Ex-Chefin von Gemeinschaftspraxis verurteilt

«Zuger Ärztestreit»: Krimi im Kittel

Die Übernahme einer Zuger Arztpraxis wurde zum Fall für die Staatsanwaltschaft. (Bild: Adobe Stock)

2020 wechselt fast die ganze Belegschaft der Gemeinschaftspraxis Centramed zur Konkurrenz. Was als «Zuger Ärztestreit» Schlagzeilen machte, wurde ein Fall für die Justiz. Jetzt verurteilt das Strafgericht drei Köpfe eines Komplotts zur feindlichen Übernahme.

An einem Dienstag im Januar 2020 kommt eine Geschichte ins Rollen, die Schlagzeilen machen und die Justiz jahrelang beschäftigen wird. Als «Zuger Ärztestreit» ging die geschlossene Kündigung von 27 Mitarbeitern der Centramed-Gemeinschaftspraxis in Zug und der Wechsel zu einer Konkurrenzfirma durch die Öffentlichkeit (zentralplus berichtete).

Im Herbst 2020 wurde sie publik; jetzt, drei Jahre später, ist die Geschichte um ein weiteres Kapitel reicher. Wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und mehrfacher Verletzung des Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisses verurteilt das Strafgericht Zug die ehemalige Leiterin der Centramed-Praxis an der Baarerstrasse. Dies, nachdem die Mutterfirma der Frau vorgeworfen hatte, den Exodus orchestriert und damit ihre Pflichten als Geschäftsführerin verletzt zu haben.

Bedingte Gefängnisstrafen für die Beteiligten

Auf 16 Monate Gefängnis bedingt und 90 Tagessätze bedingter Geldstrafe lautet das Urteil, das vor Kurzem öffentlich auflag und nicht rechtskräftig ist. Die Ärztin hat Berufung angemeldet. Ihr gleich getan haben es die beiden Männer, die das Komplott mit ihr geplant haben – und die das Gericht ebenfalls zu bedingten Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt.

Am erwähnten Januardienstag 2020 treffen sich die damalige Leiterin der Zuger Centramed-Praxis, ein externer Berater und der CEO eines Schwyzer Praxisbetreibers in einem von dessen Büros. In den Wochen zuvor war bei den Dreien ein Plan gereift, den sie an diesem Tag endgültig ergreifen: Die gesamte Belegschaft der Centramed-Praxis in Zug zu übernehmen, wenn möglich auch die Behandlungsräume samt Mobiliar. «Konzeption Gesundheitszentrum in der Stadt Zug», hält der CEO der Schwyzer Firma im Protokoll der Sitzung fest.

Ein gutes halbes Jahr später wird das Schwyzer Unternehmen in einer Medienmitteilung schreiben, es eröffne eine neue Gruppenpraxis an der Poststrasse Zug. Die medizinische Leitung werde die ehemalige Leiterin des Centramed-Standortes übernehmen, ihr werde ihr «langjähriges Praxisteam» folgen (zentralplus berichtete).

Die Belegschaft ist angetan

In den Monaten zwischen dem ersten Treffen und dem Versand der Medienmitteilung folgen die Köpfe des Komplotts einem fixen Plan: von der Vorbereitung über die ersten Gespräche bis zur Präsentation an die Gesamtbelegschaft. Diese ist angetan, offenbar auch, weil die Angestellten in Zug schon länger unglücklich über den Lauf der Dinge sind.

«Wir sind zur Überzeugung gekommen, mit der Übernahme (...) letztlich auch für Sie als heutiger Betreiber der Praxis die bestmögliche Lösung schaffen zu können. Können Sie sich dieser Ansicht nicht anschliessen, werden wir per Februar 2021 andere Praxisräume mit dem Praxisteam Zug beziehen, welches bereits zugesagt hat.»

Auszug aus dem Übernahmeangebot der Schwyzer Firma, wiedergegeben im Urteil des Strafgerichts Zug

Die Centramed-Praxis gehört einer Firma in Basel, die mittlerweile in die Praxisgruppe Sanacare aufgegangen ist. Laut dem Urteil war der Standort Zug der Goldesel des Unternehmens, wovon die Mitarbeiter aber offenbar nicht viel hatten. Und dass die Schwyzer Firma versichert, bei Freistellungen und fristlosen Kündigungen für Anwaltskosten und die Überbrückungsfinanzierung aufzukommen, wird seinen Teil dazu beigetragen haben, dass der Grossteil der Belegschaft einem Wechsel zur Konkurrenz zusagt.

Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann?

Im Juli 2020 kündigen 27 der 33 Zuger Centramed-Angestellten auf einen Schlag. Gleichzeitig geht beim Haupthaus in Basel ein Übernahmeangebot für die Praxis samt Mitarbeitern, Inventar und Mietvertrag ein. Das Urteil gibt das Schreiben wieder. Darin heisst es, die Firma aus Schwyz sei zur Überzeugung gelangt, mit der Übernahme «letztlich auch für Sie als heutiger Betreiber (…) die bestmögliche Lösung» zu schaffen. Und: «Können Sie sich dieser Ansicht nicht anschliessen, werden wir per Februar 2021 andere Praxisräume mit dem Praxisteam in der Stadt Zug beziehen, welches bereits zugesagt hat.»

Unglücklich formuliert oder Mafiamethode? Für die Chefs in Basel muss das Schreiben jedenfalls nach einem Angebot geklungen haben, das sie nicht ablehnen können. Deshalb erstattet die Firma Anzeige, unter anderem wegen versuchter Nötigung.

Für Gericht steht fest: Ex-Chefin hat Kündigungen orchestriert

Wie das Urteil jetzt zeigt, sieht das Strafgericht eine solche nicht als gegeben an. Jedoch bestätigt das Gericht die Staatsanwaltschaft und die Anzeigesteller und spricht die ehemalige Centramed-Chefin der ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig.

Sie habe die Kündigungen der Belegschaft provoziert, die Übernahme vorangetrieben und gegen die wirtschaftlichen Interessen ihrer damaligen Arbeitgeberin gehandelt, heisst es im 74-seitigen Urteil. Damit habe die Ärztin ihre Pflichten als Geschäftsführerin verletzt.

Zudem stand die Centramed-Praxis auf einen Schlag praktisch ohne Mitarbeiter da und musste per Ende 2021 schliessen. Mit der orchestrierten Kündigung habe das Basler Haupthaus rund 360'000 Franken Schaden erlitten. Und schliesslich verurteilt das Gericht die Ärztin, weil sie interne Unterlagen wie Budgets und Erfolgsrechnungen an den CEO der Schwyzer Firma weitergeleitet hatte.

Die Centramed-Praxis an der Baarerstrasse in Zug stellte ihren Betrieb Ende 2021 ein. Ihr fehlte das Personal. (Bild: mam)

Dieser und der externe Berater werden verurteilt, weil sie die Geschäftsgeheimnisse der Konkurrenz ausgenutzt hatten. Vor Gericht hatte der Verteidiger des CEO plädiert, sein Mandant habe die Centramed-Chefin lediglich angestiftet, die Daten weiterzugeben und eine bedingte Geldstrafe gefordert. Der Verteidiger des Beraters hatte für seinen Mandanten einen Freispruch in allen Punkten beantragt.

Ex-Chefin sah sich als Bindeglied

Die Verteidigung der Ex-Centramed-Chefin hatte für die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen 100 Tagessätze bedingter Geldstrafe beantragt und wollte ihre Mandantin vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung und der versuchten Nötigung freigesprochen sehen.

Im Verfahren hatte die Ärztin gesagt, sie sei lediglich das Bindeglied zwischen der Schwyzer Firma und dem Team in Zug gewesen. Sie habe die Kündigungen der Belegschaft nicht provoziert. Der geschlossene Abgang sei nicht auf ihr Engagement zurückzuführen gewesen, sondern auf die allgemeine Unzufriedenheit und habe sich «aus einer Dynamik entwickelt», wie es im Urteil heisst.

Der Zuger Ärztestreit ist nicht auserzählt

Kommentieren will das Urteil keiner der Beschuldigten. Wie Reto Steinmann, der Verteidiger der ehemaligen Centramed-Chefin stellvertretend für alle Verurteilten sagt, wolle man sich zu einem nicht-rechtskräftigen Urteil nicht äussern.

So oder so ist das letzte Wort nicht gesprochen. Nach der Berufungsanmeldung wird sich das Zuger Obergericht mit dem Fall befassen. Der «Zuger Ärztestreit»? Ist noch nicht zu Ende erzählt.

Verwendete Quellen
  • Urteil SE 2022 16/17/18 des Strafgerichts Zug
  • Artikel von CH Media
  • Weiterer Artikel von CH Media
  • Angaben aus dem Handelsregister Basel-Stadt
  • Angaben aus dem Handelsregister Zürich
  • Schriftliche Anfragen an die drei Beschuldigten
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Martin Hosek
    Martin Hosek, 02.10.2023, 10:40 Uhr

    Gute journalistische Praxis wäre, über ein noch nicht rechtskräftiges Urteil in der Möglichkeitsform zu schreiben.

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  • Profilfoto von M.Meier
    M.Meier, 01.10.2023, 08:41 Uhr

    Einer der zwei schlechtesten Anwälte, die ich kenne.

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