Überraschend zieht die SP mit Hasan Candan und David Roth in den Nationalrat ein. Letzterer spricht von einem «grundlegenden Wandel» im Kanton. Seine Parteikollegin und Luzerner Regierungsrätin Ylfete Fanaj sieht das kritischer.
Als die Türen des Ritterschen Palastes aufschwingen, gibt es kein Halten mehr. Eine breite Front an SP-Mitgliedern und Sympathisanten jubeln wie wild. In der Mitte stehen David Roth und Hasan Candan Arm in Arm. Gemeinsam wurden die beiden in den Nationalrat gewählt.
Ebenfalls im Zentrum der jubelnden Menge steht Ylfete Fanaj. Die Regierungsrätin schaffte diesen Frühling den Sprung in die Exekutive und gab der SP dort nach acht Jahren Unterbruch wieder eine Stimme. Sie sagt: «Es ist ein super Jahr für die SP in Luzern.» Ihre beiden «Weggefährten» David Roth und Hasan Candan strahlt sie an, als die Menge sie hochleben lässt.
Die SP wird zur Wahlsiegerin
Dabei sah es während des Wahltags lange anders aus. Bis zuletzt lag die SVP vorne, im Regierungsgebäude rechnete man damit, dass sie den Linken einen Sitz abnehmen und drei Nationalräte nach Bern schicken würde. Dann folgte die Auszählung der Stadtluzerner Stimmen, und alles verschob sich. Die GLP verlor einen Sitz, doch nicht an die SVP, sondern an die SP.
Nachdem die SP bei den vergangenen beiden nationalen Wahlen jeweils knapp am zweiten Sitz vorbeigeschrammt ist, ist der Coup jetzt geglückt. Damit hätte selbst der frisch gewählte Nationalrat David Roth nicht gerechnet. «Ich habe ein paar Wochen vor der Wahl gesagt, es könnte für zwei Sitze langen. Aber als die SVP in den Umfragen gestiegen ist, bekam selbst ich Zweifel.»
«Das Präsidium der SP Schweiz konnte es kaum fassen, dass wir aus Luzern zwei Sitze für die SP abliefern können.»
David Roth, gewählter Nationalrat (SP)
Dass es nun anders gekommen ist, hat auch auf Bundesebene für Überraschung gesorgt. «Das Präsidium der SP Schweiz konnte es kaum fassen, dass wir aus Luzern zwei Sitze für die SP abliefern können», erzählt David Roth. Für ihn sei die Wahl ein Zeichen für einen «grundlegenden» Wandel im Kanton Luzern.
Ein Wandel im Kanton Luzern?
Der frisch gewählte Nationalrat und Präsident der SP Luzern sagt: «Wir verändern den Kanton Luzern hin zu einem progressiven Kanton, in dem Solidarität und Toleranz wichtig wird.» Dabei würden Hunderte Menschen helfen, die der Partei auch in den Landgemeinden ein «vertrauensvolles Gesicht» geben.
«Der Kanton Luzern bleibt immer noch bürgerlich, auch wenn er jetzt ein wenig linker geworden ist.»
Ylfete Fanaj, Regierungsrätin Luzern (SP)
Die Regierungsrätin Ylfete Fanaj, die mit Roth und Candan lange im Kantonsrat sass, sieht das ein Stück weit kritischer. «Der Kanton Luzern bleibt immer noch bürgerlich, auch wenn er jetzt ein wenig linker geworden ist.» Sie freue sich natürlich über den Sitzgewinn. Trotzdem brauche es für die SP noch «etwas Zeit», um auch auf dem Land stärker zu werden.
Hasan Candan kann sein Glück nicht fassen
Einer, der in der Stadt Luzern lebt und im Wahlkampf besonders dort präsent war, ist Hasan Candan. «Mir war wichtig, dass ich auf allen Kanälen sichtbar bin. Auf Plakaten, in Bussen und digital.» Sein Glück darüber, dass es für ein Ticket nach Bern gereicht hat, kann er am Wahltag «kaum in Worte fassen». Für ihn sei die Wahl «Anerkennung und Bestätigung für eine solidarische und linke Politik».
Der junge Vater aus dem Tribschen-Quartier will in Bern Randgruppen eine Stimme geben. Menschen mit Migrationshintergrund, Leute, die in der Pflege schaffen, in der Kinderbetreuung oder in sozialen Einrichtungen: Sie alle würden von der Politik nicht die Anerkennung erhalten, die sie verdienen. «Ich werde mich in Bern dafür einsetzen, dass das in vier Jahren anders aussieht.»
«Meine Wahl ist ein Zeichen, dass die Schweiz gleiche Chancen bietet.»
Hasan Candan, gewählter Nationalrat (SP)
Hasan Candan habe selbst einen Migrationshintergrund, wie er erzählt. Sein Vater stammt aus der Türkei, seine Mutter aus der Schweiz. «Meine Wahl ist ein Zeichen, dass die Schweiz gleiche Chancen bietet», sagt Candan, der Doppelbürger ist. Stellvertretend dafür steht auch seine Parteikollegin und heutige Regierungsrätin Ylfete Fanaj, die als Kind aus dem Kosovo in die Schweiz kam.
Dafür wollen sich die Nationalräte einsetzen
Was in Bern auf dem Plan steht? «Wir müssen sicherstellen, dass Menschen in dem Land keine Sorgen mehr haben, ob das Geld im nächsten Monat noch langt», sagt David Roth. Nur so könnten Krisen wie der Klimawandel bewältigt werden. Hasan Candan möchte sich auch für eine intakte Natur einsetzen. «Für eine gerechte und solidarische Schweiz müssen alle Menschen Zugang haben zu den natürlichen Ressourcen.»
Dass es nicht leicht wird, diese Ziele in Bern umzusetzen, ist den beiden bewusst. Roth fühlt sich aber gewappnet. «Ich kenne es, aus einer Minderheit politischen Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen. Das ist im nationalen Parlament, das rechter geworden ist, sicher nicht schlecht.» Hasan Candan ergänzt: «In Bern kommt viel Arbeit auf uns zu, aber wir sind topmotiviert.»
- Gespräch mit Hasan Candan
- Gespräch mit Ylfete Fanaj
- Gespräch mit David Roth