht der FCL wieder vor dieser Herausforderung. Fringer verrät, wie das Team mit dem riesigen Druck umgehen kann.

Der FCL hat am Donnerstag im Barrage-Hinspiel gegen den FC Schaffhausen bloss 2:2 gespielt. «Das war zu wenig», urteilte Luzerns Trainer Mario Frick hinterher (zentralplus berichtete). Siegt der FCL am Sonntag zu Hause gegen den FC Schaffhausen (16.30 Uhr), behauptet er seinen Platz in der Super League. Dieser gehört er seit 2006 an.

Verliert er aber, muss er zum ersten Mal seit 2003 wieder den Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Genau dieses katastrophale Szenario hat Rolf Fringer, der bei «Blue» als TV-Experte arbeitet, 2009 mit dem FCL verhindern können.

zentralplus: Rolf Fringer, wie beurteilen Sie die Leistung des FC Luzern beim 2:2 im Barrage-Hinspiel in Schaffhausen? FCL-Trainer Mario Frick übte sich nach Spielende in schonungsloser Kritik.

Rolf Fringer: Ja, er zeigte sich sehr kritisch. Ohne Kenntnis des Resultats hätte man meinen können, der FCL habe verloren. Mario Frick ist immer direkt und unverblümt. Schon in den letzten fünf Spielen hat er das gerne gemacht. Aber der Unterschied war, dass sein Team in der Schlussphase meistens ein gutes Resultat erreicht hatte. Für mich war seine Kritik eine Spur zu hart.

zentralplus: Warum?

Fringer: Weil man den psychologischen Aspekt einer Barrage nicht ausser Acht lassen darf. Der Super-Ligist kann nur verlieren, der Herausforderer nur gewinnen. Das setzt den FCL unter grossen Druck. Der FCL hat die Rückstände gegen YB und den FCZ wettmachen können, weil er ohne Druck spielen konnte. Der direkte Abstieg war gebannt, die Barrage das schlimmstmögliche Szenario. Aber es ist etwas anderes, in einer Barrage bestehen zu müssen. Der FC Schaffhausen hat sich zu einer Einheit verfestigt und spielte auf Kunstrasen. Da musste man ihn stark erwarten.

zentralplus: Aber zufriedenstellend war die Leistung der Luzerner nicht.

Fringer: Nein, der Auftritt war sicher nicht gut genug. Aber für mich kam es auch nicht unerwartet, dass sich der FCL in Schaffhausen schwertat. Wenn du zweimal führst und am Ende 2:2 spielst, dann kannst du als Super-Ligist nicht zufrieden sein.

«Das ist exakt der entscheidende Punkt. Kein Spieler darf zappelig, undiszipliniert oder übermotiviert sein.»

zentralplus: 2009 haben Sie den FCL mit einem 5:0 im Barrage-Rückspiel gegen Lugano vor dem Abstieg bewahrt. 13 Jahre später steht die Mannschaft wieder vor dem Zwang, liefern zu müssen. Was geht da in einem Team auf psychologischer Ebene ab?

Fringer: Eine gewisse Nervosität wird kein Spieler leugnen können, schliesslich geht es in diesem Spiel um Sein oder Nichtsein des Arbeitgebers. Die Unterstützung der Fans, die Heimstärke und die Dynamik im Stadion sind ein Vorteil für die Luzerner. Das muss im Bewusstsein dieser zumeist jungen Spieler verankert sein.

zentralplus: Aber besteht nicht auch die Gefahr, dass es der eine oder andere Spieler zu gut machen will?

Fringer: Das ist exakt der entscheidende Punkt. Kein Spieler darf zappelig, undiszipliniert oder übermotiviert sein. Jeder muss cool bleiben und seine Position diszipliniert interpretieren und entschlossen agieren bis zum Schluss.

zentralplus: Aber wie verankert der Trainer diesen Matchplan in den Köpfen der Spieler?

Fringer: Mario Frick wird diese Überzeugung in sich tragen und den Spielern vermitteln, wie er das immer getan hat. Die Mannschaft hat eine gute Entwicklung hinter sich. Sie hat das Recht dazu, mit breiter Brust zu agieren. So kann man die Anspannung verscheuchen.

zentralplus: Sind Sie sich sicher, dass der Heimvorteil für diesen zerbrechlichen FCL wirklich ein Vorteil ist? Der Erwartungshaltung einiger tausend Anhänger gilt es gerecht zu werden. Und das in einem Spiel, in welchem es um das sportliche Überleben geht.

Fringer: Ich denke schon, ja. Es ist ein Vorteil für den FCL, von Kunst- auf Naturrasen wechseln zu können. Und den jungen Spielern tut die Unterstützung durch das Publikum gut. Spieler und Publikum müssen sich bewusst sein, dass der FCL den Ligaerhalt auch in der letzten halben Stunde noch schaffen kann.

«Es gibt Spieler, mit denen man eher gewinnt, wenn sie auf dem Rasen stehen. Und dann gibt es die anderen.»

zentralplus: Das ist eine Analogie zu 2009.

Fringer: Stimmt. Wir waren nach meinem Jobantritt ja alle zusammen auf dem Titlis, um klarzumachen, dass wir in der Tabelle oben bleiben wollen. Wir machten Bilder und hängten sie im heute nicht mehr existierenden Allmend-Stadion auf. Jeder Einzelne von uns, ob Spieler oder Staff-Mitglied, musste sein schriftliches Commitment abgeben, dass er sich auf und neben dem Platz top seriös verhält, damit wir unser gemeinsames Ziel erreichen konnten. Und jeden Tag erinnerten uns diese Bilder an unsere Zielsetzung. Und ich wiederholte immer wieder, dass wir es auch noch in der letzten halben Stunde schaffen können.

zentralplus: So kam es auch.

Fringer: Erst kassierten wir eine Rote Karte in Lugano und konnten froh sein, nur 0:1 verloren zu haben. Als es in Luzern zur Pause im Barrage-Rückspiel 1:0 stand, ging ich in die Garderobe und sagte den Spielern, dass nun Gott sei Dank endlich der Moment gekommen sei, in welchem wir es schaffen würden. Weil wir es uns mit unserer Solidarität eben verdient hatten. Das hat allen die Angst genommen. Letztlich gewannen wir 5:0.

FCL-Trainer Rolf Fringer präsentiert nach dem siegreichen Barrage-Rückspiel gegen Lugano das Mannschaftsbild auf dem Titlis. (Daniela Frutiger/freshfocus)

zentralplus: Sie sagten nach den ersten beiden verlorenen Rückrunden-Spielen zu zentralplus, dass sich der FCL den Ligaerhalt verdienen müsse. Ist er Ihrem Anspruch gerecht geworden?

Fringer: Grundsätzlich ja, weil er ja haarscharf den direkten Ligaerhalt verpasste. Der FCL hat sportlich eine gute Entwicklung hinter sich. Ich sehe viele Parallelen zwischen diesem FCL und jenem von 2009. Viele Ersatzspieler haben heuer in der Rückrunde wichtige Tore für die Mannschaft erzielt. Für mich sind die Ersatzspieler fast wichtiger als der Stamm. Dieser spielt einfach. Aber die Ersatzspieler müssen Charakter zeigen und sich top verhalten.

zentralplus: Nicht alle Luzerner haben in Schaffhausen mit ihrer Spielweise so gewirkt, als hätten sie den Ernst der Lage begriffen. Ist bei der Aufstellung für Sonntag der Kopf wichtiger als die Qualität im Fuss?

Fringer: Es ist eine Kombination von beidem. Es gibt Spieler, mit denen man eher gewinnt, wenn sie auf dem Rasen stehen. Und dann gibt es die anderen. Der Trainer wird auf solche setzen, die schon in den Trainingsspielchen meistens zu den Siegern gehören. Am Sonntag wird es entscheidend sein, mental stabil, solid und robust aufzutreten.

zentralplus: Bereitet es Ihnen keine Sorgen, dass der FCL in dieser Saison in den wichtigsten Spielen zumeist scheiterte?

Fringer: Wer in der Rückrunde Platz 4 belegt und 29 Punkte in 18 Spielen geholt hat, kann nicht alle wichtigen Spiele aus der Hand gegeben haben. Deshalb bin ich weniger kritisch als Sie. Sorgen macht mir die Ausgangslage nicht. Aber wenn du führst, musst du dazu in der Lage sein, Ball und Gegner laufen zu lassen. Das heisst: Der FCL braucht eine Balance. Einfach nur nach vorne zu laufen bringt nichts. Der FCL muss seine Abwehrarbeit organisieren, die Spieler müssen miteinander reden und diszipliniert auftreten. Dann kommt es gut.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Mac Tanner (the first)
    Mac Tanner (the first), 28.05.2022, 18:05 Uhr

    Niemand ist so kritisch wie Herr Ineichen…er scheint erst zufrieden wenn der FCL absteigt, Frick entlassen wird und dann Celestini wiederkehrt….AMEN !

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