Viel Kritik an der Planung des Kantons

Luzern: Neues Strassenbauprogramm bekommt sein Fett weg

Auf Luzerns Strassen gibt es viel zu tun. (Bild: Symbolbild zvg)

Vorsicht Baustelle: Der Kanton Luzern plant seine Strassenbauprojekte der nächsten vier Jahre. Der Entwurf für das Strassenbauprogramm erntet viel Kritik. Auch weil es auf Grundlagen beruht, die schon in Kürze veraltet sein könnten.

Sie sind die Hauptverkehrsachsen, die durch unsere Städte und Dörfer führen: die Kantonsstrassen. Rund 523 Kilometer lang ist das Luzerner Kantonsstrassennetz – und es gibt immer etwas zu tun. Wo, wann und was genau der Kanton auf den Kantonsstrassen sanieren, erweitern, umgestalten oder sonst wie anpacken wird, ist dem kantonalen Strassenbauprogramm zu entnehmen.

Nun geht es darum, welche Baustellen der Kanton in den Jahren 2023 bis 2026 angeht oder dies zumindest plant. Eines vorweg: So richtig glücklich ist keiner der Interessenvertreter, die sich zum Entwurf des nächsten Bauprogramms äussern konnten.

Trockenes Dokument mit Sprengkraft

Das Strassenbauprogramm muss man, zumindest rein visuell, als staubtrockenes Behördendokument bezeichnen. Das Programm kommt als charmelose, fünfseitige Tabelle daher. Stichwortartig sind darin die verschiedenen Bauvorhaben, deren Kosten und Priorität aufgelistet.

Zur Erinnerung: Alle angedachten Projekte werden einem von drei «Töpfen» zugeordnet. Im Topf A befinden sich jene Projekte, die der Kanton zwischen 2023 und 2026 umsetzen und/oder planen will. Im Topf B sind alle Projekte, die zwar geplant, aber noch nicht umgesetzt werden sollen. Topf C ist quasi die Ersatzbank. Sprich es sind Projekte, die erst später angegangen werden.

So nüchtern das Ganze daherkommt: Praktisch jedes Strassenbauprogramm sorgt politisch für einigen Wirbel. Das aktuelle ist keine Ausnahme – im Gegenteil.

Das Timing ist schlecht

Soeben endete das Vernehmlassungsverfahren zum Entwurf des nächsten Bauprogramms. Man hat politische Parteien und weitere interessierte Kreise dazu eingeladen, sich zum Entwurf zu äussern. Eine Auswertung der Vernehmlassungsantworten widerspiegelt ein zunehmend hartes Seilziehen um die politische Ausrichtung des Bauprogramms.

Das grösste Problem des vorliegenden Entwurfs ist aber wahrscheinlich sein schlechtes Timing. Das ist offensichtlich auch dem Kanton bewusst. Bereits in der Medienmitteilung zum Start der Vernehmlassung weist er darauf hin, dass sich praktisch alle «wichtigen strategischen Planungsinstrumente und Planungsgrundlagen» für die Erarbeitung des Bauprogramms in Revision oder Erarbeitung befinden. Dazu gehören die neue kantonale Mobilitätsstrategie «Zukunft Mobilität im Kanton Luzern», der Kantonale Richtplan, der ÖV-Bericht sowie der Planungsbericht Klima und Energie.

Die Konsequenz: Der vorliegende Entwurf basiert auf den aktuell gültigen behördenverbindlichen strategischen Grundlagen. Grundlagen, die aber schon in naher Zukunft veraltet sein könnten. Klar, dass dieser Umstand nicht viel Euphorie auslöst.

VCS: An den Zielen des Kantons vorbeigeschossen

Für den Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) ist es beispielsweise klar, dass ein Bauprogramm unter dem Motto «weiter wie bisher» keinen Sinn ergibt: Er fordert, das Strassenbauprogramm 2023 bis 2026 zurückzuweisen und die Priorisierung der Projekte nach Klimaschutzkriterien neu vorzunehmen. Das schreibt der Verband in einer Mitteilung: «Es sollen nur jene Projekte realisiert werden, die dazu beitragen, Verkehr zu vermeiden, zu verlagern, verträglicher zu machen oder der Vernetzung dienen.»

«Insbesondere mit Blick auf die Stossrichtung Mobilitätsstrategie ‹Zukunft Mobilität im Kanton Luzern› wirft dieses Bauprogramm Fragen auf.»

Michael Töngi, VCS Präsident

Der VCS fordert, dass der Kanton jedes Projekt mit folgenden Kriterien bewertet und priorisiert: Welchen Beitrag leistet ein Projekt zur Vermeidung von Verkehr, welchen Beitrag zur Verlagerung des MIV auf den ÖV – und damit zur Senkung des CO2-Ausstosses? Welche Projekte helfen, den Verkehr verträglicher zu machen?

«Insbesondere mit Blick auf die Stossrichtung Mobilitätsstrategie ‹Zukunft Mobilität im Kanton Luzern› wirft dieses Bauprogramm Fragen auf», sagt VCS-Präsident Michael Töngi auf Anfrage. «Der Entwurf der Mobilitätsstrategie sieht eine Prüfung von Strassenbauprojekten auf deren tatsächlichen Nutzen vor. Eine solche Prüfung ist der Auswahl an Projekten im vorliegenden Bauprogramm nicht zu entnehmen.»

Grüne: Bauprogramm ist «verstaubt und klimaschädlich»

Gleich sehen es auch die Grünen. Der Entwurf des Bauprogramms sei «ein verstaubtes, klimaschädliches» Papier. «Mit viel Geld will der Kanton die Kapazität für das Auto weiter ausbauen, als gäbe es weder Klimakrise noch moderne Verkehrsplanung», heisst es in der entsprechenden Mitteilung. Auch sie plädieren für eine Rückweisung. Es sind aber vor allem zwei Aspekte, an denen sich die Grünen stören. Zum einen, dass der Umsetzung des Radroutenkonzepts zu wenig Gewicht beigemessen wird.

«Der vorliegende Entwurf untergräbt die eigenen Ziele des Kantons.»

Korintha Bärtsch, Co-Fraktionschefin der Grünen im Kantonsrat

Zum anderen kritisieren die Grünen, dass die zu sanierenden Abschnitte von Kantonsstrassen in der Regel auf die maximal zulässige Grösse ausgebaut werden sollen. «Die Leistungsfähigkeit des MIV wird so erhöht und es werden falsche Anreize geschaffen. Indem das Strassennetz ausgebaut und attraktiver gestaltet wird, wird das Umsteigen vom MIV auf eine klimaschonendere und flächeneffizientere Alternative verhindert», so die Kritik. «Der vorliegende Entwurf untergräbt die eigenen Ziele des Kantons. Er ist neu aufzulegen», wird Korintha Bärtsch, Co-Fraktionschefin der Grünen im Kantonsrat, zitiert.

Viel zu hoher Kostenüberhang aus früheren Projekten

Zumindest in Bezug auf das Velonetz haben die Grünen und die Mitte das Heu auf der gleichen Bühne. Auch die Mitte fordert, dass die Lücken im Radroutennetz schnellstmöglich geschlossen werden.

«Wir sind der festen Überzeugung, dass das Klimaziel Netto-Null bis 2050 nichts an der Situation auf der Strasse verändert.»

Aus der Stellungnahme der FDP

Kritik übt die Mitte jedoch eher an dem hohen Kostenüberhang von Projekten aus Vorjahren, die sich verzögert oder verteuert haben oder mit Mehraufwand verbunden waren. Die Partei rechnet vor, dass sich dieser Kostenüberhang mittlerweile auf rund 100 Millionen Franken beläuft. «Wir weisen darauf hin, dass dies zurzeit ein untragbarer Zustand ist und dass alles unternommen werden muss, um diesen Überhang abzubauen», heisst es in der Stellungnahme dazu.

Bürgerliche: MIV nicht weiter einschränken

Von deren Seite her rührt die Kritik der FDP. Von bewussten Anstrengungen zur Verlagerung des Verkehrs zugunsten des ÖV und des Langsamverkehrs wollen die Liberalen nichts wissen: «Wir setzen voraus, dass kein Verkehrsmittel dem anderen vorgezogen wird», heisst es in der Stellungnahme der Partei. Ihr Argument: «Wir sind der festen Überzeugung, dass das Klimaziel Netto-Null bis 2050 nichts an der Situation auf der Strasse verändert – Strassen werden gebraucht. Die Antriebsform der Fahrzeuge wird sich zu Gunsten des Klimas
verändern.»

Die konkrete Kritik der FDP am vorgeschlagenen Strassenbauprogramm bezieht sich derweil darauf, dass dieser einem Flickenteppich gleichkommt. Zwar würden viele einzelne Teilstrecken saniert, jedoch erkenne die Partei kaum «ganzheitliche Lösungsansätze für eine ganze Region».

Auch der SVP fehlen die «grossen Würfe», wie in ihrer Stellungnahme zu lesen ist. Die Projekte beschränken sich meist auf das Nachführen auf die aktuellen Normen, den Umbau der Knoten, die Erhöhung der Sicherheit und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Langsamverkehr, so das Assessment der SVP. «Die Zahl der Projekte, welche wirklich auch die Leistungsfähigkeit der Strasse erhöhen wollen, lässt sich selbst auf der Landschaft an wenigen Fingern abzählen», kritisiert die SVP. Sie erwartet, «dass im Rahmen des Gegenvorschlags zur Antistauinitiative hier ein klares Bekenntnis abgegeben wird, dass solche Projekte möglich sein müssen.»

Bushaltestellen endlich behindertengerecht machen

Die SP legt ihren Fokus derweil unter anderem auf die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes und fordert die Sanierung aller Bushaltestellen bis 2026. Die SP verweist darauf, dass bis 2023 erst 129 der 671 Haltestellen hindernisfrei benutzbar sind. «Aus diesem Grund beantragen wir, dass die Bushaltestellen im Kanton Luzern bis 2026 gemäss Behindertengleichstellungsgesetz saniert und hindernisfrei benutzt werden können.» Dies müsse umso mehr umgesetzt werden, weil die bundesrechtlichen Vorgaben schon seit 2004 bestehen. Das vorliegende Bauprogramm muss dementsprechend angepasst werden.

Auch die SP fordert mehr Gewicht für Projekte, «welche einen hohen Nutzen für den öffentlichen Verkehr und/oder den Rad- oder Fussverkehr bedeuten». Solche Projekte sollen nach Möglichkeiten früher als vorgesehen umgesetzt werden, «da sie zur Erreichung der Klima- und Umweltzielen eine hohe Bedeutung erlangen».

«Verlorenes» Projekt kehrt zurück

Aber was steht denn nun konkret in diesem Programm? Der Entwurf ist weiterhin auf der Website des Kantons zu finden. Mit Blick auf die Stadt Luzern fallen einige der aufgeführten Projekte ins Auge. Beispielsweise befindet sich die Umgestaltung der Bushaltestellenperrons beim Bahnhof nun im prioritären Topf A. 2018 wurde das Projekt noch auf unbestimmte Zeit verschoben (zentralplus berichtete). Das Projekt ist mit Kosten von rund 8,5 Millionen Franken verbunden.

Auch die langersehnte durchgehende Busspur zwischen Kriens, Luzern und Ebikon soll in der Planung weiter vorangetrieben werden. Aber auch entlang der Baselstrasse sind zwischen Kreuzstutz und Gütsch sollen Verbesserungen vorgenommen werden. Konkret sind Massnahmen für den öffentlichen und den Langsamverkehr geplant. Dies in Koordination mit der dringend nötigen Sanierung der Strasse (zentralplus berichtete).

Luzerner Kantonsrat entscheidet Ende Jahr

Das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement wird die Ergebnisse der Vernehmlassung nun auswerten und den Entwurf des Bauprogramms bereinigen, um diese dem Regierungsrat anschliessend zur Verabschiedung an den
Kantonsrat zu unterbreiten.

Über die definitive Aufnahme und die Zuordnung der einzelnen Projekte in die Töpfe A, B oder C wird der Kantonsrat voraussichtlich Ende 2022 befinden.

Verwendete Quellen
  • Stellungnahmen und Mitteilungen der Parteien und Verbände zur Vernehmlassung
  • Telefongespräch mit VCS-Präsident Michael Töngi
  • Website des Kantons zur Vernehmlassung
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