Nach erstem Neubauprojekt in Hamburg

QueenKong träumt vom Bemalen der Luzerner Altstadt

QueenKong, das sind Veronika und Marco Schmid, hier in der Villa Viva in Hamburg. (Bild: zvg)

QueenKong zeichnet sich in Hamburg zum ersten Mal für Kunst an einem Neubau verantwortlich. Im Interview mit zentralplus spricht das Luzerner Künstlerpaar über dieses Projekt, über Wandbilder für die Luzerner Altstadt und Kunst für wütende Menschen.

Villa Viva heisst das gemeinnützige Hotel der NGO Viva con Agua, das momentan in Hamburg gebaut wird. Der Neubau wird dabei in eine kunstvolle Fassade gehüllt. Designt haben diese Veronika und Marco Schmid, besser bekannt als QueenKong. Doch für einmal überlassen sie die Umsetzung den Maschinen. Wie sich das für die beiden anfühlt, erzählen sie zentralplus via Videocall direkt von der Baustelle in Hamburg.

zentralplus: Normalerweise bemalt ihr bestehende Gebäude (zentralplus berichtete). Nun gestaltet ihr die Fassade eines Neubaus – für einmal ganz ohne Hebebühne und Spraydosen. Wie kommt ihr damit klar?

Marco Schmid: Es ist nicht ja so, dass wir den Pinsel ganz aus der Hand gegeben hätten. Doch die Fassade besteht aus lauter Lamellen, die maschinell bedruckt wurden. Es handelt sich um Kunst am Bau. Für die Umsetzung haben wir eng mit den Architekten, aber auch den Produzenten dieser Lamellen zusammengearbeitet, was für uns neu und sehr spannend war.

Veronika Schmid: Es war nicht einfach, die Produktion gewissermassen in fremde Hände zu übergeben. Als am Dienstag die ersten Baugerüste abgebaut wurden, verspürte ich grosse Erleichterung. Denn das Endresultat lässt sich endlich sehen – und unsere Idee funktioniert.

Wie das ungefähr aussieht, siehst du im Video:

zentraplus: Der bespielte Teil der Fassade des Hotels ist 3600 Quadratmeter gross – und somit die grösste Fläche, die ihr je gestaltet habt. Seid ihr anders an die Arbeit herangegangen als sonst?

Marco Schmid: Ganz zu Beginn nicht. Das Brainstorming, die Message – all das entsprach der üblichen Vorgehensweise. Aber als es um die Skizzen und Entwürfe ging, mussten wir uns an die Gegebenheiten der Architektur halten. Die Fassade sieht je nach Betrachtungswinkel völlig anders aus. Die Realisation war denn auch sehr abstrakt und komplex.

Veronika Schmid: Schliesslich haben wir unser Projekt eingereicht und uns gegen neun Mitbewerber durchgesetzt. Doch der Prozess bis zur effektiven Umsetzung am Neubau zog sich hin. In dieser Phase der Machbarkeitsstudie in Bezug auf die Materialität und des Stadtbilds haben wir das Werk auf die Essenz reduziert.

zentralplus: Welche Gedanken habt ihr euch bei der Motivwahl gemacht?

Marco Schmid: Der Titel unserer Arbeit lautet «das grosse Ganze». Bei den Recherchen ist uns die optische Ähnlichkeit von Wurzeln, Flüssen und Adern aufgefallen. Wir erkennen aber auch die thematischen Ähnlichkeiten – all jene Gefässe transportieren Flüssigkeit, Nahrung oder Informationen, kurz: das Leben. Das wollten wir in unserer Arbeit zum Ausdruck bringen.

zentralplus: Was hat euch dazu bewogen, beim Projektwettbewerb mitzumachen?

Veronika Schmid: Wir kennen Viva con Agua seit vielen Jahren, sind neben- und miteinander gewachsen. Es ist eine NGO, die unkonventionelle und kreative Wege geht – und beispielsweise durch die Villa Viva Tourismus mit sozialem Engagement verbindet.

Marco Schmid: Sie sind ein wenig wie wir: Sie machen. Der Ansatz ist innovativ. Und dank der Transparenz sind wir auch nach kritischem Hinterfragen des Projekts Villa Viva sicher, dass wir es unterstützen wollen.

zentralplus: Momentan seid ihr in Hamburg auf der Baustelle. Welches Projekt ist euer nächstes in Luzern?

Veronika Schmid: Es ist bald Winter. Eine gute Zeit, um etwa Büros zu bemalen. Grosse öffentliche Wandgemälde sind hingegen momentan nicht spruchreif.

zentalplus: Wo in Luzern würdet ihr denn gerne mal eine Wand einfärben?

Veronika Schmid: In der Altstadt.

Marco Schmid: Es gibt dort viele geschichtsträchtige, bemalte Fassaden. Aber auch viele freie Flächen. Zum Beispiel das Haus, in dem ihr eure Redaktion habt?

zentralplus: Der Denkmalschutz hätte wohl seine Einwände. Und die Illegalität habt ihr bekannterweise hinter euch gelassen. Früher habt ihr bei Nacht und Nebel Häuser besprayt. Ist euch der revolutionäre Geist über all die Jahre abhandengekommen?

Veronika Schmid: Als Mama und Papa können wir uns in der Nacht nicht mehr so einfach rausschleichen wie früher (lacht).

Marco Schmid: Beim Sprayen als Teenie war es die Illegalität an sich, die ich als revolutionär empfand. Das Umfeld war konservativer, ich musste um meine Flächen kämpfen. Heutzutage werden ehemals illegale Farblagen von anderen Künstlern legal übermalt.

Veronika Schmid: Meine illegale Karriere war relativ kurz. Ich wurde früh erwischt – und kam mit etwas Glück ohne Anzeige davon. Schon damals fand ich die Strasse als Leinwand faszinierend. Und realisierte, insbesondere durch Marco, wie tiefgründig die Kunstrichtung Urban Art sein kann.

zentralplus: Was ratet ihr einer jungen Sprayerin, die illegal sprayt?

Veronika Schmid: Es gibt Leute, wie etwa Bansky, die am legalen Sprayen überhaupt nicht interessiert und dennoch erfolgreich sind. Auch Marco hat illegal angefangen zu sprayen. Das eine Rezept, um in der Kunst erfolgreich zu sein, gibt es nicht. Das muss jeder für sich selbst herausfinden – und seinen eigenen Weg gehen.

zentralplus: Den Weg als Künstlerpaar habt ihr vor mehr als 15 Jahren auf einer Weltreise eingeschlagen. Unterwegs habt ihr oft gegen Kost und Logis Wände bemalt. Welche Destination war damals künstlerisch gesehen ein Flop?

Veronika Schmid: In all den Jahren gab es nur ein einziges Projekt, das uns so wenig entsprochen hat, dass wir es nicht einmal fotografiert haben. Auf Wunsch einer Auftraggeberin haben wir Delfine, Palmen und einen Sandstrand auf ihr Haus gemalt. Für uns wurde damals klar: Auch in Auftragsmalereien müssen unsere Sprache, unsere Ideen und unsere Werte einfliessen.

zentralplus: Könnt ihr denn von euren Aufträgen, vom Projekt QueenKong, leben?

Veronika Schmid: Wir bewegen uns im Bereich der Selbständigkeit. Es gibt Momente, in denen viel los ist, und dann wieder ruhigere. Dies muss man aushalten und dem eingeschlagenen Weg vertrauen.

Marco Schmid: In erster Linie wollen wir coole Projekte umsetzen. Gleichzeitig muss die Familie vom Einkommen leben können. Wir sind auf der ständigen Suche nach der perfekten Balance. Auch, weil wir unbedingt viel Zeit mit unserer Tochter verbringen wollen.

zentralplus: Ihr werdet für eure Kunst im öffentlichen Raum in der Regel bezahlt. Doch die meisten Leute konsumieren die Kunst gratis. Verliert sie dadurch an Wert?

Veronika Schmid: Nein, ich finde nicht. Vielmehr gewinnt sie an Wert. Leute, die kaum Zugang zu Kunst haben, kriegen einen solchen und werden bestenfalls von unseren Werken berührt.

Marco Schmid: Durch die Arbeit im öffentlichen Raum erhalten wir auch sehr viel direktes Feedback von den Passanten, unterhalten uns beim Malen mit wildfremden Leuten. Für ein paar Tage oder Wochen tauchen wir ins Quartierleben ein – und werden Teil davon.

zentralplus: Eure Kunst begeistert ein breites Publikum. Darunter auch viele Menschen, die am Sonntag wohl anders gewählt haben als ihr. Wie politisch ist eure Kunst?

Veronika Schmid: Die Politik ist nicht Teil unserer Kunst. Wir findens cool, wenn unsere Kollegen sich in der Kunst politisch äussern. Aber das ist nicht unser Ding.

Marco Schmid: Unsere Kunst ist eher philosophisch als politisch. Die Botschaft ist simpel: Wir glauben an die Liebe, die über allem steht. Und ans Leben.

Veronika Schmid: Politisch motiviert war allenfalls die Entscheidung, in Sursee eine Fussballerin und keinen Fussballer ans Stadion zu malen.

Das einzige politische Wandbild des Künstlerpaars QueenKong. (Bild: zvg)

zentralplus: Richtet ihr euch mit eurer Kunst auch an Nazis?

Marco Schmid: Das Trennende und Ausschliessende dieser Ideologie geht uns total gegen den Strich. Doch wenn unsere Kunst solche Menschen berührt und vielleicht sogar zu einem Umdenken bewegt – wieso nicht?

Veronika Schmid: Das Gegenteil von Liebe sind Angst und Hass. Bestenfalls erreichen wir mit unserer immerzu positiven Message in unserer Kunst auch wütende Menschen – im Extremfall auch Nazis.

Marco Schmid: Würden wir Negatives auf die Wände malen, würden wir damit sicherlich auch Negatives nähren. So gesehen sind unsere Wandbilder eine Investition ins Gute.

Verwendete Quellen
  • Videotelefonat mit QueenKong
  • Medienmitteilung von QueenKong
  • Website der Villa Viva in Hamburg
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10 Kommentare
  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 26.10.2023, 17:29 Uhr

    Bilder sind Geschmacksache, aber die Lamellen, sind jetzt gar nichts, wo soll da Kunst sein?

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  • Profilfoto von Alex M.
    Alex M., 26.10.2023, 12:52 Uhr

    Luzern könnte seinen kulturellen Horizont erweitern und sich vom altmodischen Image lösen, indem es in die Streetart-Szene investiert. Die bestehende Kunst aus Fußballkreisen bringt bereits eine dynamische Note in die Stadt, aber es gibt Raum für mehr Vielfalt und Kreativität. Die Unterstützung von talentierten Streetart-Künstlern aus verschiedenen Bereichen könnte Luzern in ein faszinierendes Kunstzentrum verwandeln, das auch für ein jüngeres, trendbewusstes Publikum interessant ist. Dies würde nicht nur die lokale Kulturszene bereichern, sondern auch das touristische Angebot aufwerten und Luzern als moderne und lebendige Stadt positionieren.

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  • Profilfoto von Heinz Gadient
    Heinz Gadient, 26.10.2023, 12:45 Uhr

    Sehr schöne Graffities entstehen immer wieder beim Freigleis, nahe Südpol. Leider gibt es immer wieder so neidische Schmierfinken, die ihre kindischen Tags darüber schmieren müssen. Schade.

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    Paul, 26.10.2023, 12:33 Uhr

    Top! Cool! Wunderbar!

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    Hanspeter Flueckiger, 26.10.2023, 08:15 Uhr

    Cool. Wollte eigentlich mein Haus zur Verfügung stellen. Aber mir graut es vor Frau Josts Erhaltungsfetischisten und Verhinderer.

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    • Profilfoto von Gruesse vom Einhorn Schlachthaus
      Gruesse vom Einhorn Schlachthaus, 26.10.2023, 11:10 Uhr

      Apropos zur Verfügung stellen und Frau Jost:
      Sucht nicht noch die Familie Eichwäldli händeringend nach Wohnraum für lau und Häuser, die sie beleben können?

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    Marie-Françoise Arouet, 26.10.2023, 08:14 Uhr

    Hilfe! Schützt die Altstadt!

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    • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
      Hanspeter Flueckiger, 26.10.2023, 12:00 Uhr

      Die Altstadt befindet sich in der Schutzzone A. Da wird alles geschützt. Viele Häuser in der Altstadt wurden zudem früher schon unsäglich verunstaltet. Da muss man eigentlich nicht mehr jeden Schandfleck schützen.

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    • Profilfoto von guido blunschi
      guido blunschi, 26.10.2023, 13:10 Uhr

      Unsere Altstadt verdient Schutz, doch ebenso verdient sie es, mit der Zeit zu gehen und frische, kreative Impulse zu erhalten. Kunst im öffentlichen Raum kann eine Brücke zwischen der bewahrten Geschichte und einem lebendigen, zeitgenössischen Luzern schlagen. Lasst uns gemeinsam an einer Stadt arbeiten, die ihre Wurzeln ehrt, während sie offen für Innovation und Vielfalt bleibt.

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      • Profilfoto von Roli Greter
        Roli Greter, 26.10.2023, 17:21 Uhr

        Kunst liegt im Auge des Betrachters, just sayin›

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