Politik
Resultat von Listenverbindungen

Luzerner Politologin: SP erbt den Wackel-Sitz der GLP

Die SVP mag ob dem Resultat nicht so recht feiern. Eigentlich hätte sie auf einen dritten Sitz gehofft. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Die SP Luzern legt nur 0,1 Prozent an Parteistärke zu – dennoch gewinnt sie einen zweiten Nationalratssitz. Politologin Zora Föhn erklärt, was hinter dem Coup steckt. Und in welchem Szenario die SVP den dritten Sitz wohl gewonnen hätte.

Arm in Arm lachen die neugewählten SP-Nationalräte David Roth und Hasan Candan den Leserinnen von Zeitungen landauf, landab entgegen. Sie sind die Gesichter der Luzerner Wahlen 2023. In einer überraschenden Wende nach Zählung der Stadt Luzern gewinnt nicht wie erwartet die SVP einen Sitz hinzu, sondern die SP (zentralplus berichtete). Den Sitz luchst sie ausgerechnet der Listenpartnerin GLP ab, deren Nationalrat Roland Fischer nach 2015 nun erneut seinen Posten räumen muss.

Der SP-Sieg hat auch Zora Föhn überrascht. Sie ist Politologin von Interface Luzern. «Vor allem, weil es ein historischer Sieg ist. Bisher hatte die Luzerner SP noch nie zwei Nationalratssitze.» Andererseits auch, weil die SVP klar gewonnen habe und es lange so aussah, als würden sie einen dritten Sitz machen.

Die Politologin Zora Föhn arbeitet bei Interface in Luzern. Ihr Schwerpunkt ist die Gesundheitsversorgung. (Bild: zvg)

Durch Listenverbindung blieb der Sitz bei den Linken

Es kam aber bekanntlich anders. Mit einem Plus von 0,1 Prozent an Parteistärke angelt sich die SP den zweiten Sitz. «Sie konnten mit der aktuellen Themenkonjunktur besser mobilisieren als noch vor vier Jahren», sagt Föhn dazu. Themen wie die steigenden Krankenkassenprämien, die Wohnungsknappheit oder die sinkende Kaufkraft spielten den Genossen in die Karten. Zudem waren die letzten vier Jahre von Krisen geprägt. «Krisen begünstigen eher Pol-Parteien.» Das zeige sich auch in den Gewinnen der SVP.

Vor allem entscheidend war jedoch die Listenverbindung mit der GLP. «Die 6,5 Prozent der GLP haben sich an ihre Listenpartner, die Grünen und die SP verteilt. Durch diese konnte die SP den zusätzlichen Sitz gewinnen», so Föhn. Dass die Listenverbindung zum Nachteil der GLP ging, würde sie trotzdem nicht sagen. «Es war eine gescheite Listenverbindung der linken Kräfte. Sie war vor allem zum Nachteil der konservativen Kräfte.» Somit gingen ihre Stimmen nicht verloren, sondern kamen dem linken Block zugute. Diese Einschätzung teilen anscheinend auch GLP-Politiker. So schreibt etwa GLP-Kantonsrat Mario Cozzio auf Twitter/X:

SVP hätte wohl von Listenverbindung mit der FDP profitiert

In diesen Wahlen haben die Listenverbindungen eine sehr grosse Rolle gespielt. Nicht zum ersten Mal. «Vergangene Wahlen haben gezeigt, dass Listenverbindungen für den Wahlausgang fast den grösseren Einfluss haben als der Wahlkampf selbst», so Föhn. Deren Bedeutung hat die SVP deutlich zu spüren bekommen. So schreibt die Luzerner SVP in einer Medienmitteilung kurz nach den Wahlen, dass sie den dritten Nationalratssitz nur wegen der Listenverbindungen verpasst haben und plädieren einmal mehr für deren Abschaffung.

Die Suche nach Listenpartnern gestaltet sich für die SVP generell schwer (zentralplus berichtete). In diesem Jahr hatten sie eine mit ihrer Jungpartei, «Mass-Voll», einer Senioren- und einer Bauernliste. «Wäre die SVP eine Listenverbindung mit der FDP eingegangen, hätten die Wahlen anders aussehen können», sagt Föhn dazu. Denn die FDP und die SVP vereinen zusammen rund 41 Prozent aller Stimmen auf sich, die SP, Grüne und GLP zusammen rund 28 Prozent. In Luzern mit seinen neun Nationalratssitzen benötigen die Parteien rund 11 Prozent, um einen Sitz zu ergattern.

Nähme man die Listenverbindungen ganz aus dem Spiel, würde die Berechnung noch knapper. Doch da die SVP einen fast doppelt so hohen Wähleranteil als die SP habe, könne sie sich gut vorstellen, dass sie in diesem Fall den dritten Sitz gemacht hätten.

Sitz ist nicht sicher

Nun kann sich stattdessen die SP an einem zusätzlichen Sitz erfreuen. Wie lange, ist jedoch nicht sicher. «Es ist unklar, ob sie den Sitz bei den nächsten Wahlen halten können», sagt Föhn. Das hänge von vielen Faktoren ab, die derzeit nicht vorhersehbar seien. In diesem Jahr sei sehr vieles für die SP gelaufen, beispielsweise die Themenkonjunktur, die Airbnb-Initiative oder die Wahl von Ylfete Fanaj (SP) als Regierungsrätin.

Trotzdem ist das nicht unbedingt typisch für den Kanton Luzern, der historisch eher konservativ ist. Bei den nächsten Wahlen hilft ihnen sicher der Bisherigen-Bonus. Doch wie der Fall von Roland Fischer (GLP) bei den Wahlen 2015 und 2023 oder auch Peter Schilliger (FDP) bei den Wahlen 2019 zeigt, ist das kein Garant auf den Sitz.

Mit dem Sitzgewinn der SP ändere sich aber nicht viel in Bern, so Föhn. «Der eine Sitz, der von der GLP an die SP geht, ist sicher schön für die Partei. Im tatsächlichen Ausgang der nationalen Wahlen ändert sich aber wenig.» Die grosse Veränderung im Rat komme durch die Sitzgewinne der SVP zustande. Denn obwohl es im Kanton Luzern nicht für den zusätzlichen Sitz gereicht hat, hat diese national neun Sitze dazugewonnen.

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