Ausstellung im Museum für Urgeschichte(n)

Skelette in Zug: Was deine Knochen über dich verraten

Eine Sonderausstellung im Zuger Museum für Urgeschichte(n) beleuchtet derzeit archäologische Funde aus dem Kanton. Unter anderem 1'300 Jahre alte Knochen aus einem Baarer Männergrab. Woran man das erkennt, erklärt die Anthropologin Aurélie Gottraux.

Vorbei an steinzeitlichen Töpfen, mit Fellen bekleideten Figuren und nachgebauten Holzhütten führt der Weg zu einer Halle mit verschiedenen gläsernen Kasten. Dort stellt das Museum für Urgeschichte(n) derzeit archäologische Funde aus dem Kanton Zug aus. Die Münzen und Werkzeuge interessieren jedoch weniger als das makabre, zugleich aber faszinierende Hauptexponat: ein Skelett aus einem rund 1'300 Jahre alten Männergrab aus Baar.

Woran man das erkennt? Durch die Arbeit von Archäologen und Anthropologinnen wie Aurélie Gottraux. Sie hat in Genf Biologie und anschliessend prähistorische Archäologie studiert, einige Jahre im Feld gearbeitet und ist zurzeit beim Zuger Museum als Mitarbeiterin zuständig für die Sammlung. Bei einem Besuch vor Ort erklärt sie, wie sie anhand von Details an den Knochen das Geschlecht und die Lebensumstände von verstorbenen Personen bestimmen kann.

Was mickrige Löcher im Schädel bedeuten

Dabei wird schnell klar: Für den Laien ist das gar nicht so einfach erkennbar. So deuten mickrige Löcher in der Augenhöhle auf Mängel in der Ernährung hin. Oder kleinere Unebenheiten auf der Knochenoberfläche auf eine vergangene Verletzung. Oft muss die Autorin den Knochen selbst in die Hand nehmen, um das eben Gesagte nachvollziehen zu können.

Bei diesem Armknochen ist auch für den Laien der Bruch ersichtlich.
Bei diesem Armknochen ist auch für den Laien der Bruch ersichtlich. (Bild: mik)

Wie Gottraux sagt, beginne ihre Arbeit jedoch nicht erst mit der Analyse der Knochen. Im besten Falle sähe sie das Skelett bereits im Feld. Denn auch aus der Art des Grabes, weiteren begrabenen Gegenständen oder der Art, wie das Skelett gebettet ist, können Anthropologinnen Schlüsse ziehen.

Erst danach gehe es daran, die erhaltenen sogenannten Langknochen – also Bein, Oberschenkel, Arm und Oberarm – zu messen und zu untersuchen. Die Messungen geben Aufschluss über die Grösse, die weiteren Analysen über Geschlecht und Alter der begrabenen Personen. Mithilfe dieser Daten liessen sich dann Schlüsse über die Demografie des Friedhofes ziehen.

Finden sich beispielsweise nur Männer, sei es unwahrscheinlich, dass es der normale Friedhof des Dorfes sei. Wahrscheinlicher wäre dann etwa ein Soldatenfriedhof oder der eines Männerklosters. Ist die grobe Demografie bestimmt, werden die Knochen auf mögliche Krankheiten oder Gebrechen analysiert, um Aussagen über deren Lebensweisen treffen zu können.

DNA-Proben zur Korrektur von Stereotypen

Vieles werde inzwischen auch mittels DNA-Proben untersucht, beispielsweise als Kontrolle der eigenen Analysen. Ist es denn nicht frustrierend, wenn man als Anthropologin das mühselige Handwerk der Knochenanalyse gelernt hat, nur um dann durch eine DNA-Probe korrigiert zu werden? Gottraux verneint. «Ich finde das toll. Es gibt uns die Möglichkeit zu beweisen, dass unsere Vorstellungen von früheren Männer- und Frauenrollen nicht immer zutreffen.»

Hier ist die Verletzung schon schwerer ersichtlich. Gemäss Gottraux wäre bei einem gesunden Knochen die Oberfläche des rechten Knochens glatter.
Hier ist die Verletzung schon schwerer ersichtlich. Gemäss Gottraux wäre bei einem gesunden Knochen die Oberfläche des rechten Knochens glatter. (Bild: mik)

Vieles unseres Wissens über die Vergangenheit sei auch Interpretationssache – die nicht immer stimmt. Gottraux macht das Beispiel eines Grabes mit Schwert und einem schwer identifizierbaren Skelett. Aufgrund des Schwertes wären die Gebeine vermutlich eher einem Mann zugeteilt worden. Eine DNA-Probe liefere hierbei Gewissheit, was solche Schlüsse auch schon widerlegt hätte. Jedoch nicht im vorliegenden Fall, die Funde stammen tatsächlich aus einem Männergrab, wie Gottraux erklärt.

Makaber und faszinierend zugleich

Beim Gedanken, gerade die Überreste eines Jahrhunderte alten Mannes zu berühren, beschleicht die Autorin gleichermassen Faszination als auch ein etwas mulmiges Gefühl. Bei der Anthropologin bemerkt man besonders ersteres.

Wer eine ähnliche Erfahrung machen will, muss sich jedoch erstmal gedulden. Den Blick hinter die Kulissen gibt es vorderhand nur an besonderen Aktionstagen. Bis dahin bleiben die Knochen hinter den Glasscheiben – durch welche die Besucher trotzdem das eine oder andere Detail erkennen dürften.

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