Akuter Mangel an Kinderärzten

Zweitletzte Kinderarztpraxis in der Stadt Kriens schliesst

Mitte-Einwohnerrat Davide Piras bedauert die baldige Schliessung der Kinderarztpraxis Kriens. (Bild: mst/zvg)

Die Kinderarztpraxis im Herzen von Kriens schliesst per Ende September. Bernhard Bütler geht in Pension, doch die Praxis konnte keine Nachfolgerin finden. Mitte-Einwohnerrat Davide Piras fordert den Stadtrat darum zum Handeln auf.

Wenn das Kind ein «Bobo» hat, müssen Krienser Eltern bald einiges an Weg auf sich nehmen. Denn Anfang dieser Woche ist ein Flyer mit unerfreulichen Nachrichten in deren Haushalt geflattert. Die Kinderpraxis an der Gallusstrasse 2 just am Dorfplatz schliesst per Ende September ihre Türen.

Der bisherige Leiter, Bernhard Bütler, trete bald seinen wohlverdienten Ruhestand an. Doch obwohl sich die Praxis bereits vor längerer Zeit auf die Suche nach einem Nachfolger begeben habe, fruchtete sie nicht. Bis heute haben sie keine Nachfolgerin gefunden. «Die Kinderarztpraxis Kriens wird daher notgedrungen ihre Türen am 30. September 2023 schliessen, was uns und das gesamte Team der Kinderarztpraxis Kriens sehr traurig stimmt», wie auf dem Flyer steht.

Auch über ihre Website macht die Kinderarztpraxis auf die bevorstehende Schliessung aufmerksam. (Bild: Screenshot: Website Kinderarztpraxis Kriens)

Gänzlich ohne ärztliche Versorgung stehen die baldigen Ex-Patienten jedoch nicht da. Bereits vor der Schliessung hatte die Praxis eine Kooperation mit der Kinderarztpraxis Neustadt in Luzern, die nun die Patientenakten und die Patientinnen der Praxis übernimmt. Wegen der Übernahme möchte sich Herr Bütler auf Anfrage nicht zur Schliessung äussern, da die Leitung inzwischen Tom Schleich obliege. Dieser war ferienhalber nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Krienser Eltern suchen nach Alternativen

Nicht nur das Praxisteam, auch die Krienserinnen stimmt die Schliessung traurig. So schreiben mehrere Krienser in der Facebook-Gruppe «Du besch vo Kriens, wenn …», dass sie die Nachricht «mega schade» finden. Bereits fragen die ehemaligen Patienten nach einer Alternative in der Nähe, da nicht alle zu Tom Schleich in die Neustadt wechseln wollen.

Denn nebst der Kinderarztpraxis am Dorfplatz gibt es in Kriens nur eine weitere Praxis für die jungen Krienser: die Praxis Luzern Süd an der Ringstrasse 37. Doch bereits berichten Krienserinnen auf Facebook, dass die Praxis so viele Anfragen erhalten habe, dass sie einen Aufnahmestop eingelegt habe.

Einwohnerrat Davide Piras wird politisch aktiv

Ein Umstand, den der Mitte-Einwohnerrat Davide Piras mit Sorge beobachtet. Er selbst sei von mehreren Personen am Sonntag auf die Schliessung aufmerksam gemacht worden, wie er auf Anfrage erzählt. Da seine Kinder bei dieser Praxis angemeldet sind, habe er wie viele andere Krienser am Dienstag einen Flyer erhalten. Dabei war er mit den anderen Krienser einig: «Es ist bedauerlich, dass die zweitgrösste Stadt im Kanton Luzern bald keinen Kinderarzt mehr in Zentrumsnähe hat. Dies schmälert die Attraktivität unserer Stadt.» Den Familien bleibe nichts anderes übrig, als andere Praxen aufzusuchen.

Die Kinderarztpraxis ist direkt neben dem Dorfplatz in Kriens gelegen. (Bild: mst)

Er wurde darum politisch aktiv. Mittels Postulat beauftragt er den Stadtrat, in einem Bericht Massnahmen vorzulegen, wie die Stadt die medizinische Versorgung von Krienser Kindern sicherstellen kann. Ziel sei es, wieder eine Kinderarztpraxis im Zentrum anzusiedeln.

Für ihn sei die Situation kritisch, wie er im Postulat schreibt. «Familien sind gezwungen, in Richtung Luzern-Süd, Luzern oder benachbarte Gemeinden auszuweichen, wo die Arztpraxen bereits an ihrer Kapazitätsgrenze arbeiten.» Wegen des Ärztemangels müssten die Familien deshalb vermehrt aufs Luzerner Kantonsspital ausweichen. «Das darf nicht das Ziel sein», moniert Piras.

Praxis wäre für Ärzte eigentlich attraktiv

Ihm sei es zwar bewusst, dass Hausärzte in der Schweiz immer rarer werden (zentralplus berichtete). Auch eine einzelne Stadt wie Kriens kann nicht einfach Ärzte aus dem Hut zaubern. «Die Stadt kann auch nicht eigene Ärzte anstellen oder jemanden zwingen, hierherzuziehen.» Er zieht deshalb den Vergleich zur Wirtschaft: Wie bei den Firmen könne die Stadt Rahmenbedingungen schaffen, die Kriens für Ärztinnen attraktiver mache.

Denn die Bedingungen wären da, wie Piras findet. Jährlich kommen in Kriens gemäss Lustat Statistik zwischen 250 und 300 Kinder auf die Welt – potenzielle Kundinnen hätte ein Kinderarzt also zur Genüge. «Wir sind keine kleine Gemeinde, wo ein neuer Kinderarzt ein wirtschaftliches Risiko eingeht.» Zudem war die zentrumsnahe Praxis sehr gut erschlossen, was bei den Kriensern sehr beliebt gewesen sei. «Es ist erstaunlich, dass eine neu renovierte Arztpraxis keinen Nachfolger findet.» Stattdessen zieht nun eine bestehende Praxis für innere Medizin in die Gallusstrasse – in der jedoch keine Kinder mehr medizinisch betreut werden können, wie es im Flyer heisst.

Stadtrat soll Dialog mit Ärztinnen suchen

Wo der Krienser Stadtrat den Hebel ansetzen soll, solle er darum im Dialog mit Ärzten herausfinden. Zum einen, um potenzielle Kinderärzte auf die Situation in Kriens aufmerksam zu machen und mögliche Interessenten zu finden. Und zum anderen, um herauszufinden, wieso sich Kinderärztinnen gegen Kriens entscheiden.

Das herauszufinden sollte bei Kriens auf hohes Interesse stossen, ist Piras überzeugt. Zentrumsnahe Dienstleistungen fördern die Attraktivität der Stadt. Zudem könne so die medizinische Versorgung der jüngsten Krienserinnen sichergestellt werden. Damit sie mit dem gebrochenen Arm nicht erst eine halbstündige Bus- oder Autofahrt auf sich nehmen müssen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Jerome Halter
    Jerome Halter, 06.09.2023, 17:49 Uhr

    Ja warum studieren denn nicht mehr Leute Medizin? Ach, da war doch was…

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  • Profilfoto von Egon Kienzle
    Egon Kienzle, 06.09.2023, 16:11 Uhr

    In Kriens gibt es doch eine gewaltige Armada von Fachkräften aus allen Herren Ländern.
    Gerade dort sollte es also mit besonderer Leichtigkeit möglich sein, Fachärzte und Fachärztinnen der Pädiatrie für die Praxisübernahme rekrutieren zu können.

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