Hintergründe des Eklats im Zuger Gesundheitswesen

Wie der ärztliche Engpass in Oberägeri behoben wird

Statt einer Bank soll hier im November eine neue Gruppenpraxis ihre Tore öffnen, welche die Oberägerer medizinisch versorgt. (Bild: mam)

In Oberägeri gibt es einen Umbruch in der Gesundheitsversorgung. Weil die beiden Hausärzte im Pensionsalter sind, wird die Gemeinde aktiv, damit es auch in Zukunft im Dorf eine hausärztliche Grundversorgung gibt. Ist das der Hintergrund des Knatsches in der Zuger Gesundheitsdirektion?

Für Zug untypisch in seiner Heftigkeit war der Eklat im Gesundheitswesen während der Sommerferien. Der kantonale Heilmittelinspektor zeigte einen Hausarzt, den Gesundheitsdirektor und den Kantonsarzt an (zentralplus berichtete). Ersteren wegen Verstössen gegen das Gesundheits- und Betäubungsmittelgesetz und letztere wegen mutmasslichen Amtsmissbrauchs. Der langjährige Mitarbeiter der Gesundheitsdirektion wurde daraufhin von seinem Arbeitgeber freigestellt (zentralplus berichtete).

Wegen Leserbriefen in der Zuger Zeitung und einem Medienbericht von «Pilatustoday» ist mittlerweile bekannt, wo die Praxis ist, die der Heilmittelinspektor nach dem Willen seiner Vorgesetzten nicht – oder erst später – kontrollieren sollte: in Oberägeri.

Ende einer Ära steht bevor

Dort herrscht eine schwierige Situation. Es gab lange zwei Hausärzte und einen Kinderarzt. Der Kinderarzt ist weggezogen. Einer der beiden Hausärzte, Joachim Henggeler, praktizierte bis ins Alter von 74 Jahren. Er baute am Schluss das Xsundheitszentrum Ägerital auf, das jedoch seit Ende Juni geschlossen ist.

Der zweite Hausarzt, Emil Schalch, ist auch schon 67-jährig. Er übernahm im Juli die Patienten des Xundheitszentrums und hatte damit alle Hände voll zu tun, wie er am Samstag im Gemeindesaal Maienmatt an einer Informationsveranstaltung klarmachte.

Am 1. Oktober will neue Gruppenpraxis eröffnen

Schalch, der für die Zuger Ärztegesellschaft schon mit dem Aufbau der Notfallpraxis am Zuger Kantonsspital befasst war, ist die treibende Kraft hinter einem Projekt. Es soll die allgemeinmedizinische Gesundheitsversorgung mittelfristig sicherstellen und mit zusätzlichen Leistungen verbessern.

Geplant ist eine neue Gemeinschaftspraxis namens Gesundheitspunkt Oberägeri, welche am 1. Okober in den ehemaligen Räumlichkeiten der Raiffeisenbank öffnen soll. Raiffeisen hat die Öberägerer Geschäftsstelle vor kurzem geschlossen und sich auf die Präsenz in Unterägeri konzentriert.

Mehr Kompetenzen in Geriatrie und Pädiatrie

Der Gesundheitspunkt will neben allgemeinmedizinischen Leistungen auch Altersmedizin, Kinder- und Jugendmedizin und Kardiologie anbieten. Ein Kinderarzt werde immer wieder nachgefragt, sagt der Geimeinderat Paul Iten (Forum Oberägeri). Geriatrie ist naheliegend, da Oberägeri nicht nur ein eigenes Altersheim hat, sondern auch die Schwesterngemeinschaft Ländli ein eigenes Pflegeheim betreibt.

Schalch und sein im Publikum anwesender Kollege Henggeler, der ebenfalls in das Projekt eingebunden ist, erklärten dem Oberägerer Publikum den Wechsel von der Hausarztpraxis zum neuen Modell. Es soll weiter Hausbesuche geben und ein Hausarzt als persönlicher Ansprechspartner da sein. Dieser soll aber – dank moderner Technologien – zusätzliche Therapien vermitteln können.

Beratung und Ausbildung zum Nutzen der Gemeinde

Ausserdem will der Gesundheitspunkt niederschwellige Beratungsdienstleistungen anbieten, die im allgemeinen Interesse sind und in Richtung psychologische Betreuung gehen. Ausserdem möchte man Leute ausbilden, die Freiwilligenarbeit übernehmen – etwa bei Pro Senectute.

«Wir möchten auch, dass es im Dorf wieder eine Apotheke gibt.»

Paul Iten (Forum), Oberägerer Gemeinderat

Dies auch der Grund dafür, warum sich die Gemeinde am Projekt beteiligt: mit einer Defizitgarantie für maximal 300'000 Franken während der drei ersten Jahre. Für Leistungen, die nicht über das Tarifsystem Tarmed abgerechnet werden können.

«Dieses Geld soll aber nicht einfach so ausgeschüttet werden», so Paul Iten. «Wir sind derzeit am Verhandeln, welche Leistungen wie entschädigt werden.»

300'000 Franken an Gemeindegeldern veranschlagt

Der Plan kommt nur zustande, wenn das Oberägerer Stimmvolk an der Gemeindeversammlung vom 7. September 300'000 Franken für den Aufbau des Gesundheitspunkts bewilligt.

Der Oberägerer Gemeinderat leitet seine Zuständigkeit für die Gesundheitsgrundversorgung von einem Passus im Zuger Gesundheitsgesetz an. «Die Gemeinde ist dafür zuständig, dass es hier eine Schule gibt und die Wasserversorgung funktioniert», sagt Paul Iten. Für die Gesundheitsversorgung habe man bisher wenig unternommen, «deswegen investieren wir jetzt hier».

Insgesamt will Schalch rund 750'000 Franken in den Aufbau der Gruppenpraxis investieren. Ein Teil des Betrags kommt dem örtlichen Gewerbe in Form von Aufträgen zugute, hat man sich beim Gemeinderat ausgerechnet. Ausserdem würden so 10 bis 20 qualifizierte Abeitsplätze geschaffen.

Weitere Träume für die Zukunft

Der Plan des Gemeinderates geht aber noch weiter. «Wir möchten, dass es im Dorf wieder eine Apotheke gibt», so Iten. Eine solche gab es vor Jahrzehnten, auch die Unterägerer pilgerten dort hin. Heute ist die Situation umgekehrt – zum Medikamentenkauf müssen die Oberägerer ins bevölkerungsreichere Unterägeri fahren.

Dies ist aber noch Zukunftsmusik. Schalch ist dabei, eine Lösung auszuknobeln, wie man diese Apotheke in der einen oder anderen Form in den Gesundheitspunkt einbinden könnte – so wie es sich der Gemeinderat wünscht.

Die Ereignisse um den Heilmittelinspektor kamen am Samstag in Oberägeri überhaupt nicht zur Sprache. Schalch, den die Sache offenbar sehr mitgenommen hat, machte lediglich einige spitze Bemerkungen. Man gewinnt den Eindruck: Ein grosser Teil der Oberägererinnen und Oberägerer steht hinter ihren Hausärzten und möchte, dass es auch weiter eine Praxis im Dorf gibt.

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