Junge Filmnerds bringen frischen Wind

Neu im Stattkino: Anime, Trash-Granaten und Literatur

Der Filmfan Yannic Barbato hat im Stattkino Luzern eine Anime-Filmreihe ins Leben gerufen. (Bild: zvg)

Das Luzerner Stattkino will sich verjüngen. Dafür sorgen jetzt zwei junge Filmfans mit ganz eigenen Filmreihen – und Literaturpreisträger Kim de l'Horizon.

Die Luzerner Kinolandschaft ist in Bewegung. Während aus dem altehrwürdigen Moderne an der Pilatusstrasse eine Bar mit Eventlocation wurde (zentralplus berichtete), buhlen auf der anderen Stadtseite das Bourbaki und das auf alternative Filme spezialisierte Stattkino um Gäste.

Besonders das Stattkino blickt auf ein turbulentes halbes Jahr zurück. Wegen Corona und schwindenden Besucherzahlen gerieten die Finanzen des rund 30 Jahre alten Arthouse-Kinos in Schieflage. Das Team um Stattkino-Leiter Peter Leimgruber lancierte daraufhin eine Crowdfunding-Kampagne. Mit Erfolg. Innert zwei Monaten kamen rund 65'800 Franken zusammen.

Stattkino-Team wird jünger

Leimgruber will aber nicht einfach weitermachen wie bisher, sondern die gegenwärtigen Probleme angehen. «Wir haben den Vorstand nicht nur vergrössert, sondern auch verjüngt», sagt er gegenüber zentralplus. Der Vorstand besteht jetzt aus acht Mitgliedern, vier davon sind neu und das jüngste Mitglied ist erst 25 Jahre alt. Für Leimgruber ist klar, Arthouse-Filme stossen bei einem jüngeren Publikum auf weniger Interesse als bei älteren Kinogästen.

An der grundsätzlichen Arthouse-Ausrichtung hält Leimgruber zwar weiterhin fest. Neu werden aber auch regelmässige Filmvorstellungen jenseits des Arthouse-Bereichs im Stattkino gezeigt, die auch ein junges Publikum ansprechen sollen: Kultfilme, Trash-Granaten und Animes. Dafür hat Leimgruber zwei jüngere Filmnerds ins Boot geholt. Leimgruber lässt den beiden bei der Wahl der Filme freie Hand. «Ich kenne mich da zu wenig aus», sagt er, unterstützt sie aber nach Kräften mit seinem Know-how.

Neu mit Kult und Trash …

Der Filmfan, Magier und Gastronom Luc Meyer (37) kuratiert die Reihe «Kultfilm», in der sowohl Trash- als auch Kultfilme gezeigt werden, wobei die Grenzen hier manchmal fliessend sind, wie Luc Meyer gegenüber zentralplus sagt. Meyer beschäftigt sich seit Jahren mit dem Medium Film, hat selbst auch in einigen grösseren und kleineren Produktionen mitgewirkt. Sein Ziel ist es, in seiner Stattkino-Filmreihe Werke zu zeigen, die künstlerisch wertvoll sind, aber noch nicht zu bekannt sind.

Der Anfang der neuen Reihe im Stattkino machte dabei der Grindhouse-Film «Hobo with a Shotgun» mit Rutger Hauer aus dem Jahr 2011. Die Vorstellung sei gut besucht gewesen, sagt Luc Meyer. Am 11. März zeigt er mit «Naked Lunch» von David Cronenberg eine Literaturverfilmung des gleichnamigen Skandalromans von Williams S. Burroughs. Weitere Filme sind derzeit in Abklärung. An die jeweiligen Streifen heranzukommen, sei je nach Werk eine Herausforderung. «Besonders bei Filmen, die hierzulande noch nie gezeigt wurden.» Letztlich sei es aber immer irgendwie machbar.

«Ich verteile gerne eine filmische Ohrfeige.»

Luc Meyer

In Zukunft plant er ausserdem, die Reihe um Skandalfilme zu erweitern. Werke, wie etwa Pier Paolo Pasolinis «Die 120 Tage von Sodom» oder «Cannibal Holocaust» des im vergangenen Dezember verstorbenen Ruggero Deodato stehen auf Luc Meyers Wunschliste. Letzterer ist ein Film, der bis heute mit seinen echten Tiertötungen und handwerklich perfekt getricksten Splatterszenen im Gespräch geblieben ist – und nach seinem Erscheinen 1980 in vielen Ländern verboten wurde. «Ich möchte Filme zeigen, von denen viele schon gehört, die aber nur wenige gesehen haben.» Anschliessend soll noch über das Werk diskutiert werden. Denn: «Ich verteile gerne eine filmische Ohrfeige», sagt Luc Meyer gut gelaunt. Allerdings verteilt er diese nur, um im Anschluss mit den Gästen über das Gesehene zu diskutieren.

Meyer schätzt diese Gespräche, gerade bei eher umstrittenen Werken. Nach der Vorstellung von «Hobo with a Shotgun» sei bis in die frühen Morgenstunden konstruktiv diskutiert worden. Trashfilme wie «Hobo» wirken vordergründig meist simpel und blutrünstig. Aber nicht selten sprechen vor allem ältere Trash- oder Splatter-Filme, die sich bis heute im Bewusstsein gehalten haben, gesellschaftliche oder politische Themen an. Natürlich auf ihre ganz eigene, für viele sehr ungewöhnliche Art und Weise. «Wenn man sich das Blut aus den Augen gewischt hat, erkennt man oft, was für eine Tiefe hinter solchen Filmen stecken kann», sagt Meyer.

… und Animes

Eine zweite Filmreihe läuft unter dem Titel «Anime» und wurde von Yannic Barbato initiiert. Der 23-Jährige ist persönlich ein grosser Fan von Animes, also Animationsfilmen und -serien aus Japan. Vor einigen Jahren noch als totale Nischenwerke betrachtet, haben Animes nicht zuletzt seit dem Oscargewinn von Hayao Miyazaki Meisterwerk «Chihiros Reise ins Zauberland» auch in den westlichen Ländern eine wachsende Fangemeinde gefunden.

Der junge Luzerner kam vor rund acht Jahren in die Schweizer Animeszene. «Ich habe damals meine ersten Animeserien und -filme gesehen und war ziemlich angetan davon.» Gefallen haben ihm unter anderem der schräge Humor, die Vielfalt an Zeichnungsstilen und auch die für westliches Publikum meist ungewohnte Erzählweise. Heute ist der hauptberuflich als Kondukteur tätige Barbato fest in der Szene verankert. Das kommt ihm auch für seine Kinoreihe zugute: «Ich tausche mich mit der Community beispielsweise darüber aus, welche Filme sie gerne sehen würden.»

Als Nächstes hat er mit «Detektiv Conan – Die Halloween-Braut» eine Filmauskopplung der seit 1996 laufenden Animeserie aufs Programm gesetzt. Der Film flimmert am 26. Februar über die Stattkino-Leinwand. Am 19. März folgt dann mit «A Silent Voice» ein mehrfach ausgezeichnetes Zeichentrickdrama. Bei der Wahl der Filme sind Barbato nur insofern Grenzen gesetzt, welche Verleiher ihre Filme für eine einzelne Vorstellung zur Verfügung stellen.

«Ich mache das nicht des Geldes wegen.»

Yannic Barbato

Yannic Barbato kann dank der eng vernetzten Anime-Community auch auf ein treues Publikum setzen. Nebst Werbung durch das Stattkino bewirbt Yannic Barbato die einzelnen Filmanlässe vor allem auf Social Media. Und das scheint zu reichen. «Bei einer früheren Vorstellung von ‹Konosuba› hatten wir Full House», erinnert er sich.

Reich wird Yannic Barbato mit der Animereihe im Stattkino jedoch nicht. Nach allen Abzügen bleibt nicht mehr viel Umsatz übrig. «Es ist in der Regel ein Nullrundenspiel», erzählt er. Stören tut ihn das nicht. «Ich mache das nicht des Geldes wegen.» Vielmehr liegt ihm daran, künstlerische Zeichentrickfilme aus Fernost einem hiesigen Publikum zugänglich zu machen.

Kim de l'Horizon in Luzern

Nebst Kultkino und Anime setzt das Stattkino künftig auch auf weitere Events. Einer davon ist beispielsweise die Leseveranstaltung «LiteraturLive», die am 25. März im Kinosaal stattfinden wird. In Zusammenarbeit mit der Hirschmatt-Buchhandlung, der Stadtbibliothek Luzern und der Zentral- und Hochschulbibliothek holt das Stattkino Kim de l'Horizon nach Luzern. De l'Horizon gewann mit dem Debütroman «Blutbuch» den Deutschen Buchpreis 2022 und den Schweizer Buchpreis 2022.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Peter Leimgruber
  • Telefongespräch mit Yannic Barbato
  • Telefongespräch mit Luc Meyer
  • Website Stattkino
  • Artikel des «The Guardian» über «Cannibal Holocaust»
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Sämi
    Sämi, 20.02.2023, 14:40 Uhr

    Geilgeilgeil, Hobo with a shotgun ist was ganz feines, wird mir eine Freude sein, den auf grosser Leinwand zu sehen. Braucht einen etwas kräftigeren Magen aber man wird gut bedient.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 20.02.2023, 08:53 Uhr

    Geil! Luc, wenn du Feuer auf Räder auftreiben kannst haben wir ein Date.

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