Ein Jahr nach der Gesamterneuerung

Krienser Stadtrat: Frischer Wind oder laues Lüftchen?

Stadtschreiber Guido Solari (ganz links) und die fünf Krienser Stadträte (v. l. n. r.): Marco Frauenknecht, Cla Büchi, Christine Kaufmann-Wolf, Maurus Frey und Roger Erni.

Genau vor einem Jahr hat der neue Stadtrat in Kriens seine Arbeit aufgenommen. zentralplus ist der Frage nachgegangen, was von der damaligen Aufbruchstimmung geblieben ist.

Gross war die Hoffnung, frech das Versprechen: Das Komitee «Frischer Wind für Kriens» leitete letztes Jahr den politischen Umbruch im Stadtrat ein. Der Slogan zog: Die Unzufriedenheit mit den Bisherigen war beträchtlich, wie sich an der Urne zeigte. Gleich fünf Neue wurden vom Volk gewählt: Christine Kaufmann-Wolf (CVP), Maurus Frey (Grüne), Roger Erni (FDP), Cla Büchi (SP) und Marco Frauenknecht (SVP). Genau vor einem Jahr, am 1. September, nahmen sie ihre Arbeit auf.

Zeit, um auf den Start zurückzublicken. Was ist geblieben von der Aufbruchstimmung in der drittgrössten Gemeinde des Kantons und was vom Wahlversprechen – frischer Wind oder nur ein laues Lüftchen?

Pluspunkt: Offene Kommunikation

Dienstagabend, Pilatussaal. Zum dritten Mal lädt die Krienser Exekutive die Bevölkerung zum sogenannten «Stadtgespräch»: Eine Diskussionsrunde, in der jedermann den Stadträten Fragen stellen kann. Vor Ort eingefunden haben sich an jenem Abend nur ganz wenige Leute, dafür schalten sich viele online ein. Die Fragen sind vielseitig: Sie reichen von den Bypass-Verhandlungen über die Zukunft des alten Bahnhöfli bis hin zu den Betreuungsgutscheinen. Und zeigen: Gemessen wird der Stadtrat in der Bevölkerung nicht an seinen Worten, sondern an den konkreten Entscheiden.

Der Anlass steht stellvertretend für einen der Pluspunkte: die Offenheit der neuen Stadtregierung. Manch einer rufe über die Politiker aus, sagt einer der Besucher im Pilatussaal. Dass man herkommen und den Stadträten direkt seine Fragen stellen könne, sei darum sehr positiv.

«Der Stadtrat macht einen guten Job, indem er versucht, die Bevölkerung durch umfassende Kommunikation in die politischen Überlegungen einzubeziehen.»

Andreas Vonesch, CVP

Es ist auch, was die fünf Stadträte in ihrem Rückblick auf das erste Jahr unisono betonen: Der Austausch mit der Bevölkerung sei ihnen wichtig. Und diese Bereitschaft zum Dialog kommt gut an. «Hier macht der Stadtrat einen guten Job, indem er versucht, die Bevölkerung durch umfassende Kommunikation in die politischen Überlegungen einzubeziehen», sagt CVP-Fraktionschef Andreas Vonesch.

Der erste Erfolg: Pflöcke einschlagen bei der Lohnfrage

Einen wichtigen Pflock eingeschlagen hat der Stadtrat mit der Lohndiskussion – mit der er bewies, dass er auch heisse Eisen anzupacken gewillt ist. Nachdem der frühere Stadtrat sich öffentlich darüber zerstritten hatte, strich sich der neue Stadtrat nun die eigene Rente (zentralplus berichtete). Sicher kein einfacher Schritt, aber er brachte dem Gremium viel Wohlwollen ein.

«Hier hat der neue Stadtrat geeint eine vorbildliche Lösung präsentiert und auf diese Weise einen grossen Beitrag geleistet, dass dieser schwelende Konflikt der letzten Legislatur gelöst werden konnte», sagt Raoul Niederberger, Fraktionschef der Grünen/GLP, stellvertretend für viele. Auch das Verhältnis zwischen Stadtrat und Einwohnerrat scheint seit der neuen Legislatur wieder besser zu sein.

Der Teamgeist oder: die Geschichte vom Vanilleberliner

Was genauso unbestritten ist: Wie Stadtpräsidentin Christine Kaufmann-Wolf schon am Wahlsonntag sagte, tritt der neue Stadtrat als Mannschaft auf (zentralplus berichtete). Stellvertretend dafür zwei Anekdoten von diesem Dienstagabend.

Erstens – als Sozialdirektor Cla Büchi sagte: «Ich finde es wahnsinnig schön, dass unser Teamgeist immer noch so gut ist», lächeln ihn die vier anderen Stadträte fast wie Verliebte an. Zweitens: Finanzdirektor Roger Erni erzählt von den harten finanzpolitischen Auseinandersetzungen im Stadtrat, bei der er insbesondere mit SP-Stadtrat Büchi das Heu nicht auf der gleichen Bühne habe. Doch nach intensiver Diskussion habe Büchi ihm wenig später einen Vanilleberliner aufs Pult gelegt – zur Versöhnung.

Die Stadträte zeigen sich auch mal von der lockeren Seite – beispielsweise bei der Jungbürgerfeier:

«Klar ist jeder ein Einzelkämpfer, trotzdem stelle ich eine Kollegialität fest, welche ein Arbeiten sicher erleichtert», sagt SP-Fraktionschef Raphael Spörri. Der Wille und das Engagement für Veränderungen und einen neuen Politstil mit anderen Lösungsansätzen sei spürbar, bekräftigt CVP-Fraktionschef Andreas Vonesch.

«Ich erwarte mehr Führung und Mut, der Stadtrat muss das Heft noch stärker selber in die Hand nehmen.»

Beat Tanner, FDP

Es helfe, dass in der neuen Legislatur auch die SVP in der Exekutive eingebunden sei, ergänzt FDP-Fraktionschef Beat Tanner. Seiner Meinung nach gibt allerdings die Verwaltung noch zu stark den Kurs vor. «Ich erwarte mehr Führung und Mut, der Stadtrat muss das Heft noch stärker selber in die Hand nehmen.»

Die Baustellen: Finanzen, Wachstum, Verkehr und Umwelt

Einig ist man sich bei der grössten Herausforderung: bei den knappen Finanzen. Kriens muss bekanntlich den Gürtel enger schnallen. Doch wo und wie fest, darüber ist man sich nicht einig. Das zeigte die Budgetdebatte im Frühling. Nachdem die Bevölkerung den ersten Entwurf mit einer Steuererhöhung an der Urne abgelehnt hatte, konnte sich der Einwohnerrat nicht auf eine zweite Variante einigen – der Regierungsrat des Kantons musste einschreiten (zentralplus berichtete).

«Die Finanzlage überschattet unsere ganze Arbeit», sagte SP-Stadtrat Cla Büchi am Dienstag. Denn die bescheidenen finanziellen Mittel beeinflussen auch andere Themen. So zum Beispiel die Stadtentwicklung, eine weitere Herausforderung in Kriens. «Hier sind kreative Lösungen gefragt. Das Credo muss lauten: Gestalten statt verwalten», sagt Grünen-Chef Raoul Niederberger. «Die Stadt Kriens muss sich weiterentwickeln, wenn sie attraktiv bleiben soll.»

Beat Tanner von der FDP stellt ebenfalls fest, dass «die Leute Mühe mit dem schnellen Wachstum der Stadt haben». Auch in der Verkehrspolitik sieht er eine grosse Baustelle der Zukunft. Die SVP, deren Fraktionschef für eine Stellungnahme am Dienstag nicht erreichbar war, hat kürzlich das Referendum gegen die Testplanung für Tempo 30 im Stadtzentrum ergriffen. Das heisst, die Bevölkerung wird darüber entscheiden. Als weitere Aufgabe nennt CVP-Chef Andreas Vonesch die Umweltthematik und die Klimapolitik.

Fazit: Es braucht viel frischen Wind, um einen Tanker zu bewegen

Die Arbeit geht dem Krienser Stadtrat also nicht aus. Dass die fünf Neuen frischen Wind gebracht haben, ist unbestritten. Genauso wie die Tatsache, dass noch Luft nach oben besteht.

Oder, wie es Raphael Spörri von der SP ausdrückt: «Die Stadt Kriens ist kein Segelschiff, wo es starken Wind braucht. Eher ist sie ein grosser, aber halt manchmal auch ein träger Dampfer.» Und dieser brauche halt eine Weile, um die Kurve zu kriegen.

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