Tradition mit Partyzelt und Backmarathon

Chrööpfelimee: Darum lassen sich diese Zuger Paare besingen

Auch Remo und Petra Merz wurden am Sonntag beim Chrööpfelimee besungen. (Bild: wia)

Beim alten Brauch Chrööpfelimee wurden am Sonntag elf Zuger Paare von elf Chören besungen. Diese erhielten im Gegenzug Wein und, klar, Chrööpfeli. Die Geschichten, die hinter den Besungenen stehen, sind teils herzerwärmend.

Eine Schar Herzen zieht durch die Zuger Altstadt. In der Zeughausgasse steht eine Gruppe Gärtnerinnen unter einem Fenster, während ein Chor aus Puzzleteilen am Landsgemeindeplatz weilt. Dass es sich dabei nicht um verloren gegangene Fasnächtler handelt, merkt man, sobald sie ihre Münder öffnen. Vielmehr sind es Singformationen, die an diesem Sonntagabend im Februar frisch verheirateten Paaren ein wertvolles Geschenk bescheren.

Die Chöre singen alte, aber auch neue Liebeslieder, dafür erhalten sie Wein und Chrööpfeli, die in einem Korb am Seil heruntergelassen werden. Daher auch der Name Chrööpfelimee. Denn das Gebäck gibts nicht nur einmal, nein, der gefüllte Korb wird, nachdem die Chöre mit einem bestimmten Lied «Chrööpfeli mee» verlangen, ein zweites Mal herabgelassen.

Der Chor Laut & Luise entzückte das Volk mit schwierigen, mehrstimmigen Liedern. (Bild: wia)

Von Backstreet Boys bis «Azzurro»

Heuer sind es elf Zuger Paare, die von verschiedenen hiesigen und auswärtigen Singformationen unterhalten werden. Die musikalische Bandbreite ist dabei beachtlich. Von mehrstimmigen Volksliedern über «Ewigi Liebi» als Mitsingversion bis hin zum Italo-Klassiker «Azzurro» und ABBA- sowie Backstreet-Boys-Hits ist alles dabei. Auch das macht den Charme dieses alten Brauchs aus: Ein Quäntchen Humor schwingt stets mit.

«Nun sind wir Teil davon. Das ist schon speziell.»

Petra Merz, Teilnehmerin des Chrööpfelimee

Die Fischerstube hat an diesem Sonntag ihre Türen – und ein mit Herzballonen dekoriertes Fenster – geöffnet. An diesem steht Petra Merz mit ihrem Mann Remo und wird damit Teil der Tradition. «Ich dachte ursprünglich, dass nur Verlobte teilnehmen dürften. Darum war ich sehr froh, dass es trotzdem funktionierte.» Denn das Paar hat bereits im vergangenen Jahr geheiratet.

Ein besonderer Bezug zur Stadt Zug

Vom Chrööpfelimee-Brauch erfuhr die gebürtige Walchwilerin vor einigen Jahren. «Seither wollte ich als Zuschauerin dabei sein, doch haben wirs bisher nie geschafft. Und nun sind wir gleich Teil davon. Das ist schon speziell.» Dies insbesondere auch, da das Paar einen besonderen Bezug zur Stadt und auch zur Altstadt hat. «Wir haben uns im Ausgang in der Stadt Zug kennengelernt. Nun wohnen wir hier und haben vergangenen Herbst sowohl unsere zivile als auch die kirchliche Trauung in der Altstadt gefeiert.»

Die Suche nach einem geeigneten Lokal fürs Chrööpfelimee sei indes nicht ganz einfach gewesen. «Viele Beizen haben am Sonntag geschlossen.» Als sie beim Fischerstube-Besitzer André Bliggenstorfer angeklopft hätten, sei dieser jedoch sofort dabei gewesen. «Und dies, obwohl an diesem Tag ein Teamanlass geplant gewesen war.»

Ein Anlass, der die Zuger Altstadt zum Leben erweckt: das Zuger Chrööpfelimee. (Bild: wia)

Ein Paar buk eigenhändig fünf Kilo Chrööpfeli

Ein weiteres Paar mit einer besonderen Geschichte steht auf einem Balkon beim Landsgemeindeplatz. Patrick und Rebecca Hegglin haben im vergangenen Jahr geheiratet. Das Paar, das sich vor 13 Jahren kennengelernt hat, erlebte jedoch schon so manches Abenteuer miteinander. 2019 startete es mit einem umgebauten Saurer-Lastwagen von Menzingen aus in Richtung Australien (zentralplus berichtete). Zwar machte Corona den ursprünglichen Plänen einen Strich durch die Rechnung, aufregende Geschichten erlebten die Reiselustigen jedoch en masse.

«Uns sind Traditionen wichtig. Wir hatten vernommen, dass sich dieses Jahr noch nicht viele Paare angemeldet hatten. Wir fanden, es sei schade, wenn Bräuche verloren gehen, weil niemand mehr mitmacht, und haben uns gemeldet», sagt Rebecca Hegglin. Dies, obwohl sie selbst nicht in der Stadt wohnen. Für den Anlass sind sie im Haus eines Bekannten untergekommen.

«Der Aufwand, wenn man selbst Chrööpfeli bäckt, ist nicht zu unterschätzen.»

Rebecca Hegglin, Teilnehmerin des Chrööpfelimee

Besonders: Die Blätterteig-Chrööpfeli hat die gelernte Bäckerin gemeinsam mit ihrem Partner selbst gebacken. «Wir hatten noch selbst gemachte Konfitüre vom vergangenen Jahr, was uns gerade gelegen kam. Wir haben jedoch gemerkt: Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Wir haben ungefähr fünf Kilo Chrööpfeli gebacken. Die ganze Küche war voll davon», sagt die Bäckerin und lacht.

Patrick und Rebecca Hegglin lassen die selbst gemachten Chrööpfeli zu den Singenden hinunter. (Bild: wia)

Seit 33 Jahren verheiratet, doch wie frisch vermählt

Eine besondere Liebesgeschichte versteckt sich auch etwas ausserhalb der Altstadt, nämlich an der Fadenstrasse, wo gleich zwei Paare von Chören besungen werden. Eines, das tatsächlich frisch vermählt ist. Ein anderes, das sich wie frisch verheiratet fühlt. Peter Wickart sagt dazu: «Wir sind bereits länger verheiratet. Konkret sind es 33 Jahre. Doch waren die vergangenen drei Jahre schwierig. Nun sind wir wieder zusammen und fühlen uns wie frisch vermählt. Deshalb haben auch wir uns angemeldet.»

Mit der Anmeldung habe es sich um eine Überraschung gehandelt. Eine geglückte, wie er beteuert. Nicht nur für seine Frau, sondern auch für die Tochter. Denn diese hat im vergangenen Jahr geheiratet und wird nun ebenfalls Teil des Chrööpfelimee-Brauchs. Um diesen gebührend zu feiern, hat die Familie Wickart extra ein Partyzelt auf der Garage aufgestellt.

An der Fadenstrasse wurden gleich zwei Generationen besungen. (Bild: wia)
Verwendete Quellen
  • Telefoninterviews mit Teilnehmerinnen
  • Besuch des Anlasses
  • Website der Schneiderzunft
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Stefan Hodel
    Stefan Hodel, 19.02.2024, 12:22 Uhr

    Herzerwärmend, auch dieses Jahr wieder! Für einmal bei optimalen Wetterbedingungen. Danke allen die mitsingen oder sich besingen lassen. Danke auch dem OK!

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