Prävention statt Repression

So will das Luzern Live sexuelle Übergriffe verhindern

Roland Graf ist Teil des Luzern-Live-OK und für die Kommunikation verantwortlich. (Bild: zvg)

Mit einem Awareness-Konzept möchte das Luzern Live Diskriminierungen und Übergriffe aller Art am Festival verhindern. Doch führen die präventiven Ansätze tatsächlich zum Erfolg? Im Gespräch mit Roland Graf vom Luzern Live und Florian Schrauder vom Klub Kegelbahn in der Baselstrasse will dies zentralplus herausfinden.

Am Gurtenfestival ist es zu einem Eklat wegen Rassismusvorwürfen gekommen. Das antirassistische Kollektiv Café Révolution beschloss, seine offizielle Spendenaktion auf dem Festivalgelände abzubrechen. Auf Instagram schreibt das Café Révolution, das Ausmass an Gewalt und Rassismus am Gurten habe alle Befürchtungen übertroffen und sei für das Team schlicht nicht mehr zumutbar gewesen.

In die Kritik geriet im Zuge der Diskussionen auf Social Media auch das Awareness-Team des Gurtenfestivals. «Awareness propagieren und nicht einmal wissen, wie reagieren …», schreibt etwa die Berner Aktivistin und ehemalige Stadt- und Kantonsparlamentarierin Tabea Rai.

Luzern Live nicht vergleichbar mit Gurten

zentralplus hat Roland Graf, OK-Mitglied und Mediensprecher des Luzern Live, gefragt, ob er von den Rassismusvorfällen am Gurtenfestival gehört habe. Graf bejaht. Doch als zehntägiges Stadtfestival ohne Zeltplatz sei das Luzern Live nicht mit dem Gurtenfestival vergleichbar. «Wir müssen unsere eigenen Erfahrungen sammeln», resümiert Graf.

«Repressive Ansätze kommen erst zum Einsatz, wenn die präventiven Massnahmen nicht ausreichen.»

Roland Graf, Luzern Live

Graf erklärt, was unter einem Awareness-Konzept zu verstehen ist: «Das Awareness-Konzept ist eine strategische Planung, die darauf abzielt, Bewusstsein und Sensibilisierung für soziale Themen wie Diskriminierung oder sexuelle Belästigung zu schaffen.» Es solle den respektvollen Umgang unter den Anwesenden fördern. «Wir wollen am Luzern Live eine positive Festivalatmosphäre, damit sich unsere Besucherinnen wohlfühlen», führt Graf aus.

Prävention statt Repression

Das Konzept lege klare Verhaltensstandards fest, so Graf weiter. «Wir sind überzeugt, dass wir damit dazu beitragen können, übergriffiges Verhalten zu verhindern.»

Die angesprochenen Verhaltensstandards finden sich auf der Website des Luzern Live.

Dabei stehe die Prävention im Vordergrund. Diese fokussiere sich darauf, Probleme zu verhindern, bevor sie auftreten. «Repressive Ansätze kommen erst zum Einsatz, wenn die präventiven Massnahmen nicht ausreichen», erklärt Graf. Für diese Fälle sei das OK des Luzern Live im aktiven Austausch mit der Luzerner Polizei.

Zivilcourage – aber ohne einzugreifen

Für alle anderen Fälle zeigt sich das Personal des Luzern Live verantwortlich. «Generell sind alle Helfer Ansprechpersonen für Besuchende in Not. Wir haben mit den Festivalguides in den hellblauen Westen aber auch ein mobiles Team», sagt Graf.

«Das klingt für mich nach einer schweren Aufgabe.»

Florian Schrauder, Klub Kegelbahn

Doch an ihnen allein soll die erfolgreiche Umsetzung des Awareness-Konzepts nicht gemessen werden. «Die Zivilcourage der Besucherinnen ist für uns essenziell», führt Roland Graf aus. «Dabei möchten wir aber nicht, dass einzelne Personen eigenmächtig eingreifen und sich in Gefahr bringen, sondern dem Awareness-Team Beobachtungen melden.»

Schwierige Aufgabe

Dass es optimal wäre, wenn sich alle – Besucherinnen, Musiker oder Helferinnen – für die Umsetzung eines Awareness-Konzepts verantwortlich fühlen würden, findet auch Florian Schrauder vom Klub Kegelbahn. «Denn das hiesse, dass es alle verstanden haben.» Das bedinge im konkreten Fall des Luzern Live, dass die Helfer und Festivalguides direkt handlungsfähig seien, sollten sie von Besuchern des Festivals auf Vorfälle angesprochen werden.

«Unsere Securitys kommen eigentlich nur zum Zug, wenn wir verbal nicht mehr weiterkommen.»

Florian Schrauder, Klub Kegelbahn

Nebst einer guten Schulung, die gemäss Roland Graf vom Luzern Live vorgenommen worden ist, muss jede Person sofort ihren Posten verlassen können, um sich zu 100 Prozent der betroffenen Person widmen zu können. «Das klingt für mich nach einer schweren Aufgabe. Ich bin gespannt», meint Schrauder.

Securitys kommen fast nie zum Zug

Ausschliesslich auf eine Quasi-Kollektivverantwortung möchte der Klub Kegelbahn nicht setzen. «Wir haben pro Abend eine Person, die explizit für die Umsetzung des Awareness-Konzepts abgestellt ist und zwischen allen Beteiligten für ein gutes Miteinander sorgt.»

«Auf die 0,1 Prozent können alle liebend gern verzichten, glaube ich.»

Florian Schrauder, Klub Kegelbahn

Konkret läuft ein Abend für Gäste des Klubs Kegelbahn wie folgt ab: Schon beim Eingang, aber auch auf den WCs, hängen die Benimmregeln des Lokals. Die Person, die prüft, wer in den Klub darf und wer nicht, weist die Wartenden beim Anstehen erneut daraufhin, dass das ganze Kegelbahnteam jederzeit verfügbar und bereit zum Handeln sei, wenn dies aus irgendwelchen Gründen nötig werde. «Unsere Securitys kommen eigentlich nur zum Zug, wenn wir verbal nicht mehr weiterkommen», erklärt Schrauder. Zum Glück passiere das nur sehr, sehr selten.

Es funktioniert auch in der Baselstrasse

Für das Team des Nachtclubs Kegelbahn ist das im Frühling eingeführte neue Konzept gemäss Florian Schrauder ein Mehrwert gegenüber der Situation davor. Denn selber auf dem Dancefloor Präsenz zu markieren ist angenehmer, als gefühlt alle fünf Minuten die Kollegen vom Sicherheitsdienst nach unten schicken zu müssen.

«Zweifel, wie gut das Ganze ankommen und umsetzbar sein würde, gab es sicher», erinnert sich Schrauder an die internen Diskussionen vor Einführung des Awareness-Konzepts. «Denn es ist für einen privaten, nicht geförderten Klub schwierig, einen solchen Schritt von einem auf den nächsten Tag umzusetzen – auch aus Kosten- und Personalgründen.» Gleichzeitig sei er positiv überrascht, wie gut das Konzept bei den Gästen ankomme. Das Feedback sei zu 99,9 Prozent positiv. «Und auf die 0,1 Prozent können alle liebend gern verzichten, glaube ich.»

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Roland Graf vom Luzern Live
  • Schriftlicher Austausch mit Florian Schrauder vom Klub Kegelbahn
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8 Kommentare
  • Profilfoto von Anna
    Anna, 22.07.2023, 06:17 Uhr

    Sorry, jedoch sollte die Kegelbahn ihr Konsumproblem in den Griff bekommen!

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  • Profilfoto von Jerome Halter
    Jerome Halter, 21.07.2023, 19:41 Uhr

    Eine Armlänge Abstand?

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 20.07.2023, 18:08 Uhr

    Diesen Schmarrn vom Gurten noch einmal wiederkäuen! Unfassbar! Es gibt nicht den allerkleinsten benannten „Vorfall“, geschweige denn einen Beweis, dass irgendetwas passiert ist. Es reicht offenbar schon, „Rassismus“ zu kreischen, damit niemand mehr genauer hinschaut. Das Geschäftsmodell müsste sich doch langsam zu Tode gelaufen haben.

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    • Profilfoto von Häx Nörgeligäx
      Häx Nörgeligäx, 20.07.2023, 22:49 Uhr

      Jä, war den der Herr Bitterli persönlich auf dem Gurten und hat es selbst gesehen?

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      • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
        Marie-Françoise Arouet, 21.07.2023, 01:19 Uhr

        Was Sie hier unterstellen, nennt man „Beweisumkehr“. Ein behaupteter Tatbestand muss nicht belegt, in diesem Fall sogar überhaupt erst genannt werden, sondern dessen Nicht-Existenz muss bewiesen werden. Das hat mit Wissenschaft, Rechtsstaat und Neuzeit nichts zu tun. So ginge nämlich bis zum Beweis des Gegenteils auch die Existenz von fliegenden Teetassen im Asteroidengürtel als Tatsache durch.

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        • Profilfoto von Manuel
          Manuel, 21.07.2023, 15:51 Uhr

          Wenn Sie jemand beleidigt und Sie diesen Ort fortan meiden, so liegt dies in Ihrer Entscheidung. Einen Beweis, dass Sie beleidigt wurden, baucht es nicht, punkt! Es gab weder eine Anzeige noch ein Boykottaufruf.
          Und Aussagen wie Ihre sind Beweis genug dafür, dass die eifrige Kommentar-Schreiber-Gesellschaft – in der Sie zweifelsohne ein Vorzeigeexemplar sind – überall den Woke-Wahnsinn wähnt.

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    • Profilfoto von B Suter
      B Suter, 21.07.2023, 07:50 Uhr

      Warum fühlen Sie sich immer so persönlich angegriffen von Menschen die versuchen Hass und Gewalt in der Welt zu reduzieren?

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 20.07.2023, 16:52 Uhr

    Warum benutzen Frauen nicht ein Notfall App,das mit GPS auch den Standort erruirt!
    Oder Notfall Tracker!

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