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Die Verfassung des Kantons Luzern beginnt mit einem Bezug auf Gott. Jörg Meyer und Samuel Zbinden wollen das ändern. Doch die Regierung hat dafür kein Gehör. Eine Anpassung sei nicht nötig – und wäre zu aufwendig.
Laut des obersten kantonalen Gesetzes Luzern müssen sich alle Luzerner vor Gott verantworten. Denn so beginnt die Kantonsverfassung. Genau diese Passage ist unter Beschuss geraten. Denn für den Grüne-Kantonsrat Samuel Zbinden und den SP-Kantonsrat Jörg Meyer ist die Präambel nicht mehr zeitgemäss (zentralplus berichtete). Die Verfassung solle pluralistischer werden und auch jene Luzernerinnen ansprechen, die an keinen oder einen anderen Gott glauben.
Denn jeder vierte Luzerner gehört keiner Religion an und jede Zehnte glaubt nicht an den christlichen Gott. Zbinden schlägt mit seiner Motion deshalb eine Streichung, Meyer eine Ergänzung analog dem Kanton Freiburg vor. Dort heisst es in der Verfassung «Wir, das Volk des Kantons Freiburg, die wir an Gott glauben oder unsere Werte aus anderen Quellen schöpfen».
Erst 2007 angepasst worden
Die Luzerner Regierung hat für das Anliegen der beiden Kantonsräte jedoch kein Gehör, wie aus ihren Stellungnahmen hervorgeht. Gott als Teil der Kantonsverfassung war schon bei der letzten Revision 2002 bis 2007 ein Thema. Damals habe der Kanton bei einer Vernehmlassung rund 200 Organisationen und 1100 Privatpersonen befragt.
«Aus den zahlreichen Stellungnahmen zog die Verfassungskommission den Schluss, dass grundsätzlich eine Präambel gewünscht werde, und zwar eine, die einen Bezug auf Gott und auf die Verantwortung des Menschen herstellt», hält die Regierung heute fest. Zudem war der Gottesbezug danach auch im Grossen Rat (Vorgänger des Kantonsrats) Thema. Damals stellte die SP-Fraktion einen Streichungsantrag, der auch von der Grüne-Fraktion unterstützt wurde. Jedoch ohne Erfolg.
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Weiter argumentiert der Kanton, dass aus der Wendung «in Verantwortung vor Gott» keine Rechtsansprüche oder sonstige Kompetenzen abgeleitet würden. Sie sei lediglich eine feierliche Einleitung in die Verfassung. «Es ist deshalb davon auszugehen, dass die geltende Präambel von einer breiten Mehrheit der Stimmberechtigten getragen wird.»
Ob dies bei der nächsten Totalrevision noch immer der Fall sei, sei zwar offen. Eine solche nur wegen der Präambel anzustossen, hält der Regierungsrat aber für «unverhältnismässig». Dafür müssten entweder 5000 Luzernerinnen eine Verfassungsinitiative anstossen oder das Parlament einen Entwurf erarbeiten, über den die Luzerner an der Urne entscheiden müssten.
Regierung verstecke sich hinter formalistischen Argumenten
Die Antwort der Regierung vermag die beiden Motionäre nicht zu überzeugen. So schreibt Grüne-Kantonsrat Samuel Zbinden auf Anfrage: «Ich finde es schade, dass die Regierung sich dieser Diskussion nicht stellt. Die Antwort der Regierung ist mehrheitlich formalistischer Natur, inhaltliche Argumente werden kaum gebracht.»
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Und auch SP-Kantonsrat Jörg Meyer hält zur Präambel fest: «Ihre Bedeutung vor allem auf die Rechtswirksamkeit zu reduzieren, greift für mich zu kurz.» Er nimmt die ausführliche Diskussion während der letzten Revision als Beweis, dass sie einen «wertvollen Beitrag zur gesellschaftlichen Orientierung und des Staatsverständnisses» leiste. Damit sie diese Funktion auch gut abdecken kann, müsse sie möglichst viele Luzernerinnen ansprechen. «Die Diversität und die Säkularisierung haben so deutlich zugenommen, dass die jetzige Präambel diese Anforderungen nicht mehr erfüllen kann.»
Die christlichen Kirchen verzeichnen immer mehr Austritte (zentralplus berichtete). Zudem war zum Zeitpunkt der damaligen Debatte nur gut jeder achte Luzerner konfessionslos, inzwischen ist es jeder vierte, wie Zahlen von Lustat zeigen.
Wäre Präambel wirklich noch mehrheitsfähig?
Deshalb bezweifeln beide, dass die Präambel heute noch mehrheitsfähig wäre. «Weder die Regierung noch ich wissen, ob die Präambel heute noch mehrheitsfähig ist. Doch ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, 20 Jahre nach Beginn der letzten Verfassungsrevision diese Diskussion wieder anzustossen», so Zbinden. «Wichtig ist mir, dass Menschen, die an keinen oder an einen nichtchristlichen Gott glauben, in der Präambel mitgedacht werden.»
- Ja, die Verfassung ist gut so, wie sie ist!
- Nur mit einer Ergänzung wie «oder unsere Werte aus anderen Quellen schöpfen».
- Nein, ein Gottesbezug hat in einer säkularisierten Gesellschaft keinen Platz mehr.
Dabei überzeugt beide auch der angeblich «unverhältnismässige Aufwand» nicht. Für Meyer ist das ein «spezielles Argument, weil dann jedwelche Teilrevision der Kantonsverfassung ausgeschlossen werden könnte». Gleich argumentiert Zbinden. Zudem müsse die Änderung nicht sofort und nur deswegen erfolgen. Zbinden ergänzt: «Mein Vorstoss könnte jetzt überwiesen werden und im Rahmen der nächsten Teilrevision in die Diskussion einfliessen.»
Meyer macht sich wegen der Verhältnisse im Rat und der Antwort der Regierung nicht allzu grosse Hoffnungen, dass ein Vorstoss überwiesen wird. Eine Verfassungsinitiative kommt für ihn dennoch nicht infrage. Es sei aber wichtig, dass diese Diskussion geführt werde.
- Motion von Samuel Zbinden und Stellungnahme dazu
- Motion von Jörg Meyer und Stellungnahme dazu
- Zahlen von Lustat Statistik Luzern zur Religionszugehörigkeit
- Kirchenstatistik des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts
- Kantonsverfassung Luzern
- Kantonsverfassung Freiburg
- Botschaft der Regierung zur Änderung der Kantonsverfassung (2005)
- Protokoll der Debatte des Grossen Rates zur Verfassungsrevision (2006)
- Schriftlicher Austausch mit Jörg Meyer, SP-Kantonsrat
- Schriftlicher Austausch mit Samuel Zbinden, Grüne-Kantonsrat