Johann ist jetzt Jean

Luzerner wurde im falschen Körper geboren

Im falschen Körper geboren: Jean (62), früher Johann. (Bild: Caroline Mohnke)

Er trägt seit Jahren Strumpfhosen und Röcke und zieht damit die Blicke vieler Luzernerinnen auf sich. Nun erzählt Johann – oder Jean – im Interview, warum er nie eine Geschlechtsumwandlung gemacht hat und kurz vor seiner Pensionierung an einen Namenswechsel denkt.

Vor bald dreiundsechzig Jahren kam Johann als Junge zur Welt. Schon früh realisierte er, dass er lieber die rote Strumpfhose der Schwester als seine blaue trug (zentralplus berichtete). Er wusste, dass er eigentlich ein Mädchen war. Nun denkt Johann an einen Namenswechsel. Wir haben ihn zum Gespräch getroffen.

zentralplus: Johann, Sie denken an einen Namenswechsel. Oder haben Sie ihn schon vollzogen? Wenn ja: Wie darf ich Sie jetzt nennen?

Jean: Sie dürfen mir jetzt Jean sagen. Das ist eine der vielen englischen Varianten von Johanna, aber nicht so gebräuchlich wie Joan oder Jane. Jean passt zu mir.

zentralplus: Sie wussten schon in der Kindheit, dass Sie im falschen Körper geboren waren. Was haben Sie für Kindheitserinnerungen?

Jean: Meine Kindheit war schön, obwohl das Zugehörigkeitsgefühl fehlte. Mit den Jungs wollte ich nichts zu tun haben und die Mädchen wollten mich nicht, weil ich ein Junge war. Das fand ich sehr schade.

«Mitte der Sechzigerjahre redete man nicht über solche Themen. Und wenn doch, dann wurde das ganz klar als kindliche Spinnerei abgetan.»

zentralplus: Wie sind Ihre Eltern und Geschwister damals mit der Situation umgegangen?

Jean: Mitte der Sechzigerjahre redete man nicht über solche Themen. Und wenn doch, dann wurde das ganz klar als kindliche Spinnerei abgetan. Als ich acht Jahre alt war, probierte ich die feine Strumpfhose meiner Schwester an. Als mich meine Mutter dabei erwischte, sagte sie – für die Zeit damals mit einer erstaunlichen Lockerheit – das sei nichts für einen Jungen. Meine Mutter wusste instinktiv immer, dass ich im Wesen kein Junge war. Im Winter freute ich mich immer auf die Familienwanderungen. Denn da durfte ich die Kniebundhose anziehen mit Strumpfhose.

Jean legt grossen Wert auf die sorgfältige und passende Auswahl ihrer Garderobe. (Bild: Caroline Mohnke)

zentralplus: Haben Sie nie an eine Geschlechtsanpassung gedacht?

Jean: Der Gedanke daran tauchte immer wieder auf. Doch mein Outing in der Familie hatte ich erst mit vierzig Jahren. Dann war der Zug abgefahren. Zudem hatte ich aus gesundheitlicher Sicht zu viele Bedenken. Meine damalige Ärztin riet mir davon ab. Die Muskulatur, die Konstruktion bleibt immer männlich und dem Körper müssen lebenslang weibliche Hormone zugeführt werden. Zudem war mein Leidensdruck nicht genug gross für diesen Schritt.

zentralplus: Vor Kurzem haben Sie sich am Arbeitsplatz geoutet, nach vielen Jahren. Wie hat Ihr Arbeitsumfeld reagiert?

Jean: Die Reaktionen waren sehr offen, es hat sich niemand von mir abgewendet. Ich bekam viel Anerkennung für mein Outing und fühle mich so wohl wie noch nie. Fast wie neugeboren (lacht).

zentralplus: Sie tragen seit einigen Jahren Röcke und Strumpfhosen. Was erleben Sie beim Einkaufen in den Damenabteilungen?

Jean: Meine gesamte Garderobe ist weiblich: Von der Wäsche bis zur Oberbekleidung. Da gab es schon manche lustige Situationen. Ich bin immer offen und sage, dass ich für mich etwas suche. Dann werde ich immer beraten ohne Wenn und Aber. Heute trage ich nur noch Kleidung aus der Damenabteilung.

Jean trägt gerne Jupes. (Bild: Caroline Mohnke)

zentralplus: Gibt es Hürden im Alltag als Frau in einem Männerkörper?

Jean: Ja, die gibt es immer wieder. Ich begrüsse zum Beispiel genderneutrale Toiletten, wie es sie an manchen Orten im öffentlichen Raum oder in Lokalen schon gibt. Auch Umkleidekabinen, ob in der Badi oder wo auch immer sollten einen genderneutralen Bereich bieten.

«Ich bezeichne mich ganz klar als Frau. Wenn ich das Wort Transfrau in den Mund nehme, gilt das einfach als Erklärung.»

zentralplus: Bezeichnen Sie sich als Transfrau?

Jean: Ich bezeichne mich ganz klar als Frau. Wenn ich das Wort Transfrau in den Mund nehme, gilt das einfach als Erklärung. Aber ich fühle mich nicht als etwas zwischendrin. Seit ich mich am Arbeitsplatz geoutet habe, sind die Leute nicht mehr verunsichert und das gibt mir eine gewisse Gelassenheit. Ob sie mir nach 20 Jahren immer noch Johann oder Hans sagen, spielt mir keine Rolle. Das ist nur ein Wortlaut. Ich freue mich natürlich immer, wenn man mich Jean oder Johanna nennt und als Frau anspricht.  

Jean sagt: «Meine Mutter hat schon immer gespürt, dass ich im Wesen ein Mädchen bin.» (Bild: Caroline Mohnke)

zentralplus: Sie machen einen geerdeten und sehr zufriedenen Eindruck. Wie geht es Ihnen als Frau im falschen Körper? Haben Sie sich arrangiert?

Jean: Ja, das ist so. Das Wichtigste ist das Bewusstsein. Also zu wissen: Ich bin eine Frau. Ein weiblicher Körper wäre natürlich ein Traum. Sozusagen das Tüpfelchen auf dem I.

zentralplus: Man beobachtet eine drastische Zunahme von Transkindern. Spricht man heute einfach mehr darüber oder wie denken Sie darüber?

Jean: Wissen Sie, heutzutage nimmt man die Kinder ernst. Darum denke ich nicht, dass es mehr Transkinder gibt als früher. Aus meiner Sicht kann ich sagen, dass so etwas tief in einem drin sitzt. Das ist nicht einfach Jux und Tollerei. Damals wurde es anders wahrgenommen und ich denke, das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist heute grösstenteils lockerer und nicht mehr hierarchisch.

Jean stöbert gerne bei Anita Bucher im «Ziitlos» in der Neustadt Luzern. (Bild: Caroline Mohnke)
Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Jean
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11 Kommentare
  • Profilfoto von Luciano Dietschi
    Luciano Dietschi, 07.02.2023, 10:47 Uhr

    Linke «Wokies» («Wokismus» ist die Ideologie der «Erwachten», die angeblich für Gerechtigkeit steht, in Wirklichkeit aber für die Diktatur von Minderheiten über die traditionellen Werte der Menschheit), wollen die amerikanische Jugend mit dem «Gender-Wahn» infizieren und Kinder «chemisch, physisch und emotional» verstümmeln.
    Aussage eines berühmten Politikers, der ich zu 100% zustimme.
    Diese eingesetzte «Transgender-Transition» rechtfertigt den Einsatz von Pubertätsblockern und «geschlechtsangleichenden» Operationen bei Kindern. Für mich kriminell. In der Schweiz sind wir da noch nicht angelangt, jedoch sind LGBTQ und Gendersprache die Anfänge.
    In andern westlichen Länder entwickelt sich dies rasant. Ist auch ein grosses Geschäft für BigPharma, die alles tut die Abhängigkeit der Menschen von ihr festzunageln. Siehe Impfwahn und aktueller Pandemievertrag der WHO, der ihr zentralistische Macht über die Länder sichert.
    Nichts gegen Jean, die das Recht hat so zu sein, wie sie möchte. Es ist jedoch verfehlt eine Ideologie daraus zu machen, die letztlich gesellschaftszersetzend ist.

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    LD, 06.02.2023, 22:11 Uhr

    Und mich bedrückt die Klimaphilie der Gesellschaft.

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  • Profilfoto von Tanja
    Tanja, 06.02.2023, 19:24 Uhr

    Ich gehe viel weiter,für mich gab es nichts zu überlegen.Seit Februar 2022 bin ich rechtlich gesehen die Tanja,seit mitte März 22 bin ich an der Hormonbehandlung.Für mich keine Frage,ich will auch die Operation.Mir reichen Strumpfhosen und Röcklein alleine nicht.Klar,es gibt da verschiedene Stufen der Geschlechtsidentität.Für jeden gibt es einen Punkt,wo er /sie nicht mehr weitermachen möchte.Ich melde mich nur,da ich mich auch gerne zur Verfügung gestellt hätte,wenn ich da angefragt worden wäre.Ich vermute,dass das «Ziitlos Retro und Secondhand» organisiert hat,da die Person die Besitzerin ebenfalls kennt.Ich gönne es dieser Person auf jeden Fall von Herzen.Nicht warten mit dem Namenswechsel!Weiterhin viel Erfolg!

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    LD, 05.02.2023, 20:07 Uhr

    Kaum jemand hat ein Problem mit Jean.
    Die Redaktion scheint aber LGBTQ, Gender und Drogen als Agenda voranzutreiben.

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    • Profilfoto von Olaf Claasen
      Olaf Claasen, 05.02.2023, 23:30 Uhr

      Sie können jetzt also für alle Luzerner sprechen? Vielleicht würde die Weltwoche eher ihren Erwartungen entsprechen.

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      • Profilfoto von Gruesse vom Einhorn Schlachthaus
        Gruesse vom Einhorn Schlachthaus, 06.02.2023, 08:31 Uhr

        Das eine tun und das andere nicht lassen….

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 05.02.2023, 19:26 Uhr

    Ich habe ja da meine Klismaphilie. Und natürlich meinen Mundgeruch, gegen den ich seit Jahrzehnten kämpfe, und wegen dessen ich mir jetzt im Pensionsalter alle Zähne habe ziehen lassen.

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    • Profilfoto von Melk Christen
      Melk Christen, 06.02.2023, 08:36 Uhr

      Spannend, von Klismaphilie habe ich noch nie gehört. Wäre zwar nicht meins, aber wenn Sie, Herr Bitterli, durch Einläufe zu Genuss und Entspannung finden, wer wäre ich da, das zu bewerten?

      Da Sie es uns in dieser Kombination mitteilen, vermute ich, dass Ihr Mundgeruch mit diesen Einläufen zusammenhängt? Das ist natürlich eine unglückliche Nebenwirkung. Zumal die gezogenen Zähne Sie ja nicht mal vom Mundgeruch erlöst haben werden.

      Nun, das sind Ihre Probleme, für die Sie hoffentlich möglichst gute Lösungen finden.

      Aber, ich möchte doch noch fragen: Was hat Sie dazu veranlasst, uns gerade unter diesem Artikel von dieser Vorliebe und ihren Folgen zu erzählen? Einen Zusammenhang zwischen Klismaphilie und Transidentität gibt es ja offensichtlich nicht, es ist also nicht der naheliegendste Ort. Insbesondere, da Sie Ihrer Klismaphilie ja bestimmt nur im Privaten nachgehen werden, während ihre Transidentität für Jean eben gerade nicht im Privaten, sondern erst in der Öffentlichkeit, im alltäglichen Zusammenleben ihre Herausforderungen stellt.

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      • Profilfoto von Peter Bitterli
        Peter Bitterli, 06.02.2023, 09:58 Uhr

        Um Himmels Willen, Herr Christen, zerbrechen Sie sich jetzt darob nicht eigens den Kopf! Am Ende reicht‘s nicht mehr zum Googeln.

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        • Profilfoto von Melk Christen
          Melk Christen, 06.02.2023, 11:27 Uhr

          Ich zerbreche mir doch nicht den Kopf, es interessiert mich bloss. Allenfalls war mein Kommentar insgesamt etwas zu wortreich formuliert, dazu tendiere ich, aber meine abschliessende Frage ist dennoch keine komplizierte. Also können Sie sie doch einfach beantworten?

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          • Profilfoto von Peter Bitterli
            Peter Bitterli, 06.02.2023, 13:22 Uhr

            Es gibt sehr wohl einen Zusammenhang zwischen Transidentität, Klismaphilie und Mundgeruch: Das alles inkl. dessen Therapierung sowie die Befindlichkeiten der betroffenen Menschen ist für Presse und Öffentlichkeit von allerhöchster Relevanz.
            Got it?

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