Die Idee, welche unsere Community im
Februar 2022 möglich gemacht hat.
Stimmt es, dass man in Zug nur politische Karriere macht, wenn man der Bauleute-Zunft angehört?
Daniela Übersax machts seit 2021 möglich.
Die zentralplus Möglichmacher-Story vom April

Was ist dran am Zuger Filz in der Bauleute-Zunft?

Philipp Hofmann (rechts) hat letzten Herbst das Zepter bei den Zuger Bauleuten von Daniel Schwerzmann übernommen. (Bild: zvg)

Gleich zwei Zuger Regierungsräte und ein national bekannter Politiker sind Mitglied der Bauleute-Zunft. Was ist dieser exklusive Verein und welchen politischen Einfluss hat er? Die Möglichmacher von zentralplus haben uns beauftragt, dem nachzugehen.

Die Liste der Zuger Polit-Prominenz ist einigermassen lang: Gerhard Pfister, Chef der Mitte Schweiz, die beiden Regierungsräte Heinz Tännler (SVP) und Martin Pfister (Mitte), Kantonsrat Rainer Leemann (FDP) und der langjährige Mitte-Kantonsrat Heini Schmid. Sie alle sind Mitglied der Zuger Bauleute-Zunft. Auch wichtige Kaderleute der Verwaltung gehören zum exklusiven Club, etwa der Landschreiber Tobias Moser oder Lukas Fürrer, Generalsekretär der Bildungs- und Kulturdirektion.

Zufall – oder steckt da mehr dahinter? Das will unsere Leserin Daniela Übersax wissen. Als Möglichmacherin hat sie sich – und mit ihr eine Mehrheit der Community – eine Antwort auf die Frage gewünscht. «Stimmt es, dass man in Zug nur politische Karriere macht, wenn man der Bauleute-Zunft angehört?»

Zunftmeister relativiert die Quote

Die simple Antwort: Nein. Es gibt sehr viele Amtsträger in Zug, die nichts mit der Bauleute- oder sonst einer Zunft am Hut haben. Und dennoch politische Karriere machen. Doch diese Kurz-Antwort greift sicher zu kurz.

Wir fahren deshalb nach Zug, zum Gebäudekomplex an der Aa. Im Stockwerk 1.5 (kein Witz) empfängt uns Philipp Hofmann. Der Baarer arbeitet bei den Zuger Verkehrsbetrieben und ist seit letztem Herbst Zunftmeister der Bauleute.

«Es fällt schon auf, dass die Bauleute-Zunft in Zug am meisten aktive Politiker in ihren Reihen hat.»

Christian Raschle, Historiker

Er scheint ein wenig erstaunt über unsere Frage. Politik sei an den regelmässigen Treffen kaum je ein Thema, geschweige denn ein Schwerpunkt. Der Zweck der Zunft sei vielmehr geselliger Natur.

Dann rechnet Hofmann vor: Von den knapp 80 Mitgliedern der Bauleute-Zunft seien rund fünf Prozent politisch aktiv. «Diese Quote haben wohl auch andere Vereine wie der Fussballclub, die Velolobbyorganisation oder die Frauenzentrale», sagt er und schmunzelt. «Aber wir haben ein paar sehr bekannte Persönlichkeiten dabei – und die kennt man halt.» 

Das Sprungbrett wird kaum benutzt

«Es fällt schon auf, dass die Bauleute-Zunft in Zug am meisten aktive Politiker in ihren Reihen hat», sagt Christian Raschle. Der Historiker ist selber Mitglied einer Zunft – jene der Schreiner – und hat mehrere Bücher und Artikel zum Thema verfasst. Ihren politischen Einfluss hält er aber für überschaubar. «Die Bauleute-Zunft dient in den allerwenigsten Fällen als Sprungbrett für eine politische Karriere», sagt Raschle.

Die Namen der Zunft-Mitglieder sind bekannt in Zug. (Bild: lih)

Zwar seien gesellschaftliche Engagements bei Politikern sicher förderlich, um in ein Amt gewählt zu werden, doch das könne genauso gut in einem Berufsverband oder dem Quartierverein sein. Und: in diese Positionen kommt man wohl einfacher, zumindest ist es planbarer.

Wie kommt man in diesen exklusiven Club?

Denn in den exklusiven Kreis der Bauleute-Zunft kommt nur, wer von drei bestehenden Mitgliedern («Meistern») empfohlen wird. Das heisst, man braucht bereits ein Netzwerk, familiäre Beziehungen (oft werden Söhne oder Schwiegersöhne nachgezogen) oder ein gesellschaftliches Renommee. Nicht mehr zwingend ist ein Bezug zum Baugewerbe – auch ein Frauenarzt oder ein Polizist sind heute Mitglied.

«Mit diesen paar hundert Stimmen gewinnt man keine Wahl.»

Philipp Hofmann, Zunftmeister

Allein wegen einer politischen Funktion werde aber niemand in die Zunft aufgenommen, sagt Hofmann. Für ihn gibt es aber durchaus Parallelen zwischen Politikern und Zunftmitgliedern: «Wer bei uns Mitglied wird, ist in der Regel ein Macher, sei es in Wirtschaft oder Gesellschaft. Jemand, der gerne tatkräftig anpackt und sich engagiert. Diese Eigenschaft braucht es auch für Erfolg in einem Exekutivamt.» 

Zunft will transparent sein

Und was ist mit dem Netzwerk? «Dieses Netzwerk, oberflächlich auch als Filz bezeichnet, ist wichtig, denn die Beteiligten wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können, weil sie über Vertrauen und Fachkompetenz verfügen», sagt Historiker Christian Raschle. «Aber das ist menschlich und passiert nicht nur in Zünften.»

Die Vorstellung, dass die Bauleute-Zunft hinter verschlossenen Türen die nächsten Regierungs- und Gemeinderastkandidaten bestimme und ihre Wahl steuere, ist laut Zunftmeister Philipp Hofmann schlicht illusorisch. Erstens sei die Zunft transparent, zweitens ihr Einfluss marginal. «Selbst wenn alle unsere Mitglieder ihr Umfeld mobilisieren würden: Mit diesen paar hundert Stimmen gewinnt man keine Wahl.»

Eine Randbemerkung zum Schluss: Eine Regel bei der Bauleute-Zunft ist laut Hofmann, dass die Reden an den Versammlungen nicht länger sein dürfen als vier Minuten und die Zuhörer dabei mindestens zweimal lachen sollten. Davon, immerhin, könnte sich der ein oder andere Politiker gerne eine Scheibe abschneiden.

Die fünf Zünfte von Zug

Ursprünglich vertraten die Zünfte die Berufsinteressen ihrer Mitglieder, die jeweils einem Handwerkszweig angehörten. Zudem dienten sie als soziales Auffangnetz, sie kümmerten sich zum Beispiel um die Witwen verstorbener Mitglieder. Mancherorts, etwa in Zürich, Basel oder Schaffhausen, haben die Zünfte bis 1798 auch die Regierung gestellt. «In diesen Kantonen war der politische Einfluss der Zünfte im Unterschied zu Zug tatsächlich sehr prägend», sagt der Historiker Christian Raschle. Die Bauleute-Zunft wurde 1941 zu neuem Leben erweckt und quasi ein zweites Mal gegründet.

Nach dem Einmarsch der Franzosen im Zuge der Französischen Revolution 1798 lösten sich viele Zünfte auf. In Zug gibt es heute wieder fünf – alles reine Männergesellschaften: Nebst den Bauleuten ist das die Zunft der Schneider, Tuchscherer und Gewerbsleute; die Zunft der Schreiner, Drechsler und Küfer; die Zunft der Müller, Bäcker und Zuckerbäcker sowie die Fischerzunft. Die ersten drei organisieren in Zug gesellschaftliche Anlässe, etwa den Greth Schell-Brauch, das Bäckermöhli oder das Chrööpfelimee.

Im Unterschied dazu liegt der Schwerpunkt des Jahresprogramms bei der Bauleute-Zunft auf der mehrtägigen Zunftreise sowie dem jährlichen Hauptbott (Jahresversammlung).

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Zunftmeister Philipp Hofmann
  • Telefonat mit Historiker Christian Raschle
  • Webseite der Bauleute-Zunft
  • Früherer Artikel von zentralplus
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Erica
    Erica, 14.04.2022, 12:34 Uhr

    «Auch ein Frauenarzt und ein Polizist»… Liess mich aufhorchen/auflesen…
    Auf dem Foto sind -glaube ich- nur Männernamen ersichtlich.
    Hat es auch Frauen in die(ser) Zunft, oder ist das einer der letzten Bastions der «Herrenwelt».
    Freundliche Grüsse
    Erica

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