Potenzial und Know-how wäre da

Weshalb die Gondeln das Flachland (noch) nicht erobern

In La Paz, Bolivien, gehören sie zum Strassenbild: Gondeln des Lufseilbahnetzes. (Bild: Doppelmayr)

Die Stadt Zug will die Idee einer urbanen Luftseilbahn prüfen. Weshalb kommt die Idee eigentlich gerade in der Schweiz – dem Land der tausend Gondelbahnen – nur schleppend voran?

Der Zuger Stadtrat nennt es «die Vision eines Luftseilbahnsystems auf den wichtigsten und publikumsintensivsten Pendlerstrecken von und in die Stadt Zug». Im Rahmen eines Mobilitätskonzepts soll das Potenzial eines Luftseilbahnsystems zwischen Cham, Baar, Steinhausen und Zug geprüft werden (zentralplus berichtete).

Euphorisiert ist der Stadtrat jedoch nicht: Ein solches System wäre sowohl städtebaulich als auch landschaftsschützerisch sowie technisch sehr anspruchsvoll und müsste «eine Vielzahl von Hürden überwinden, bis es verwirklicht werden könnte», räumt er selber ein.

Anspruchsvolle Bewilligungsverfahren

Damit hat der Stadtrat wohl recht. Andere Gondelbahnprojekte in der Schweiz kommen gar nicht oder nur mühsam vom Fleck (zentralplus berichtete). «Bewilligungsverfahren für Seilbahnprojekte im europäischen urbanen Umfeld sind sehr anspruchsvoll und haben sich dadurch noch nicht durchsetzen können», sagt Arno Inauen, CEO von Garaventa. Die Doppelmayr/Garaventa-Gruppe ist das weltweit führende Unternehmen im Bereich Pendel- und Standseilbahnen.

Inauen sieht dennoch grosses Potenzial in Seilbahnen in den Städten: «Eine Seilbahn als Transportlösung im urbanen Raum macht ergänzend zu bestehenden Systemen vor allem dann Sinn, wenn als Transportachse die ‹dritte Dimension› genutzt werden muss.» Dies weil Hindernisse wie Schluchten, Hügel, überbaute Flächen, Pärke, Flüsse oder Seen grossflächig überfahren werden müssen.

La Paz gewinnt 17 Tage im Jahr

Doch kann die Luftseilbahn auch tatsächlich einen Beitrag an den öffentlichen Verkehr leisten? Ja, meint Inauen: «Viel befahrene, überlastete Achsen können sinnvoll entlastet werden.» Die Seilbahn habe zahlreiche Eigenschaften, die Herausforderungen eines Verkehrssystems lösen können, wenn andere Verkehrsmittel an ihre Grenzen stossen.

Das Praxisbeispiel dazu sei die Stadt La Paz in Bolivien. Im Herbst 2019 stellte Doppelmayr/Garaventa dort das weltweit grösste Seilbahnnetz fertig. Dieses ist rund 31 km lang und besteht aus 10 Linien mit 26 Stationen und 1'396 Kabinen. Täglich sind rund 300'000 Personen auf diesem Netz unterwegs. «Eine Studie zeigte, dass die Pendler der Hauptlinie ‹Linea Amarilla› bis zu 17 Tage pro Jahr gewinnen, weil sie nicht mehr im Stau stehen», sagt Inauen.

Aus ökologischer Sicht verweist Inauen auf die Stadt Portland in den USA. Durch die 2007 eröffnete Luftseilbahn, genannt Aerial Tram, seien über 1'000 Tonnen Treibhausgas eingespart worden.

Standseilbahnen sind Kult

Aber zurück in die Schweiz. Während im alpinen Raum Standseil- und Luftseilbahnen seit jeher dazugehören, werden solche Projekte im Flachland oftmals nicht akzeptiert. Der Zuger Stadtrat etwa gibt zu bedenken, dass «die Privatsphäre einiger Einwohnerinnen und Einwohner durch Luftseilbahnen im städtischen Umfeld massiv tangiert» würde.

«In Schweizer Städten sind viele Standseilbahnen im Einsatz, die ebenfalls als urbane Seilbahnen gelten und schon fast Kulturgut sind.»

Arno Inauen, CEO von Garaventa

Laufende Seilbahnprojekte, etwa vom Bahnhof Stettbach zum Zoo Zürich, in Baden, Genf oder Sion, sind mit einer Vielzahl an Einsprachen von Anwohnern und Interessengruppen konfrontiert. «Was man aber oft vergisst: In Schweizer Städten sind viele Standseilbahnen im Einsatz, die ebenfalls als urbane Seilbahnen gelten und schon fast Kulturgut sind», sagt Inauen. «Ich denke da an die Standseilbahn beim Bahnhof Lugano, an die Marzilibahn in Bern oder die Polybahn in Zürich.»

Gut möglich, dass die Gondelbahnen, erst wenn sie tatsächlich da sind, die Herzen der Bevölkerung erobern. Ein Beispiel dafür wäre die Luftseilbahn im Berliner Stadtteil Marzahn. Die 1,5 Kilometer lange Gondelbahn wurde ursprünglich für eine internationale Gartenausstellung realisiert. Die Bahn erfreut sich mittlerweile aber so grosser Beliebtheit, dass sie Teil des ÖV-Netzes der Grossstadt werden soll.

Die Zuger Vision soll in einer Vorstudie geprüft werden. Zunächst muss das Parlament den Antrag des Stadtrates aber noch absegnen.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von B Suter
    B Suter, 04.05.2020, 21:41 Uhr

    Eine Sesselbahn direkt vom oberen Stock des Bahnhofs via Uni, über den Hafen, bei der Ufschötti der Strasse entlang bis zur Kantonsschule Alpenquai wär doch was. Würde die überlasteten Busse beheben und wäre für Touristen und Ufschötti ausflügler eine Attraktion.

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    • Profilfoto von Luzerner
      Luzerner, 05.05.2020, 08:49 Uhr

      Nein Danke!!
      Dann lieber in ein Metro Netz Investieren, das Geld wäre Vorhanden, weniger Sichtbar und sicherlich Verkehrs entlastender als eine Seilbahn. Dazu kann man eine U-Bahn besser und Sinnvoller ausbauen und womöglich mit S-Bahn und neuem Unterirdischem Bahnhof Luzern verbinden?

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    • Profilfoto von B Suter
      B Suter, 05.05.2020, 21:21 Uhr

      Naja, das eine ist eine Attraktion mit netten Nebeneffekt kostet vielleicht ein paar Millionen, wird sicher rentieren und in paar Jahren im Herzen jedes Luzerners schlagen. Das andere ist ein Milliardenprojekt, dessen Erfolg mehr als Fragwürdig ist.

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