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Er trägt seit Jahren Strumpfhosen und Röcke und zieht damit die Blicke vieler Luzernerinnen auf sich. Nun erzählt Johann – oder Jean – im Interview, warum er nie eine Geschlechtsumwandlung gemacht hat und kurz vor seiner Pensionierung an einen Namenswechsel denkt.
Vor bald dreiundsechzig Jahren kam Johann als Junge zur Welt. Schon früh realisierte er, dass er lieber die rote Strumpfhose der Schwester als seine blaue trug (zentralplus berichtete). Er wusste, dass er eigentlich ein Mädchen war. Nun denkt Johann an einen Namenswechsel. Wir haben ihn zum Gespräch getroffen.
zentralplus: Johann, Sie denken an einen Namenswechsel. Oder haben Sie ihn schon vollzogen? Wenn ja: Wie darf ich Sie jetzt nennen?
Jean: Sie dürfen mir jetzt Jean sagen. Das ist eine der vielen englischen Varianten von Johanna, aber nicht so gebräuchlich wie Joan oder Jane. Jean passt zu mir.
zentralplus: Sie wussten schon in der Kindheit, dass Sie im falschen Körper geboren waren. Was haben Sie für Kindheitserinnerungen?
Jean: Meine Kindheit war schön, obwohl das Zugehörigkeitsgefühl fehlte. Mit den Jungs wollte ich nichts zu tun haben und die Mädchen wollten mich nicht, weil ich ein Junge war. Das fand ich sehr schade.
”«Mitte der Sechzigerjahre redete man nicht über solche Themen. Und wenn doch, dann wurde das ganz klar als kindliche Spinnerei abgetan.»
zentralplus: Wie sind Ihre Eltern und Geschwister damals mit der Situation umgegangen?
Jean: Mitte der Sechzigerjahre redete man nicht über solche Themen. Und wenn doch, dann wurde das ganz klar als kindliche Spinnerei abgetan. Als ich acht Jahre alt war, probierte ich die feine Strumpfhose meiner Schwester an. Als mich meine Mutter dabei erwischte, sagte sie – für die Zeit damals mit einer erstaunlichen Lockerheit – das sei nichts für einen Jungen. Meine Mutter wusste instinktiv immer, dass ich im Wesen kein Junge war. Im Winter freute ich mich immer auf die Familienwanderungen. Denn da durfte ich die Kniebundhose anziehen mit Strumpfhose.
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zentralplus: Haben Sie nie an eine Geschlechtsanpassung gedacht?
Jean: Der Gedanke daran tauchte immer wieder auf. Doch mein Outing in der Familie hatte ich erst mit vierzig Jahren. Dann war der Zug abgefahren. Zudem hatte ich aus gesundheitlicher Sicht zu viele Bedenken. Meine damalige Ärztin riet mir davon ab. Die Muskulatur, die Konstruktion bleibt immer männlich und dem Körper müssen lebenslang weibliche Hormone zugeführt werden. Zudem war mein Leidensdruck nicht genug gross für diesen Schritt.
zentralplus: Vor Kurzem haben Sie sich am Arbeitsplatz geoutet, nach vielen Jahren. Wie hat Ihr Arbeitsumfeld reagiert?
Jean: Die Reaktionen waren sehr offen, es hat sich niemand von mir abgewendet. Ich bekam viel Anerkennung für mein Outing und fühle mich so wohl wie noch nie. Fast wie neugeboren (lacht).
zentralplus: Sie tragen seit einigen Jahren Röcke und Strumpfhosen. Was erleben Sie beim Einkaufen in den Damenabteilungen?
Jean: Meine gesamte Garderobe ist weiblich: Von der Wäsche bis zur Oberbekleidung. Da gab es schon manche lustige Situationen. Ich bin immer offen und sage, dass ich für mich etwas suche. Dann werde ich immer beraten ohne Wenn und Aber. Heute trage ich nur noch Kleidung aus der Damenabteilung.
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zentralplus: Gibt es Hürden im Alltag als Frau in einem Männerkörper?
Jean: Ja, die gibt es immer wieder. Ich begrüsse zum Beispiel genderneutrale Toiletten, wie es sie an manchen Orten im öffentlichen Raum oder in Lokalen schon gibt. Auch Umkleidekabinen, ob in der Badi oder wo auch immer sollten einen genderneutralen Bereich bieten.
”«Ich bezeichne mich ganz klar als Frau. Wenn ich das Wort Transfrau in den Mund nehme, gilt das einfach als Erklärung.»
zentralplus: Bezeichnen Sie sich als Transfrau?
Jean: Ich bezeichne mich ganz klar als Frau. Wenn ich das Wort Transfrau in den Mund nehme, gilt das einfach als Erklärung. Aber ich fühle mich nicht als etwas zwischendrin. Seit ich mich am Arbeitsplatz geoutet habe, sind die Leute nicht mehr verunsichert und das gibt mir eine gewisse Gelassenheit. Ob sie mir nach 20 Jahren immer noch Johann oder Hans sagen, spielt mir keine Rolle. Das ist nur ein Wortlaut. Ich freue mich natürlich immer, wenn man mich Jean oder Johanna nennt und als Frau anspricht.
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zentralplus: Sie machen einen geerdeten und sehr zufriedenen Eindruck. Wie geht es Ihnen als Frau im falschen Körper? Haben Sie sich arrangiert?
Jean: Ja, das ist so. Das Wichtigste ist das Bewusstsein. Also zu wissen: Ich bin eine Frau. Ein weiblicher Körper wäre natürlich ein Traum. Sozusagen das Tüpfelchen auf dem I.
zentralplus: Man beobachtet eine drastische Zunahme von Transkindern. Spricht man heute einfach mehr darüber oder wie denken Sie darüber?
Jean: Wissen Sie, heutzutage nimmt man die Kinder ernst. Darum denke ich nicht, dass es mehr Transkinder gibt als früher. Aus meiner Sicht kann ich sagen, dass so etwas tief in einem drin sitzt. Das ist nicht einfach Jux und Tollerei. Damals wurde es anders wahrgenommen und ich denke, das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist heute grösstenteils lockerer und nicht mehr hierarchisch.
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- Persönliches Gespräch mit Jean
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