Splatter-Filmfest in Luzern

Im Bourbaki gibt’s Kettensägen, Blut und Eingeweide

Tobias Brücker (oben) und Heinrich Weingartner (unten) zeigen an ihrem Filmfest unter anderem den Horror-Klassiker «Texas Chainsaw Massacre». (Bild: Dropoutfilms / zvg)

Literweise Blut, platzende Schädel und herauspurzelnde Gedärme – Splatterfilme sind ein Genre für sich. Zwei Luzerner widmen nun einen ganzen Tag dem morbiden Gemetzel – natürlich nur auf der Leinwand.

Blutüberströmt humpelt eine verletzte Frau über eine verlassene Landstrasse. Hinter ihr folgt ein Hüne von einem Mann in einem schmutzigen Anzug, der eine Kettensäge schwingt. Und als wäre das nicht schon furchteinflössend genug, trägt der unartikuliert schreiende Kerl eine Maske aus Menschenhaut.

«The Texas Chainsaw Massacre» von Tobe Hooper löste bei seinem Erscheinen 1974 eine Welle der Empörung aus. Heute gilt der Kultfilm als Meilenstein der Horrorfilmgeschichte und wurde mit zig Fortsetzungen bedacht – die letzte erschien erst vor wenigen Monaten auf Netflix. Am Samstag, 14. Mai, feiert der Film ein einmaliges Revival im Kino Bourbaki – und befindet sich dabei in bester Gesellschaft.

«Innereien Filmfest» – der Name ist Programm

Am «Innereien Filmfest», das im Rahmen des «Innereien Kulturprojekt» der Albert-Koechlin-Stiftung durchgeführt wird, widmen zwei Luzerner Filmbegeisterte einen ganzen Tag dem blutigen cineastischen Treiben. Auf dem Programm stehen neben dem vorgenannten Film auch George A. Romeros Zombie-Klassiker «Night of the Living Dead» (1968), die französische Komödie «Delicatessen» (1991), «Cannibal! The Musical» (1993) von Trey Parker und Julia Ducournaus hochgelobtes Kino-Debüt «Raw» (2016).

Initiiert und zusammengestellt wurde das Programm von Heinrich Weingartner (32) und Tobias Brücker (34), die sich schon seit Jugendjahren mit dem Filmen beschäftigen. Unterstützt werden die beiden von der Luzerner Grafikerin und Veranstalterin Elena Rast. «Uns ging es darum, eine möglichst bunte Mischung an Splatterfilmen zu präsentieren», erklärt der Journalist und Kulturschaffende Heinrich Weingartner gegenüber zentralplus. Das sei gar nicht so einfach gewesen, denn das Genre bietet einerseits eine immense Auswahl, aber auch rechtliche Stolpersteine.

Die Sache mit dem Urheberrecht und dem lieben Geld

So hing das Programm auch davon ab, für welche der Filme sie die Vorführrechte bekamen und welche sie sich leisten konnten. Denn je nach Film und Verleiher müssen die beiden pro Film zwischen 300 und 700 Franken für die einmalige Vorstellung berappen.

«Manchmal darf ein Splatterfilm auch einfach stumpfsinnig sein und Spass machen.»

Heinrich Weingartner

Spannendes Detail: Der Luzerner Kulturwissenschaftler Tobias Brücker ist an sich kein grosser Fan von Horrorfilmen. «Aber als das Thema Innereien bekannt gegeben wurde, war der Fall für uns klar.» Während ältere Semester unter dem Begriff Innereien eher Bezüge zur Metzgete und ähnlichem herstellen, findet Brücker: «Wir kennen den Begriff Innereien vor allem aus dem Bereich Film. Namentlich dem Splatterfilm.» Als solche werden meist Filme bezeichnet, die grosszügig mit Blut, Gedärmen und abgetrennten Gliedmassen umgehen.

Was macht guten Splatter aus?

Es stellt sich die Frage, was macht den Reiz solcher Filme aus? «Ein guter Splatterfilm vermag nicht nur über die Optik und Ästhetik zu fesseln, sondern auch über den Inhalt», erklärt Weingartner. Vor allem ältere Filme seien häufig im Kontext eines politischen Themas ihrer Zeit entstanden.

George A. Romeros «Night of the Living Dead» beispielsweise wurde seit Veröffentlichung 1968 in alle möglichen Richtungen interpretiert: als Reaktion auf den Vietnamkrieg oder die Rassenunruhen in den USA. Schliesslich ist die Hauptfigur des Filmes ein Afroamerikaner, der am Ende «aus Versehen» erschossen wird, weil eine Bürgerwehr ihn für einen Zombie hält.

George A. Romeros «Night of the Living Dead» vermischt Zombie-Horror mit Sozialkritik.
George A. Romeros «Night of the Living Dead» vermischt Zombie-Horror mit Sozialkritik. (Bild: Dropoutfilms)

Weingartner gibt aber auch zu: «Manchmal darf ein Splatterfilm auch einfach stumpfsinnig sein und Spass machen. Ein Splatterfilm ist für mich wie eine Achterbahnfahrt.» Eine Mischung aus Ekel, Humor, Grusel und Faszination für das filmische Handwerk.

Eine Frage des Geschmacks?

Splatterfilme stehen aber auch in der Kritik. Der Vorwurf: Die Filme seien gewaltverherrlichend oder könnten emotional abstumpfen. Ausserdem: Wer derzeit die Nachrichten schaut, wird mit grauenvollen Bildern konfrontiert, die leider nicht von Effektspezialisten inszeniert und mit pulstreibender Musik unterlegt wurden. Sie zeigen das reale Grauen. Zerbombte Häuser, Massengräber und Kinderleichen auf den Strassen.

Diese Schere zwischen realer Gewalt am Bildschirm und dem inszenierten Gemetzel auf der Kinoleinwand existiert seit Anbeginn des Genres und ist immer wieder Gesprächsthema. «Wir haben uns natürlich auch Gedanken dazu gemacht», sagt Tobias Brücker. «Aber es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen fiktiver Gewalt und realer Gewalt», findet Heinrich Weingartner.

«Bei einem Splatterfilm lasse ich die Realität hinter mir.»

Tobias Brücker

Er nennt sich selbst als Beispiel: «Der Krieg in der Ukraine geht mir sehr nahe. Ich verabscheue Gewalt im realen Leben und bin Pazifist. Aber an einem Splatterfilm kann ich trotzdem Spass haben.»

Brücker ergänzt: «Bei einem Splatterfilm lasse ich die Realität hinter mir. Wenn ein super übertriebener Blut-Effekt eingesetzt wird, erfreut das mein Auge. Ein ‹Tatort› beispielsweise konfrontiert mich meistens mehr mit der Realität.»

Ein blutiges Fest im Bourbaki

Zartbesaitete Naturen werden am kommenden Samstag also eher nicht ins Bourbaki pilgern. Alle anderen erwartet hingegen ein waschechtes «Fest», wie die beiden Initianten betonen. Denn sie lassen das Thema Innereien bei ihrem Filmfest nicht nur über die Leinwand flimmern.

Sobald man das Bourbaki betrete, tauche man in die blutige Welt des Splatterfilms ein, erklären sie. Das Konzept ziehe sich von den eigens gestalteten Häppchen bis zur Musik des Luzerner DJs Michel Richter durch, der verschiedene Soundtracks aus Horrorfilmen auflegen wird. «Ziel ist es, ein Gesamterlebnis zu schaffen», so Brücker. «Nur mit Filmen alleine holt man heutzutage leider kaum noch ein jüngeres Publikum ins Kino. Darum haben wir den Anlass bewusst als ganztägiges Fest geplant.»

Verwendete Quellen
  • Zoom-Gespräch mit Heinrich Weingartner und Tobias Brückner
  • «Innereien Kulturprojekt» Website
  • Programm Kino Bourbaki
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