Gesetzesanpassung sorgt für genaueren Standort

Verunfallte können in Zug nun leichter gefunden werden

Dank der neuen Gesetzeslage kann Menschen, die den Notruf gewählt haben, schneller geholfen werden. (Bild: Symbolbild/ Adobe Stock)

Wer im Kanton Zug vom Mobiltelefon aus einen Notruf tätigt, kann neuerdings schneller geortet werden. Auch ohne Handyempfang. Polizei und Co. sehen in den neuen technischen Möglichkeiten grosse Vorteile, mahnen aber dennoch zur Vorsicht.

Ein Wanderer, der alleine unterwegs ist, stürzt auf einem der Dutzenden von Wegen am Wildspitz über eine Wurzel und bleibt liegen. Der Knöchel ist gebrochen, weiter gehen ist keine Option. Zwar ist er fähig, die Nummer 144 zu wählen. Wo er sich genau befindet, weiss er jedoch nicht. Bis ihn die Rettungskräfte finden, vergeht viel wertvolle Zeit. Solche Situationen kennen Notruforganisationen gut.

Eine Anpassung des Fernmeldegesetzes führt dazu, dass solche Fälle zu grossen Teilen vermieden werden können. Konkret hat der Bundesrat im November 2021 beschlossen, dass bei Notrufen, die übers Handy gemacht werden, präzisere Standortinformationen mitgeliefert werden müssen.

Neuere Smartphones verfügen gemäss dem Bundesamt für Kommunikation (Bakom) grundsätzlich über eine Satelliten- und WLAN-gestützte Ortungsfunktion. Durch die Übermittlung dieser Informationen weiss der Rettungsdienst Zug beim Ausrücken auf wenige Meter genau, wo der Verunfallte liegt.

Bis Anfang 2024 mussten Notrufzentralen aufgerüstet haben

Gemäss Bund müssen Notrufzentralen ihre Systeme seit Anfang dieses Jahres aufgerüstet haben. Für die Zuger Blaulichtorganisationen stellt diese Forderung kein Problem dar.

Wer im Kanton Zug die Nummern 118 oder 117 wählt, landet bei der Zuger Polizei. Diese habe ihre Systeme auf der Einsatzzentrale bereits Mitte März 2023 umgerüstet, erklärt Polizeisprecher Frank Kleiner auf Anfrage.

Wählt man jedoch die Nummer 144, also die Ambulanz, gelangen Anruferinnen zunächst nach Zürich. Für Notrufe aus Zürich, Zug, Schaffhausen und Schwyz ist nämlich die Organisation Schutz & Rettung Zürich (SRZ) zuständig. Dort werden die Anrufe entgegengenommen und die entsprechenden Einsatzmittel und -kräfte disponiert.

Rund 6000-mal rufen Zuger jährlich die Ambulanz

Aus dem Kanton Zug gingen im Jahr 2021 insgesamt 5663 Notrufe ein. Im Jahr 2022 waren es 6142, wie Severin Lutz, der Mediensprecher von SRZ, erklärt. Rund 70 bis 75 Prozent der Notrufe werden über Mobilfunkgeräte getätigt.

Auch bei der SRZ habe man die Systeme bereits vor Längerem aufgerüstet. Die gerätebasierte Notrufortung ist dort bereits seit dem 6. Juli 2022 im Einsatz, also kurz nachdem diese Massnahme gesetzlich schweizweit überhaupt erst möglich ist.

Severin Lutz sagt: «Es wird dabei von Advanced Mobile Location (AML) gesprochen. Diese ermöglicht es, den Einsatzort dank den vom Mobilgerät übertragenen GPS-Daten noch präziser zu bestimmen und somit den hilfesuchenden Personen noch schneller Hilfe zukommen zu lassen.»

Dazu sei für die anrufende Person weder die Installation einer App auf dem Mobilfunkgerät noch eine Registrierung bei einem spezifischen Anbieter notwendig. Die Übermittlung der Daten erfolge kostenlos und automatisch mit jedem Notruf.

Notruforganisationen sehen grossen Mehrwert im neuen System

Inwiefern die Gesetzesanpassung den Notruforganisationen die Arbeit erleichtert, erklärt Lutz an einem Beispiel: «Es gibt verschiedene Situationen, bei denen AML einen besonders grossen Mehrwert schafft. Stürzt zum Beispiel eine Joggerin mitten im Wald und ist auf dringende medizinische Hilfe angewiesen, war es in der Vergangenheit schwierig, den genauen Standort zu beschreiben beziehungsweise ausfindig zu machen.» Mittels AML sei dieser sofort einsehbar.

«Somit erhält die entsprechende Person schneller Hilfe – was je nach Situation Leben retten kann.»

Severin Lutz, Mediensprecher Schutz & Rettung Zürich

Im Idealfall könne der Notfallort bis auf wenige Quadratmeter genau bestimmt werden. «Mittels AML kann bei der Notrufabfrage – sprich, wenn die Mitarbeitenden der Einsatzleitzentrale am Telefon mittels strukturierter Abfrage alle wichtigen Informationen zum Notfall einholen – Zeit eingespart werden.» Auch gebe es so deutlich weniger Missverständnisse bezüglich des Einsatzortes, wodurch die disponierten Rettungskräfte den exakten Standort von Anfang an kennen. «Somit erhält die entsprechende Person schneller Hilfe – was je nach Situation Leben retten kann», erklärt Lutz.

Auch ohne Handyempfang funktioniert die Ortung

Und was, wenn die verunfallte Joggerin keinen Handyempfang hat? «Wird ein Notruf von einem Mobilfunkgerät abgesetzt, wird der GPS-Empfang grundsätzlich automatisch aktiviert.» Und weiter: «Auch in Fällen, bei denen kein Empfang besteht, gibt es mittlerweile entsprechende Lösungen. Bei iOS-Geräten ist die Satellitenfunktion so weit, dass die Position auch ohne Handyempfang an die Sanitätsnotrufzentrale übermittelt werden kann.»

Auch die Zuger Polizei sieht positive Aspekte in der technischen Neuerung. Frank Kleiner dazu: «Grundsätzlich begrüssen wir den technischen Fortschritt auch in diesem Bereich. Unsere Erfahrungen sind bis jetzt durchaus positiv. Die Standortortung kann für eine Person in einer Notlage sehr hilfreich sein.»

Der Mensch kann nicht ersetzt werden

Der Polizeisprecher fügt mahnend an: «Jedoch darf man sich nicht nur auf die technische Unterstützung verlassen, die angegebene Ortung kann aufgrund technischer Ungenauigkeit vom tatsächlichen Standort abweichen und so zu Verzögerungen führen.»

Und weiter: «Daher ist der Mensch, in diesem Fall die Mitarbeitenden der Einsatzleitzentrale, weiterhin sehr wichtig und kann nicht durch die Technik ersetzt werden.» Auch weist er darauf hin, dass beispielsweise ältere Smartphones diesen technischen Fortschritt nicht unterstützen würden.

Technologie lässt womöglich Datenschutzmissbrauch zu

Die Partei Parat macht sich unter anderem dafür stark, dass die Daten der Bevölkerung geschützt sind. Präsident Stefan Thöni sieht in der Anwendung per se kein Problem in Sachen Datenschutz, «denn wer den Notruf anruft, will in den allermeisten Fällen ja gerade, dass möglichst schnell geholfen wird».

Ein Problem sieht Thöni jedoch in der Technik, die auf Mobiltelefonen unter anderem für Notrufortung zum Einsatz komme. «Das sogenannte Baseband des Mobiltelefons, ein kleiner Computer, der hauptsächlich für die Mobilkommunikation zuständig ist, hat bekanntermassen viele Schwachstellen.» Über solche Schwachstellen könnten, so vermutet Thöni, die Polizei und auch Unbefugte das GPS einschalten und abfragen, ohne dass jemand den Notruf wähle.

Parat-Präsident Thöni sagt: «Unsere Forderung wäre daher, dass Mobiltelefone und andere Geräte nichts tun dürfen, was seine Nutzerin nicht will oder für sie nicht transparent ist.» Und weiter: «Zudem müssen internationale Standards für Mobiltelefonie endlich kompromisslos sicher sein, auch wenn das einigen Regimen und Sicherheitsbehörden nicht passt.»

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung des Bakom
  • Schriftlicher Austausch mit Schutz & Rettung Zürich
  • Schriftlicher Austausch mit der Zuger Polizei
  • Artikel von SRF zum Thema
  • Schriftlicher Austausch mit Stefan Thöni
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