Bei Renato Kaiser im Kleintheater Luzern

So schlägt sich Armin Hartmann bei seiner Premiere als Kulturdirektor

SVP-Regierungsrat Armin Hartmann hält im Kleintheater Luzern seine allererste Rede als Kulturdirektor des Kantons Luzern. (Bild: Andréas Härry)

Das Kleintheater Luzern ist mit neuer Theaterleitung in die neue Saison gestartet. Zugegen war auch der neue SVP-Regierungsrat Armin Hartmann. Der eigentliche Mann des Abends, Renato Kaiser, hat Hartmann im Auftrag von zentralplus beobachtet.

Es regnet, der Platz unter dem kurzen Vordach des Kleintheaters ist begrenzt und entsprechend begehrt. Jung und Alt scheinen in freudiger Erwartung ein paar lustiger Stunden der Tristesse des wieder viel zu früh eingedunkelten, nassen Mittwochabends entfliehen zu wollen. Auf der Bühne stehen wird Renato Kaiser. Ostschweizer, Stand-up-Comedian, politisch im linken Spektrum zu verordnen.

Und dieser Mittwochabend steht ganz im Zeichen des gesprochenen Wortes. Denn bevor Kaiser mit seiner ersten von total vier Kleintheatershows loslegen darf, werden Reden gehalten. Nach dem Motto «das Beste zum Anfang» stellt sich die neue Theaterleitung, bestehend aus Janine Bürkli und Fabienne Mathis, vor (zentralplus berichtete) und sorgt mit der Ankündigung von Gratisgetränken für alle Besucherinnen ein erstes Mal für Entzücken.

Hartmanns erstes Mal

Doch damit nicht genug: Emil Steinberger meldet sich per Videobotschaft mit den besten Wünschen aus «Nü York» für das von ihm mitgegründete Kleintheater und das neue Duo an dessen Spitze. Ein paar Minuten später dann eine letzte Rede von jemanden, der genauso neu im Amt ist wie Bürkli, Mathis und der halbe Stiftungsrat: Neu-Regierungsrat Armin Hartmann hält seine allererste öffentliche Ansprache als Luzerner Kulturdirektor. Der SVPler dürfte sich politisch weit weg von Renato Kaiser positionieren, hat aber nun den Auftrag gefasst, optimale Rahmenbedingungen für Künstler wie ihn und die Kulturszene des Kantons Luzern zu schaffen.

«Es geht darum, eine neue regionale Kulturförderung zu installieren, mit der auch mehr bei den Institutionen ankommt.»

Armin Hartmann, Luzerner Kulturdirektor

Es ist mucksmäuschenstill, als Hartmann zu sprechen beginnt. Später werden sich einige Gäste beim kostenlosen Glas Wein witzelnd darüber ärgern, dass sich der Politiker keine Blösse gibt, seine politische Heimat kaum in die Rede einfliessen lässt. Der grosse Skandal zum Start in die neue Saison – er bleibt aus. Stattdessen sammelt Hartmann mit einigen verheissungsvollen Versprechen Sympathiepunkte.

Mehr Geld für die Institutionen

«Neue Wege gehen – was für das Kleintheater gilt, gilt auch für die Regierung», sagt Hartmann ins Mikrofon. Zumindest in der regionalen Kulturförderung, die er mit seinen Kollegen im Auftrag des Parlaments neu denken und finanzieren müsse. Der Kanton solle sich neu auch in der regionalen Kulturförderung engagieren –ohne die kommunale Kulturförderung einfach zu ersetzen. «Es geht darum, eine neue regionale Kulturförderung zu installieren, mit der auch mehr bei den Institutionen ankommt», erklärt Hartmann.

«Entscheiden Sie selbst, ob der Neue in der Kulturdirektion frisch und unverbraucht ist – oder ob er doch eher ungewohnt und gewöhnungsbedürftig ist.»

Armin Hartmann, Luzerner Kulturdirektor

Institutionen wie das Kleintheater? Co-Leiterin Janine Bürkli sollte zentralplus nach der Vorstellung bei einem Schwatz unter dem kurzen Vordach verraten, dass momentan die städtischen Fördergelder für das Kleintheater Sache laufender Verhandlungen seien.

Unabhängigkeit trotz staatlicher Unterstützung

Auf Armin Hartmann kommt viel Arbeit zu. Er stellt die spannendsten Fragen gleich selbst: «Wie stellen wir eine Äquivalenz zwischen Mitsprache und Finanzierung sicher? Wie generieren wir ein Klima, das auf der Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit der Kulturinstitution aufbaut, ihr aber gleichzeitig die notwendige staatliche Unterstützung bereitstellt?» Die Antworten auf diese Fragen zu finden, das sei zwar nicht ganz einfach, aber machbar.

Hartmann bezeichnet sich als Optimist. Darum sei «neu» für ihn positiv konnotiert. Während ständiges Ersetzen des Bisherigen mit zu grossem Verlust von Wissen und Erfahrung einhergehe, sage ihm sein Weltbild aber auch, dass nicht alles Alte einfach gut sei.

«Auch Armin Hartmann scheint die Kleinkunst wichtig zu sein, und da Politikerinnen bekanntlich nie lügen, darf sich das Kleintheater freuen!»

Renato Kaiser, Stand-up-Comedian

Zum Schluss seiner Rede überlässt er dem Publikum das Urteil über seine Person: «Entscheiden Sie selbst, ob der Neue in der Kulturdirektion frisch und unverbraucht ist – oder ob er doch eher ungewohnt und gewöhnungsbedürftig ist.»

Kaiser nimmt Hartmann beim Wort

zentralplus überlässt dieses Urteil Renato Kaiser. «Ich habe noch nie einen SVP-Politiker innerhalb von fünf Minuten so positiv über ‹das Neue› reden hören», wird der Komiker am Tag nach der Vorführung sagen. «Auch Armin Hartmann scheint die Kleinkunst wichtig zu sein, und da Politikerinnen und Politiker bekanntlich nie lügen, darf sich das Kleintheater freuen!»

«Das Kleintheater hält einerseits die schöne Tradition der Kleinkunst hoch und zeigt andererseits, dass man dabei jung, zeitgemäss und divers sein kann.»

Renato Kaiser, Stand-up-Comedian

So sehr, wie sich das Publikum nach den Reden auf die mal alltäglichen, mal politischen, mal leichten und mal deftigen Pointen Renato Kaisers freut. Gekonnt spannt dieser lange Bögen, greift aktuelle Themen wie die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche (zentralplus berichtete), den höchst umstrittenen «Marsch für s'Läbe» mit der damit verbundenen Abtreibungsthematik oder die öffentliche Empörung ob der Klimaaktivisten (zentralplus berichtete) auf.

Jung, zeitgemäss und divers

Ein anderes, in Luzern permanent aktuelles Thema, spricht er hingegen erst im Interview mit zentralplus an. Wieso er nicht in Luzern wohne? Weil er dort wohnen wolle, wo seine Freundin wohne. Und diese hätte gern einen schönen Garten, viel Ruhe und am besten keine Touristinnen. «Das sollte kein Problem sein, oder?», lautet Kaisers rhetorische Frage.

«Mit einem Eigenfinanzierungsgrad von rund 66 Prozent begleitet uns auch immer ein finanzieller Druck.»

Janine Bürkli, Co-Theaterleiterin

Anders als die Touristen wäre das Kleintheater wohl ein möglicher Pull-Faktor für das Paar. «Es ist tatsächlich sehr wichtig für mich, weil es einerseits die schöne Tradition der Kleinkunst hochhält und andererseits zeigt, dass man dabei jung, zeitgemäss und divers sein kann», zeigt sich Renato Kaiser begeistert ob der Konzeption der Kulturinstitution am Bundesplatz.

Ein Ostschweizer Stand-up-Comedian und ein kleinkunstaffiner SVP-Regierungsrat – die Lobby für das Kleintheater Luzern wächst. Und so dürften die von der neuen Theaterleitung offerierten Freigetränke im Nu wieder eingespielt sein. Oder braucht es dann doch etwas mehr, als die Lobby der beiden Herren, um das Kleintheater sicher in die Zukunft führen zu können?

Zwei Drittel Eigenfinanzierung

zentralplus hat bei den beiden Theaterleiterinnen nachgefragt, ob Kaiser oder Hartmann wichtiger sei für sie. Mathis erklärt: «Das Kleintheater braucht beides: Nur mit der Unterstützung der kantonalen und städtischen Kulturförderung gibt es ein Kleintheater, das tolle Künstlerinnen und Künstler wie Renato Kaiser begrüssen darf.»

Wenn sich ihr Publikum weiterhin von ihrem Programm überraschen lasse und sie in naher Zukunft auf mindestens einen weiteren Hauptsponsor zählen dürften, würde das für grosse Entlastung sorgen, sagt Janine Bürkli. «Mit einem Eigenfinanzierungsgrad von rund 66 Prozent begleitet uns auch immer ein finanzieller Druck.»

Doch nicht nur die Finanzierung wird das Kleintheater weiterhin beschäftigen. Auch mit dem Thema Inklusion wollen sich Bürkli und Mathis im Lauf der aktuellen Saison intensiv auseinandersetzen. «Hier ist unser Lernfeld noch sehr gross und entsprechend auch die Herausforderungen, die damit verbunden sind», sagt Bürkli. «Inklusion in einen leistungsorientierten Alltag zu bringen, um ein möglichst barrierefreier Kulturbetrieb zu sein, das wird kein leichter, aber längst überfälliger Prozess.»

Verwendete Quellen
  • Besuch des Kleintheaters
  • Website des Kleintheaters
  • Schriftlicher Austausch mit Renato Kaiser
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