Diskussion um Luzerner Verfassung geht weiter

Samuel Zbinden erklärt Vorstoss: «Kein Votum gegen Gott»

Gehört Gott in die Kantonsverfassung? Darüber spalten sich in Luzern die Geister. (Bild: zvg)

Ist es noch zeitgemäss, in der Verfassung auf Gott zu verweisen? Nein, fand der Grüne-Kantonsrat Samuel Zbinden. Nun schaltet sich auch die SP in die Debatte ein.

«Die Luzernerinnen und Luzerner, in Verantwortung vor Gott». Diese Passage aus der Präambel der Kantonsverfassung spaltet die Geister. Begonnen hat alles mit einer Motion des Kantonsrats Samuel Zbinden von den Grünen (zentralplus berichtete). Der Politiker forderte, den Gottesbezug zu streichen. Das sei nicht mehr zeitgemäss. In Luzern lebe jeder Fünfte ohne Glauben und jeder Zehnte mit einem anderen als dem Christlichen. Es gehe darum, die Verfassung auf demokratischen Werten aufzubauen.

«Viele junge Leute wussten gar nicht, dass Gott in der Verfassung steht.»

Samuel Zbinden, Grüne-Kantonsrat

Sofort stürzten sich die Medien auf das heikle Thema. In der Ausgabe vom 14. Oktober betitelte die «Luzerner Zeitung» den Vorstoss mit «Grüne wollen Gott an den Kragen». Empörte Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. «Wenn sich eine solch offensichtliche Gottvergessenheit nur nicht rächen wird!», schrieb eine wütende Leserin.

Mediale Zuspitzung führt zu Missverständnissen

Insgesamt sei er von der Anzahl an Reaktionen überrascht worden, erzählt Samuel Zbinden. Selbst seine Eltern und Grosseltern wären auf der Strasse darauf angesprochen worden. Die Jüngeren hätten meist positiv reagiert. «Viele junge Leute wussten gar nicht, dass Gott in der Verfassung steht.»

Trotzdem wäre der Vorstoss vielfach missverstanden worden. «Ich habe teilweise Unverständnis erlebt, besonders bei älteren Leuten», erzählt er. «Wir wollten keine Grundsatzdiskussion über Glauben und Gott anfachen».

Samuel Zbinden, Kantonsrat der Grünen (Bild: zvg)

Ziel der Motion sei es gewesen, die Verfassung pluralistischer zu machen. Und «kein Votum gegen Gott», betont Zbinden. Er weist darauf hin, dass auch die Zuspitzung in den Medien dazu beigetragen habe, dass das Ziel der Motion nicht richtig ankam und missverstanden wurde.

Unterstützung von allen Parteien – ausser von Mitte

Trotz allem konnte Zbinden Unterstützung aus fast allen Parteien mobilisieren. Ihm sei gelungen, die jeweils jüngsten Kantonsräte aus allen Parteien für seinen Vorschlag zu begeistern. Lediglich bei den Mitgliedern der Mitte-Partei sei dies nicht geglückt.

Die Gesellschaft ist im Wandel. «Es ist deshalb legitim, von Zeit zu Zeit auch die Präambel der Kantonsverfassung auf mögliche Anpassungsbedarf zu prüfen», meint Adrian Nussbaum, Fraktionspräsident die Mitte auf schriftliche Anfrage von zentralplus. Die Präambel unserer Kantonsverfassung ist allerdings zu wichtig, «um einfach mit dem Rotstift zwei Wörter zu streichen».

«Allein deswegen eine Verfassungsrevision anzustossen, erachte ich allerdings nicht für angezeigt.»

Adrian Nussbaum, Fraktionspräsident die Mitte Kanton Luzern

Wenn es eine Anpassung geben sollte, brauche es einen entsprechenden vertieften Prozess. Bereits vor einigen Wochen habe der Präsident der Kantonalpartei Christian Ineichen deshalb «Offenheit zur Diskussion» signalisiert.

Die Präambel sei jedoch bei der letzten Verfassungsänderung intensiv geprüft und für gut befunden worden. Bei der Totalrevision 2007 stand ebenfalls ein säkularer Vorschlag zur Debatte und wurde dann zu Gunsten der heutigen Präambel abgelehnt. Man könne bei der nächsten Revision über den Gottesbezug diskutieren, ergänzt Nussbaum. «Allein deswegen eine Verfassungsrevision anzustossen, erachte ich allerdings nicht für angezeigt.»

Gott und neue Wertequellen – SP tritt vor

Das sehen Grüne und SP anders. In ihrer Motion vor einigen Wochen argumentierten die Grünen, 70 Prozent Ablehnung für die finanzielle Unterstützung der Schweizergardisten im Vatikan sei kein Zufall (Zentralplus berichtete). Das Verhältnis der Luzernerinnen zum Glauben habe sich verändert.

Auch die SP tritt nun nach vorne. Kantonsrat Jörg Meyer schlägt vor, Gott nicht zu streichen, sondern neue Wertquellen miteinfliessen zu lassen. Zbindens Motion habe ihn motiviert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Er sei dann durch Aussagen des ehemaligen Rektors der Universität Luzern, Paul Richli, auf die Lösung des Kantons Freiburg aufmerksam geworden. Dort heisst es: «Wir, das Volk des Kantons Freiburg, die wir an Gott glauben oder unsere Werte aus anderen Quellen schöpfen».

Jörg Meyer, Kantonsrat SP (Bild: zvg)

Auch wenn die letzte Verfassungsänderung noch nicht so lange zurückliegt, findet Meyer es wichtig, wesentliche gesellschaftliche Veränderungen abzubilden. Insbesondere bezüglich «Säkularisierung und den Stellenwert von Glauben, Religion, Werten oder der Kirchen in der Gesellschaft». In seiner Motion schlägt er daher eine Formulierung entsprechend der Freiburger Variante vor. So bleibt die christliche Prägung relevant und andere Wertebezüge werden nicht ignoriert.

 «Die Luzernerinnen und Luzerner, die an Gott glauben oder ihre Werte aus anderen Quellen schöpfen [...]»

Jörg Meyers Vorschlag zur Änderung der Präambel der Kantonsverfassung

Generelle Zustimmung zum SP-Vorschlag

Meyers Vorschlag wird gut aufgenommen. Mitte Fraktionschef Adrian Nussbaum teilt mit, dass er sich persönlich Meyers Vorschlag eher anschliessen würde als der Streichung des Gottesbezugs. Er zweifle jedoch immer noch an der Notwendigkeit der Massnahme.

Samuel Zbinden findet den Vorstoss der SP sehr spannend. Er könne sich so etwas gut als Kompromisslösung vorstellen, erklärt er. «Es hat sich gezeigt, dass viele ältere Leute verletzt wären, wenn man Gott komplett aus der Verfassung streicht.» Der Vorschlag der SP würde es erlauben, das zu verhindern und die Verfassung gleichzeitig pluralistischer zu machen.

Wenn die beiden Motionen zur Diskussion ins Parlament kommen, könnte er sich daher vorstellen, seinen Vorschlag zugunsten Meyers Motion zurückzuziehen. «Das ist aber nicht fix», ergänzt er. Insgesamt ist er froh, wenn sich die Diskussion um das Thema beruhigt und wieder andere wichtige Themen auf der Tagesordnung stehen. Der Klimawandel zum Beispiel oder soziale Gerechtigkeit.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Samuel Zbinden
  • Schriftlicher Austausch mit Adrian Nussbaum
  • Schriftlicher Austausch mit Jörg Meyer
  • Leserbriefe in der «Luzerner Zeitung»
  • Verfassung des Kantons Freiburg
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Ein Wirt
    Ein Wirt, 08.11.2022, 08:43 Uhr

    Welcher Gott ist, welche Götter sind da eigentlich gemeint? Nur der dreiteilige katholische?

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