Spezialhostie nur gültig dank Trick

Gottesdienst ja, aber bitte glutenfrei: So machen es Luzerner Kirchen

Die Hostie spielt in der katholischen Kirche eine erhebliche Rolle. (Bild: Adobe Stock)

Die katholische Kirche bietet in Luzern glutenfreie Hostien an. Gemäss Kirchenrecht und Vatikan ist das nicht gültig. Doch es gibt einen Trick.

«Nehmet und esset alle davon» – sie gehört zum Gottesdienst, wie das Gesangsbuch und die schweren Beine beim Aufstehen nach dem Gebet. Die Hostie, eine kleine runde Oblate aus Mehl und Wasser, zergeht mild und sanft auf der Zunge und kündigt zugleich an, dass der Gottesdienst zu Ende geht.

Doch während die meisten katholischen Gläubigen ganz unbeschwert den «Leib Christi» empfangen, gibt es andere, deren Körper rebelliert. Nicht spirituell, sondern ganz physisch: mit Übelkeit, Verstopfung oder Durchfall.

Gläubige mit Glutenintoleranz

Die Rede ist von Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine Allergie, sondern um eine Erkrankung des Dünndarms. Dieser ist nicht in der Lage, das Klebereiweiss Gluten, das in den meisten Getreidesorten vorkommt, richtig zu verarbeiten. Wer seine Zöliakie ignoriert, riskiert eine chronische Entzündung des Darms.

Glutenfreie Burger, glutenfreies Brot, glutenfreie Pizza: Die Gastronomie von Luzern hat sich an die Einschränkungen angepasst (zentralplus berichtete). Doch wie sich zeigt, deutlich später als die katholische Kirche. Denn in den Glaubensgemeinschaften gebe es glutenfreie Hostien schon seit rund 15 Jahren, erzählt Urban Schwegler, Kommunikationschef der katholischen Kirche Stadt Luzern, gegenüber zentralplus. «Nur weiss das fast niemand.»

Hofkirche bestellt jährlich 30 glutenfreie Hostien

Die Luzerner Hofkirche bestelle zum Beispiel jedes Jahr glutenfreie Hostien, sagt Schwegler. Er habe dafür extra beim zuständigen Sakristan nachgefragt. Inklusive Versandkosten müsse die Hofkirche für die Mindestbestellmenge von 30 glutenfreien Hostien rund 40 Franken zahlen.

Die Hofkirche Luzern bietet glutenfreie Alternativen an. (Bild: mik)

Gerade einmal die Hälfte der Bestellung werde auch verbraucht, denn die Nachfrage sei wirklich gering, so Schwegler. Daher ist auch nicht schlimm, dass die glutenfreien Hostien mit etwas mehr als einem Franken pro Stück rund 13-mal teurer sind als das Original. Eine klassische Weizenoblate kostet nur 0,075 Franken. Ganze 8000 Stück davon bestellt die Hofkirche in der Regel auf einmal.

Schwegler sagt, es gehe bei dem glutenfreien Angebot nicht darum, «bewusst ein anderes Publikum» anzusprechen. Dominik Thali von der Kommunikation der katholischen Landeskirche Luzern ergänzt: «Die Kirche will schlicht Menschen, die an Zöliakie leiden, ermöglichen zu kommunizieren.»

Glutenfreie Hostien sind für die Kommunion «ungültige Materie»

So schön, so gut. Ein paar Hostien aus Reis- und Maismehl für Gläubige mit Glutenintoleranz. Doch so leicht ist es nicht. Denn eine Hostie ganz ohne Gluten wäre gemäss Kirchenrecht für die Eucharistiefeier nicht erlaubt, schreibt das «Kantonale Pfarreiblatt Luzern» in einem Artikel diese Woche. Es hat sich mit dem Thema glutenfreie Hostien näher auseinandergesetzt.

Umfrage vom «Kantonalen Pfarreiblatt Luzern»

Um herauszufinden, wie verbreitet die glutenfreie Hostie in Luzern ist, hat das «Kantonale Pfarreiblatt Luzern» eine Umfrage gestartet. Sie zeigt, dass die Pfarreien das Thema unterschiedlich handhaben.

In den Luzerner Pfarreien St. Paul und Maria zu Franziskanern bringen Betroffene die glutenfreien Hostien selbst mit und übergeben sie vor dem Gottesdienst den Verantwortlichen.

Im Pastoralraum Hürntal wird in jedem Sonntagsgottesdienst gesagt, wer die glutenfreien Hostien austeilt. In der Luzerner Pfarrei St. Johannes werden diese immer an derselben Stelle ausgeteilt.

Der Prediger in Kriens hat in der Hostienschale immer auch ein Döslein mit gewandelten glutenfreien Hostien.

In Emmen-Rothenburg ist eine betroffene Person bekannt, die regelmässig in den Gottesdienst kommt und jeweils am gleichen Ort sitzt. Für sie wird eine glutenfreie Hostie in einer kleinen Glasschale bereitgestellt.

Rain dagegen hat eine andere Lösung gefunden: Die betroffene Person bringt ihr eigenes Knäckebrot in kleinen Stücken mit und gibt dieses vorgängig in der Sakristei ab.

Eine vom Pfarreiblatt angefragte Theologieprofessorin erklärt, warum. Man richte sich bei der Kommunion nach der Praxis Jesu beim Abendmahl. Und dieser habe das zu biblischen Zeiten gebräuchliche Brot aus Weizenmehl verteilt.

Im Jahr 2017 erklärte der Vatikan daher weltweit: Glutenfreie Hostien sind für die Kommunion «ungültige Materie». Doch warum dürfen die Kirchgemeinden trotzdem glutenfreie Hostien an die Gläubigen verteilen? Das Geheimnis liegt in der Rezeptur.

Die Lösung liegt in der Rezeptur

Die Kirchgemeinden verwenden glutenfreie Hostien, die 14 Milligramm Gluten pro Kilogramm Mehl enthalten. Damit enthalten sie so wenig Gluten, dass sie in der Schweiz als glutenfreies Produkt verkauft werden dürfen. Aber so viel, dass sie kirchenrechtlich zur Kommunion zugelassen sind.

Die «IG Zöliakie der Deutschen Schweiz» bestätigt auf Anfrage von zentralplus, dass besagte Hostien für Menschen mit Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit unbedenklich sind.

Den Schweizer Vertrieb der glutenfreien Hostien organisiert die Hostienbäckerei im Kloster Hermetschwil. Die Schwestern kaufen die Alternativoblaten aus Deutschland. Wie das «Kantonale Pfarreiblatt Luzern» schreibt, ist die Nachfrage gross. Rund 3000 glutenfreie Hostien verschicken die katholischen Schwestern aus dem Aargau jährlich in die ganze Schweiz.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit der «IG Zöliakie der Deutschen Schweiz»
  • Schriftlicher Austausch mit Dominik Thali, Kommunikation katholische Landeskirche Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Urban Schwegler, Kommunikation katholische Kirche Stadt Luzern
  • Artikel auf «Die Presse»
  • Artikel auf «kath.ch»
  • Artikel im «Kantonalen Pfarreiblatt Luzern»
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Charles
    Charles, 02.10.2023, 12:09 Uhr

    Ein wichtiges Thema.
    Da gäbe es noch ein anderes Thema wo man berichten könnte.

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  • Profilfoto von Sapperlotta
    Sapperlotta, 01.10.2023, 16:03 Uhr

    Wie erkennt ein Priester die Gläubigen mit Zöliakie? Ist der Anteil Gluten in einer Hostie auch ein Dogma?

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    • Profilfoto von Nina 64
      Nina 64, 03.10.2023, 07:23 Uhr

      Guten Morgen Sapperlotta,
      Der Gottesdienstbesucher bringt seine glutenfreie Hostie in einer Hosienschatulle mit und übergibt sie der Sakristanin. Bei der Kommunion kommt der Messebesucher am Schluss nach vorne und bekommt seine mitgebrachte Hostie vom Priester in die Hand überreicht, wie alle anderen auch. So ist eine Verwechslung ausgeschlossen.
      Es Grüessli

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