Luzerner trans Frau liess Geschlechtseintrag ändern

Jetzt ist Franziska auch auf dem Papier eine Frau

Franziska hat sich Ende 2020 als trans geoutet. (Bild: ida)

Die 39-jährige Franziska änderte vor kurzem auf dem Zivilstandsamt Luzern ihren Vornamen und Geschlechtseintrag. Sie erklärt, warum dieser Schritt für trans Personen von enormer Bedeutung ist – und weswegen sie sich über den einen Missbrauchsfall so ärgert.

Wer sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlt, das ihm oder ihr bei der Geburt zugeteilt wurde, für den ist dieses Jahr ganz besonders.

Denn seit Anfang Jahr ist es in der Schweiz möglich, das offizielle Geschlecht zu ändern. Unkompliziert können trans Menschen das Zivilstandsamt aufsuchen und eine persönliche Erklärung abgeben. Das kostet 75 Franken und dauert vielleicht eine Viertelstunde. Früher war der Weg dahin mühsamer, denn bis Ende 2021 war der Umweg übers Gericht nötig (zentralplus berichtete).

In den insgesamt 12 Zivilstandsämtern in den Kantonen Luzern, Uri und Obwalden haben im Januar 23 Personen Gebrauch von dieser Gesetzesänderung gemacht. Eine von ihnen ist die Luzernerin Franziska.

«Für mich zeigt dies, dass meine Identität auch amtlich akzeptiert wird.»

Am 17. Januar hatte sie ihren Termin im Zivilstandsamt Luzern. Sie sei sehr nervös gewesen, erzählt die 39-Jährige bei einem Treffen im Mardi Gras. Eine halbe Stunde zu früh sei da gewesen, habe ein paar Runden im Innenhof des Stadthauses gedreht. «Seit ich realisiert habe, dass ich trans bin, habe ich mich auf diesen Moment gefreut.»

Geschlechtseintrag ändern: ein emotionaler Moment

Für Aussenstehende mag es vielleicht ein kleiner Schritt sein. Dass auf dem Papier ein neues Geschlecht, ein neuer Vorname steht. «Für mich und viele trans Menschen ist das aber ein enorm wichtiger Schritt», sagt Franziska. «Denn für mich zeigt dies, dass meine Identität auch amtlich akzeptiert wird. Dass der Staat und Institutionen akzeptieren, wer ich bin und meinen neuen, richtigen Namen verwenden.»

Der Besuch auf dem Zivilstandsamt sei einer der schönsten und emotionalsten Momente in ihrem Leben gewesen. «Es gibt nur drei Ereignisse, die schöner waren: die Geburten meiner Kinder.»

Auch auf ID und Krankenkassen-Briefen steht der neue Name

Der Termin dauerte eine knappe Viertelstunde. Franziska musste zweimal unterschreiben – einmal mit ihrem alten Namen, einmal mit ihrem neuen. «Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich meinen richtigen Namen und mein richtiges Geschlecht auf einem Dokument gesehen.» Das war emotional. Auch jetzt, mehr als drei Wochen nach dem Termin, hat Franziska wieder Tränen in den Augen.

Eine Bestätigung hat Franziska mit nach Hause nehmen dürfen. Beim Abendessen mit Freunden und Familie habe sie diesen stolz allen gezeigt. Gesagt, «Schaut, dass bin jetzt ich.»

In den Gesprächen mit einer Psychologin kam der Prozess ins Rollen

Gemerkt, dass Franziska trans ist, hat sie Ende 2020. «Es war eine Abfolge von Katastrophen, die mit meiner Transidentität nichts zu tun hatten, mich aber zur Erkenntnis brachten.»

Im April vor zwei Jahren litt Franziska an einem Burnout. «Glücklicherweise», wie sie heute sagt. «Denn sonst hätte ich nie eine Psychiaterin oder einen Psychologen aufgesucht.» Nach längerer Abklärung wurde unter anderem eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert. «Zwei Mal habe ich in den Gesprächen meiner Psychologin beiläufig gesagt: ‹Wissen Sie, manchmal denke ich, ich würde mich als Frau wohler fühlen.›» Genauer darüber nachgedacht, was ihre eigenen Worte bedeuten, hat sie nicht. Erst als ihre Psychologin ihr beim zweiten Mal die Hausaufgabe mit auf den Weg gegeben habe, zu überlegen, was es bedeuten könne.

Zuhause fertigte die Softwareentwicklerin eine Liste an mit möglichen Gründen an. Punkt für Punkt ging sie durch, durchstrich jeden einzelnen. Bis sie beim letzten Punkt angelangt ist: Transidentität. «Diesen Punkt habe ich nur der Vollständigkeit halber notiert», sagt Franziska. «Ich dachte: Das kann doch nicht sein. Ich doch nicht. Das passiert doch nur anderen.»

Bis Vieles plötzlich Sinn machte

Erst, als sie sich genauer darüber informierte und sie sich auch mit Geschichten anderer trans Menschen auseinandersetzte, hatte sie einige Aha-Erlebnisse. «Ich erkannte mich in vielen Punkten wieder.»

«Ich begann mir vorzustellen, wie es wäre, als Frau zu leben. Das war eine wunderschöne Vorstellung.»

Und sie fand Antworten auf Fragen in ihrer Vergangenheit. Weshalb sie sich früher im Spiegel nicht erkannt hat. «Ich hatte immer das Gefühl, mit meinem Körper stimmt etwas nicht. In der Pubertät wurde das noch viel schlimmer, es stimmte gar nichts mehr überein.» Schliesslich habe sie nicht auf ihren Körper geschaut, wog 25 Kilogramm mehr als heute. «Ich dachte, mein Körper sei es nicht wert, auf ihn zu schauen. Dass da nichts dran ist, was erhaltens- oder schützenswert wäre.»

Rückblickend habe ihr auch der Autismus «geholfen», sagt Franziska. «Für mich war es einfach nur logisch. Ich begann mir vorzustellen, wie es wäre, als Frau zu leben. Das war eine wunderschöne Vorstellung.» Schliesslich posierte sie vor dem Spiegel, schoss ein Selfie von sich, das sie bearbeitete. Sie machte ihre Haare länger, die Gesichtszüge feiner und weiblicher. «Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, mich selbst zu sehen.» Schliesslich outete sie sich im November 2020 im sozialen Umfeld, im Januar 2021 beim Arbeitgeber.

Der eine Missbrauchsfall, der Franziska wütend macht

Kritikerinnen störten sich daran, dass die Gesetzesänderung Missbrauchspotential berge. Die «Luzerner Zeitung» machte einen Fall publik, in dem sich ein 60-jähriger Mann vom Zivilstandsamt zur Frau erklären liess. So wollte er ein Jahr früher zur AHV-Rente kommen (zentralplus berichtete).

«Das machte mich sehr hässig», sagt Franziska. «Es hat mich aber auch enttäuscht und verletzt, dass jemand diese Gesetzesänderung ausnutzt. Einfach aus Spass, um sich einen Vorteil daraus zu erschleichen. Das zeugt von überhaupt keiner Empathie gegenüber trans Personen. Und mit einem Einzelfall macht jemand potenziell etwas kaputt, was für viele trans Personen unglaublich wichtig ist.»

Missbräuche sind sehr selten

Auch die Kommentare unter den Medienberichten waren verletzend. Was Franziska nicht versteht: «Warum mischen sich Leute in das Leben und die Gefühlslage von anderen ein, obwohl es sie nicht im Geringsten betrifft.»

So ein Missbrauch ist laut dem Bundesamt für Justiz aber sehr selten. Abgeben kann eine solche Erklärung, das eingetragene Geschlecht ändern zu wollen, jede Person, die «innerlich fest davon überzeugt» ist, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht zuzugehören.

«Für mich ist es definitiv das Papier mit dem höchsten emotionalen Wert, das ich besitze.»

Auf Anfrage sagt Marco Arnold, Leiter Zivilstandswesen des Kantons Luzern, dass bei den bisher erfolgten Erklärungen im Kanton Luzern die Zivilstandsbeamtinnen von Aufrichtigkeit ausgehen konnten. «Es lagen keine Anhaltspunkte für Missbräuche vor.»

Gibt's künftig ein drittes Geschlecht?

Die Änderung des Zivilgesetzbuches ermöglicht es Menschen «nur» das Geschlecht von Frau zu Mann oder umgekehrt im Personenstandsregister zu ändern. Non-binäre Menschen, also Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, können (noch) kein drittes Geschlecht angeben. Deutschland kennt beispielsweise für non-binäre Menschen die Kategorie «divers».

Ob sich auch in der Schweiz künftig etwas tut, ist noch offen. Derzeit arbeitet die Bundesverwaltung im Auftrag des Parlaments einen Bericht zum Thema aus.

Das Papier mit dem emotional höchsten Stellenwert

In Franziskas Leben hat sich mit dem Besuch auf dem Zivilstandsamt am 17. Januar ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die Bestätigung des Geschlechter- und Namenswechsels will sie sich auch noch einrahmen lassen. Franziska sagt: «Für mich ist es definitiv das Papier mit dem höchsten emotionalen Wert, das ich besitze.»

Mehr zum Thema liest du hier:

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung Bundesamt für Justiz vom 27.10.2021: «Unbürokratische Änderung des Geschlechtseintrags ab 1. Januar 2022»
  • Schriftliche Medienanfragen an Zivilstandsämter
  • Medienbericht «Luzerner Zeitung»: «Wie ein Luzerner mit 75 Franken ein Jahr früher zur AHV-Rente kommt» vom 21.01.2022
  • Persönliches Treffen mit Franziska
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Rosa Luxemburg
    Rosa Luxemburg, 12.02.2022, 17:52 Uhr

    Schön, sind wir endlich soweit.

    Gratuliere zum Schritt und Chapeau fürs Teilen deiner persönlichen Geschichte.

    👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
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