Gesellschaft
Zuger Festareal bereits von Schwingfans geflutet

ESAF-Touristen pilgern zum Gabentempel, als wär’s ein Wallfahrtsort

Der Gabentempel zieht viel Publikum an – bereits weit vor dem Start des Schwingfests. (Bild: Andy Mettler/swiss-image.ch)

Fürs «Eidgenössische» am kommenden Wochenende werden mehrere Hunderttausend Besucher in Zug erwartet. Bereits seit einer Weile herrscht Hochbetrieb am Rande des Zuger Herti-Quartiers. Das sorgt für Immissionen. Neben viel Begeisterung gibt es daher einige Misstöne.

Familien ziehen der Zuger Allmendstrasse entlang, wo von der Schwingerallee erst eine Reihe geschlossener Verpflegungsstände und Wegweiser zu sehen sind. Trachtengruppen streben den Stierenstallungen zu.

Fangruppen rekognoszieren die Festbeiz. Alle besichtigen den Gabentempel, wo sich der Hauptpreis, der Muni «Kolin», geduldig ablichten lässt.

«Wir wussten von früheren ESAF, dass das Festgelände bereits im Vorfeld viele Interessenten anzieht», sagt Freddy Trütsch, Medienchef des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests (ESAF) 2019 in Zug.

Entsprechend hat das Organisationskomitee ein Besucherzentrum auf dem Gelände eingerichtet, geführte Touren auf dem Areal organisiert und für die Gabenbeiz auf dem Braunviehzuchtareal ein Unterhaltungsprogramm auf die Beine gestellt, das schon seit über einer Woche läuft.

Touristen im Herti-Quartier

Die Bevölkerung in den angrenzenden Quartieren – rund 7000 Seelen – dürfte indes überrascht sein von den Besuchermassen, die jeden Tag in ihrer Nachbarschaft auftauchen.

Kolin: Geduldig erträgt der Stier den Besuch von Tausenden. (Bild: Markus Mathis)

Von einer Ecke des Stierenmarktareals fährt jede halbe Stunde eine touristische Bimmelbahn zu einer Baustellenbesichtigung los. Ein älterer Herr erkundigt sich, ob er die Rundfahrt mitmachen könne. «Leider alles ausgebucht», schallt es ihm entgegen. Und zwar bis um 19 Uhr abends.

Sehenswürdigkeiten: Plachen und Stangen

Richard Abt wartet auf die nächste Gruppe, die er übers Gelände führen will. Sieben Mal macht er das während zwei Tagen. Sein Sohn, der im OK sitzt, habe ihn für den Einsatz begeistert, erzählt er.

Doch was interessiert die Besucher am Festgelände, das vorab aus Stangen und Plachen besteht? Wo noch emsig gearbeitet wird? Wo kaum etwas geöffnet ist? Und was am Gabentempel, der mehr oder weniger den Inhalt eines Baumarkts und eines Kuhstalls enthält?

«Sie interessieren sich für das Ereignis an sich», meint Abt. Viele Besucher stammten nicht aus eigentlichen Schwingerkreisen. Etliche kämen im Rahmen eines Betriebsausflugs. Sie wollten sich aber über den Grossevent informieren. Wie es abläuft oder wie das Nachhaltigkeitskonzept aussehe. Mit dem «Touri-Train» werden sie von den Stierenstallungen zum Besucherzentrum neben der ESAF-Arena gebracht.

Schwingerbrücke für die Gladiatoren

Dort gibt es eine Ausstellung zum Schwingen und zu den «Eidgenössischen». Abt erzählt auch über den Sport an sich, über «Schlungg» und «Kurz». Aber oft bleibe dafür wenig Zeit, meint er. Zu vieles gebe es während der eineinhalbstündigen Führung zu besichtigen.

Die ESAF-Touristen schauen sich das abgeschirmte Schwingercamp an und schreiten über die Schwingerbrücke in die Arena – genau so, wie es in wenigen Tagen die «Bösen» tun werden. Die Arena ist ansonsten gesperrt und wird bewacht – nur die Tribüne F auf der Ostseite ist der Öffentlichkeit zugänglich.

Besucher auf der frei zugänglichen Tribüne F der ESAF-Arena in Zug. (Bild: Markus Mathis)

Dort treffen wir auf eine junge Familie, die gleich neben der Arena wohnt. Die beiden Kleinkinder kreischen begeistert und rennen durch die Zuschauerreihen. Ob sie am kommenden Wochenende auch hier sein werden? «Nein, wir flüchten zu Freunden», sagt der Vater. «Die Arena ist für die Kinder ja schon interessant, aber der ganze Baulärm und die zahlreichen Leute – das ist uns einfach zu viel», sagt die Mutter. Und fügt an: «Schreiben Sie: Es wäre schön, wenn die Anwohner auch ein bisschen etwas vom Fest hätten.»

Arbeiten von sieben Uhr früh bis am Abend

Das OK muss sie gehört haben. Einen Tag nach unserem Baustellenbesuch gab es bekannt, alle Bewohner des Herti-Quartiers mit einem Einkaufsgutschein über 10 oder 15 Franken zu entschädigen (zentralplus berichtete). «Es ist eine Geste, die das Organisationskomitee bereits vergangene Woche beschlossen hat» sagt OK-Chef Heinz Tännler.

«Wir wollen nicht verschweigen, dass wir einzelne Reklamationen hatten.»

Heinz Tännler, OK-Chef

Zwar verhalten sich die Besucher gesittet und laufen nicht durchs Wohnquartier, sondern sie laufen an der Allmendstrasse entlang. Wohl sind die Abendveranstaltungen in der Gabenbeiz bei Weitem nicht so laut zu hören wie jeweils jene während des Zuger Stierenmarkts. Zwar erfolgt der meiste Zubringerverkehr zur ESAF-Baustelle von der dem Wohnquartier abgewandten Seite her.

«Aber wo gearbeitet wird, da gibt es eben Lärm», so Tännler. Das Klackern der Eisenstangen beim Aufstellen der Gerüste ertönt manchmal bis 18.30 Uhr abends, Lautsprecheranlagen werden am Morgen getestet und die Allmendstrasse wird stark befahren.

Material fürs ESAF in Zug wird über die Letzi herangeführt. Solche Fahrzeuge sieht man oft rund ums Quartier. (Bild: Markus Mathis)

Wahrgenommen wird der Lärm nicht überall gleich stark. Vor allem die Bewohner der vordersten Häuser an der Allmendstrasse und die Leute der neuen Wohnsiedlung an der Eichwaldstrasse sind betroffen.

Lärm am heiligen Feiertag

«Die Begeisterung übers ESAF ist auch im Herti-Quartier gross», sagt Tännler. «Aber wir wollen nicht verschweigen, dass wir einzelne Reklamationen hatten.» Die Aufbauphase fürs ESAF dauerte lang. Das sei wohl unterschätzt worden, sinniert er.

Tännler suchte das persönliche Gepräch mit einigen der Unzufriedenen. «Niemand hatte etwas gegen das ESAF an sich, sondern einige Leute hatten Mühe mit den Immissionen», sagt er. Dass die Aufbauarbeiten am vergangenen Donnerstag, an Mariä Himmelfahrt, ungebremst weiter gingen, stiess einigen Leuten auf.

Weiteres Zückerli möglich

Lärm und Verkehrseinschränkungen wird es auch noch während des ESAF und beim Abbau geben – auch wenn der nicht so lange dauern wird wie der Aufbau. Dieser nahm mehrere Monate in Anspruch.

«Das OK wird sich überlegen, wie es seinen Respekt für die Bevölkerung des Herti-Quartiers und für ihre Toleranz auch nach dem ESAF ausdrücken kann», sagt Tännler. Ob es dann ein erneutes Zückerli für die Anwohner gibt, hängt vom Geschäftsverlauf ab. Die Einkaufsgutscheine, die in den nächsten Tagen verschickt werden, kommen auf rund 100'000 Franken zu stehen und werden laut Tännler dem ordentlichen Budget entnommen.

«Wenn am Ende die Einnahmen nicht ausreichen, wird das OK Einschnitte bei seiner eigenen Entlöhnung vornehmen», so Tännler. Fürs Organisationskomitee gibt es das gleiche Entgelt wie für die 6000 «Chrampfer», die sich als Freiwillige fürs ESAF gemeldet haben: Vorgesehen sind acht Franken pro Stunde.

Weitere Aufnahmen vom ESAF-Festgelände in Zug und ihren Besuchern seht ihr in der Bildstrecke:

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