Einflussreichster Nichtpolitiker Luzerns

André Bachmann: Der «6. Stadtrat» tritt ab

Als Vorstand der City-Vereinigung und Mitglied in zahlreichen anderen Wirtschaftsorganisationen prägte André Bachmann die Politik in der Stadt Luzern in den letzten zehn Jahren wesentlich mit. (Bild: bic)

Kein Parkplatz konnte aufgehoben werden, ohne dass Politik und Medien seine Meinung dazu eingeholt hätten: André Bachmann war in den letzten zehn Jahren wohl einer der politisch einflussreichsten Personen der Stadt Luzern – und das, obwohl er gar kein Politiker ist. Nun hat er sein Amt bei der City-Vereinigung abgegeben.

Für unser Treffen schlägt der Vollblutgewerbler André Bachmann das Restaurant «Mill'Feuille» auf dem Luzerner Mühlenplatz vor. Ein Flecken am Rande der Altstadt, der noch vor wenigen Jahren mit Parkplätzen statt Gastromobiliar aufwartete. Wie für die meisten Luzerner sei der Mühlenplatz für ihn, auch wegen der ausladenden Gartenbeizen, heute einer der schönsten Orte in der Leuchtenstadt.

Bachmann wirkt entspannt. Er, der insbesondere bei Medienschaffenden als eine Art «harter Hund» galt, oft keine Miene verzog und scheinbar kompromisslos seinen Standpunkt vertrat, wenn es um die Sache des lokalen Gewerbes geht. Genüsslich gönnt er sich einen Schluck Hauslimonade und ist bereits zu Beginn des Gespräches nicht um den einen oder anderen flotten Spruch verlegen.

Ein Lobbyist aus Überzeugung

Rund zehn Jahre lang amtete Bachmann als Vorstand im Ressort Politik für die City-Vereinigung Luzern, der seiner Einschätzung nach wichtigsten Interessensvertreterin für den Detailhandel in der Stadt. An der Generalversammlung der Organisation, in der rund 200 Betriebe aus Gewerbe und Detailhandel zusammengeschlossen sind, wurde Bachmann Ende August verabschiedet. In seine Fussstapfen tritt Lucas Zurkirchen, ehemaliger Präsident der Luzerner Jungfreisinnigen.

Doch weshalb hat Bachmann neben seiner beruflichen Tätigkeit und seiner Familie so viel Zeit und Energie für die Anliegen der City-Vereinigung aufgewendet und sich so den grossen Einfluss erarbeitet? «Ich bin grundsätzlich ein sehr politischer Mensch und betrachte meine Tätigkeit als Hobby», sagt der zweifache Familienvater dazu. Ein politisches Amt wollte er allerdings nie antreten, denn es sei die «fokussierte Interessenpolitik» gewesen, die ihn motiviert hat.

«Ich hatte die City-Vereinigung oft kritisiert, da sie meiner Meinung nach viele halblustige Events organisiert hat, obwohl sie eigentlich anderes zu tun hätte», fasst er seine ursprünglichen Beweggründe zusammen. «Das wollte ich ändern.»

Seine Meinung war gefragt: André Bachmann (Mitte) bei einer Rede – umgeben von Stadtrat Adrian Borgula (links) und dem damaligen Regierungsrat Robert Küng. (Bild: les)

Links-grüne Wahlerfolge dienten als Weckruf

Ein entscheidender Grund für seinen Einstieg bei der City-Vereinigung seien letztlich die sich verändernden politischen Verhältnisse in der Stadt gewesen. Konkret, als links-grün kontinuierlich zulegen konnte. Mit der Wahl der grünliberalen Stadträtin Manuela Jost 2012 hatte die sogenannte Öko-Allianz von GLP, SP und Grünen das erste Mal eine Mehrheit im Stadtrat.

«Bis dahin wurde die Stadt klassisch bürgerlich regiert und man ging davon aus, dass die wichtigen Amtsträger per se gewerbefreundlich sind», führt Bachmann aus. Ein gezieltes politisches Engagement schien nicht notwendig. Dies greife allerdings zu kurz. Genau wie es falsch wäre, anzunehmen, dass links-grün grundsätzlich gewerbefeindlich sei, sagt er mit Nachdruck.

«Es musste also das Ziel sein, schon früh im politischen Prozess subtil Einfluss zu nehmen.»

André Bachmann

Dennoch will er festgestellt haben, dass mit der Zeit einige politische Entscheide getroffen wurden, die nicht immer zum Vorteil des Detailhandels waren. «Dies hatte damit zu tun, dass man vonseiten des Gewerbes oft zu spät reagiert hatte», moniert der 48-Jährige.

«Es musste also das Ziel sein, schon früh im politischen Prozess subtil Einfluss zu nehmen.» Oder anders gesagt: Es war aus Bachmanns Optik zentral, dass die City-Vereinigung zu einem politischen Player wird. «Gerade die Ablehnung des Sonderkredites zur Minderung der Auswirkungen auf den Detailhandel infolge von Corona im Stadtparlament zeigt, dass die Bedeutung des Detailhandels für eine attraktive Innenstadt zu wenig erkannt wird», hält er fest. Es offenbart sich, dass wir im aktuellen Parlament nicht selbstverständlich auf Mehrheiten zählen können.»

Empfindliche Niederlagen

In der Folge hat sich die Organisation, vor allem in jüngster Zeit, gegen verschiedene Projekte wie die Velostation unter der Bahnhofstrasse gestellt. In letzter Minute zauberte man, letztlich erfolglos, zusammen mit dem Wirtschaftsverband Stadt Luzern und mit Hilfe von CVP und FDP eine Lösung für unter der Reuss aus dem Hut (zentralplus berichtete).

Eine Niederlage setzte es auch bei der Änderung des Gesetzes über die Ladenöffnungszeiten ab. Mit seiner Forderung, in der Stadt weiterhin zwei Abendverkäufe abhalten zu dürfen, erlitt Bachmann mit der City-Vereinigung und der eigens dafür ins Leben gerufenen «IG zeitgemässes Einkaufen» Schiffbruch. Der IG hatten sich gut 500 Betriebe angeschlossen. Trotzdem trug Bachmann durch sein Engagement einiges dazu bei, dass überhaupt Bewegung in die Sache kam.

Die Sache mit dem Netzwerk

Für seine hartnäckige Arbeit machte sich Bachmann sein ausgebautes Netzwerk in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zunutze und war somit stets am Puls der Entwicklungen und konnte diese frühzeitig antizipieren. Neben seinem Amt bei der City-Vereinigung, der seiner Ansicht nach wichtigsten Interessenvertreterin für den Detailhandel in der Stadt, amtet Bachmann zum Beispiel auch als Co-Präsident der «IG Weltoffenes Luzern» und weibelt an vorderster Front für die aus seiner Warte richtigen Rahmenbedingungen für den Tourismus (zentralplus berichtete). Weiter wehrt er sich als Vorstand der «IG Pilatusplatz» gegen die so genannte «Y-Lösung».

«Vor allem war André immer sehr gut vorbereitet und Dossier-sicher.»

Adrian Borgula, Stadtrat (Grüne)

Ausserdem ist Bachmann Vorstandsmitglied des regionalen Entwicklungsträgers LuzernPlus, der unter anderem für die Steuerung der Grossprojekte in Luzern Süd oder im Gebiet des Seetalplatzes verantwortlich ist. Im Gremium sitzen auch die Bauvorsteher von Luzern und Kriens, wodurch Bachmann im Hintergrund Fäden ziehen und Allianzen schmieden kann. Präsidiert wird die Organisation von GLP-Kantonsrätin Michèle Graber.

Adrian Borgula als Abschiedsredner

Wie dankbar die Gewerbler der City-Vereinigung für Bachmanns geleistete Arbeit sind, war bei dessen Verabschiedung zu spüren. Und dass mit Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) sein wohl härtester politischer Gegner die Abschiedsrede halten durfte, war an Symbolkraft kaum zu überbieten. Die beiden hatten bei Themen wie der Erreichbarkeit der Innenstadt und günstige Rahmenbedingungen für das Gewerbe das Heu längst nicht immer auf der gleichen Bühne.

«André Bachmann war für mich die Personifizierung der City-Vereinigung», sagte Borgula. «Vor allem aber war er immer sehr gut vorbereitet und Dossier-sicher.» Der grüne Mobilitätsdirektor und der FDP-nahe Gewerbler haben sich zu dutzenden kontroversen Sitzungen getroffen. Insbesondere Bachmanns Beharrlichkeit, aber auch dessen Differenziertheit bei Sachthemen würden ihm in Erinnerung bleiben, hielt Borgula fest. «Intensiv waren vor allem die Diskussionen darüber, was eine sinnvolle und was eine sinnlose Regulierung ist», so der Stadtrat.

Die grosse Achtung seitens des politischen Gegners kommt nicht von ungefähr, denn im Gespräch offenbart sich Bachmann als profunder Kenner und messerscharfer Analytiker der städtischen Politik.

Mehrere Wochen pro Jahr für die City-Vereinigung

Wie ernst Bachmann sein Engagement nahm, zeigt sich auch darin, dass er sich bei seinem Arbeitgeber, der Lichtteam AG in Rothenburg, trotz seines Kaderjobs eine «grosszügige Zahl bezahlter Arbeitsstunden» pro Jahr für sein Engagement bei der City-Vereinigung ausbedingen konnte.

«Im Gegensatz zu einer Stadträtin und einem Stadtrat habe ich Interessenpolitik gemacht.»

André Bachmann

So war es ihm möglich, sich in die Geschäfte einzulesen, Sitzungen mit politischen Entscheidungsträgern abzuhalten oder regelmässig mitten am Tag Sitzungen des Grossen Stadtrates beizuwohnen. Ein im Spiel der Politik neben der guten Vernetzung nicht zu unterschätzender Vorteil.

Kein Wunder also, dass hier und dort vom «6. Stadtrat» oder von einem «Schattenstadtrat» gesprochen wurde, wenn es um Bachmanns Person ging. Eine Bezeichnung, die er jedoch weit von sich weist. «Im Gegensatz zu einer Stadträtin und einem Stadtrat habe ich Interessenpolitik gemacht und hatte die Freiheit, zu entscheiden, welche Dossiers ich intensiv bearbeiten will und welche nicht», sagt er dazu.

Übrigens wird auch Bachmanns Nachfolger künftig 30 Prozent seines Arbeitspensums bei der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ) für die City-Vereinigung aufwenden dürfen.

Der Wunsch nach Visionen

Doch weshalb kommt nach gut zehn Jahren nun der Rücktritt? «Ich habe einfach gemerkt, dass die Zeit reif ist. Denn mittlerweile weiss jeder in der Stadt, was ich zu sagen habe», sagt Bachmann lachend. Dennoch lässt er es sich nicht nehmen, einen Blick in die politische Zukunft der Leuchtenstadt zu werfen.

«Wir haben grundsätzlich eine sensationelle Ausgangslage, was die Zukunft unserer Stadt betrifft.»

André Bachmann

Konkret wünscht er sich wieder mehr gemeinsame Visionen, die auch politische und ideologische Gräben überbrücken. «Wir haben grundsätzlich eine sensationelle Ausgangslage, was die Zukunft unserer Stadt betrifft», sagt Bachmann. Dabei bilde der See ein wichtiger, aber längst nicht der einzige Aspekt.

Dank des Zusammenspiels von Pioniergeist und konstruktiver Zusammenarbeit zwischen Öffentlichkeit und Privaten habe man es in den vergangenen Jahrzehnten geschafft, sich als Stadtregion vor allem national konkurrenzfähig zu positionieren. Das KKL ist für Bachmann in dieser Hinsicht ein Leuchtturmprojekt. «Eine solche Politik der kleinen, aber konkreten Schritte und die damit verbundenen Kompromisse sind das, was mir Spass gemacht und mich angetrieben hat», blickt Bachmann zurück.

Das zeige sich insbesondere am Mühlenplatz: «Da hier die geschaffene Aufenthaltsqualität die Schwächung der Erreichbarkeit deutlich übersteigt und mit dem Parkhaus Altstadt eine nahe Parkierungsmöglichkeit besteht, war die Aufhebung der Parkplätze absolut sinnvoll. Denn sie kommt letztlich auch dem Marktplatz Innenstatt zugute.» Dies sei aber nicht überall in der Stadt der Fall, so Bachmanns Analyse.

Dunkle Wolken über Luzern?

Über Luzern sieht er indes einige dunkle Wolken aufziehen. «Wir müssen aufpassen, dass wir diesen Vorsprung nicht verspielen, indem wir nicht mehr bereit sind, partnerschaftlich zusammenzuarbeiten.» Damit richtet Bachmann eine konkrete Botschaft an links-grün. Er hadert mit der dortigen, seiner Ansicht nach fehlenden Kompromissbereitschaft. Insbesondere wenn es darum geht, Private in Projekte miteinzubeziehen oder im Bereich Verkehr und Mobilität. «Aber ein neues Theater werden wir nicht stemmen können, wenn wir neben dem Kanton nicht weitere Geldgeber ins Boot holen», ist Bachmann überzeugt. Dazu brauche es aber gegenseitiges Vertrauen.

«Es fehlt die gestaltende Partei, die die Kraft und den Willen aufbringt, solide Mehrheiten zu zimmern.»

André Bachmann

Denn genau solche Projekte gelte es gemeinsam, das heisst von links bis rechts, voranzutreiben. Denn nicht nur aus Sicht des Gewerbes seien sie von immenser Bedeutung für die Zukunft der Stadt, die nur als Ganze prosperieren könne. «Doch dafür brauchen wir klare Mehrheiten. Es ist momentan aber sehr schwierig, diese zu schaffen», beschreibt Bachmann das politische Klima in der Stadt Luzern.

Das Problem politischer Zufallsentscheide

Beide Seiten befänden sich in einer Art Oppositionsmodus. Damit kritisiert er auch die Bürgerlichen. «Es fehlt die gestaltende Partei, die die Kraft und den Willen aufbringt, solide Mehrheiten zu zimmern.» Deshalb könne es momentan zu Zufallsentscheiden kommen, die nur von einer knappen Mehrheit der Stadtbevölkerung gestützt würden, so Bachmanns Fazit. Es müsse nur eine Grossstadträtin krankheitshalber eine Sitzung verpassen, und schon könne es in die andere Richtung gehen. Ein Beispiel für einen solchen Entscheid findest du hier.

Trotz vieler Baustellen sieht André Bachmann das Gewerbe der Stadt grundsätzlich aber solide aufgestellt. «Wie den meisten geht es uns heute besser als vor einigen Jahren. Vor allem auch, da es nach wie vor viele Chancen vorfindet, sich positiv zu entwickeln», sagt er zum Schluss. Der von den Autos befreite Mühlenplatz sei ein gutes Beispiel dafür, wie breit abgestützte Lösungen zum Vorteil aller gefunden werden können.

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