Nicht nur wegen Weltlage: Darum kaufen Zuger mehr Waffen
Die Zahl der Waffenkäufe hat in Zug im vergangenen Jahr markant zugenommen. Dabei dürfte die Weltlage eine Rolle spielen. Aber auch die Freude am «meditativen Charakter» des Schiessens.
Im Kanton Zug nahm die Zahl der Waffengesuche 2023 im Vergleich zu den Vorjahren stark zu (zentralplus berichtete). Wurden von den Behörden im Jahr 2022 noch 764 Waffen bewilligt, waren es 2023 bereits 975. Das entspricht einer Zunahme von knapp 25 Prozent. Der Blick über die Kantonsgrenzen zeigt hingegen ein anderes Bild: Weder in Luzern noch in Zürich stiegen die Zahlen derart stark an.
Auf mögliche Gründe angesprochen, äusserte sich die Zuger Sicherheitsdirektorin Laura Dittli (Mitte) gegenüber zentralplus wie folgt: «Die starke Zunahme der vergangenen Jahre ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass der Schiesssport populärer geworden ist.»
Beliebtheit der Schützenvereine stieg nicht an
Bloss: Die Schiessvereine spüren davon wenig. Philipp Ammann, der Medienverantwortliche des Schweizer Schiesssport Verbands (SSV), erklärt auf Anfrage: «Der SSV zählt aktuell rund 130’000 Schützinnen und Schützen. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren konstant geblieben.» Rückläufig sei seit der Pandemie hingegen die Anzahl der lizenzierten Schützen, also jener Schiessfreunde, die auch an nationalen Wettkämpfen teilnehmen.
Dass Schützenvereine nicht gerade überschwemmt werden mit Neumitgliedern, lässt sich auch dem letztjährigen Jahresbericht entnehmen, in welchem der Präsident des SSV betont, dass die Mitgliedergewinnung in den Vereinen zentral bleibe. Insbesondere würden viele Schützenvereine gegen die Überalterung kämpfen. Dies, obwohl man ein steigendes Interesse bei Jungschützenkursen beobachte. Speziell die Zahl junger Frauen nehme zu.
Diese Tendenz lässt sich hauptsächlich im Vergleich zu 2013 feststellen. Damals waren 1112 Jungschützinnen aktiv, 2022 waren es 1800. Die unten stehende Grafik zeigt jedoch, dass die Zahl in den Jahren ab 2016 auch bei den Jungschützen eher stagnierte und insbesondere durch Corona einen Knick erlitt.
Auf gesamtschweizerischer Ebene lässt sich also eine Zunahme von Vereinsschützen nicht feststellen. Auch Marcel Huber, der Präsident des Zentralschweizer Sportschützen-Verbands, sagt auf Anfrage: «Wir spüren keinen riesigen Andrang.» Wie die Zahlen im Kanton Zug aussehen, bleibt derweil unklar. Der Zuger Kantonalschützenverband hat die Anfrage von zentralplus noch nicht beantwortet.
Gibt es wirklich mehr private Schiesskeller?
Anders sieht es offenbar bei den privaten Schiessanlagen aus. Im Kanton Zug gibt es eine einzige private Anlage, nämlich jene von Elite Guard im Hünenberger Industriegebiet Bösch. Der Belegungskalender der Anlage zeigt, dass diese in den kommenden Wochen gut gebucht ist, selbst vormittags an Wochentagen.
Wer hier schiessen möchte, muss nicht Mitglied eines Vereins sein. Kosmas Mutter, Geschäftsführer von Elite Guard, betont jedoch: «Bei uns geht niemand ein und aus, der nicht durch uns kontrolliert und registriert wurde.»
Jede Schützin, die in die Anlage käme, müsse ihre Personalien registrieren und eine entsprechende Versicherung vorweisen. Ausserdem brauche es einen Kompetenznachweis, dass die Person im Gebrauch ihrer Waffe fundiert geschult worden sei. Die Firma bietet entsprechende Angebote selbst an: von der Ausbildung für den professionellen Sicherheitsdienst über Schiessangebote bis hin zu Pfefferspray- und Eigenschutzkurse für Private.
«Beim Kauf einer Waffe wird jeweils ein Strafregisterauszug vorgelegt. Somit sind wir diesbezüglich weitgehend abgesichert. Es gibt jedoch einzelne Fälle, in denen wir persönlich einen Zentralstrafregisterauszug einfordern», so Mutter.
Einen Grossteil der Schützen kenne man im Unternehmen bereits, da diese immer wiederkämen. «Viele von ihnen arbeiten bei Blaulichtorganisationen, beim Grenzschutz, bei der Polizei oder Armee. Sie wollen in ihrer Freizeit ihre persönlichen Fähigkeiten in unserer Schiessanlage ausbauen und trainieren.» Doch gebe es auch immer mehr Privatpersonen, die das Schiessen für sich entdecken würden.
Das Date im Schiesskeller
«Viele Leute möchten sich keinem Verein verpflichten, aber dennoch regelmässig in einem kontrollierten Rahmen schiessen. Solche Menschen kommen beispielsweise zu uns.» Beim Einholen eines Waffenerwerbsscheins bei der Polizei lege ihnen diese zwar jeweils ans Herz, sich einem Verein anzuschliessen. «Zwingen kann man sie jedoch nicht.»
Mutter erzählt: «Immer mehr kommt es vor, dass Paare miteinander schiessen gehen, quasi als gemeinsames Hobby und Verabredung, anstatt miteinander tanzen zu gehen.» Er erzählt von einer weiteren Erkenntnis der vergangenen Jahre: «Manchmal wirkt es, als würden Frauen, die zum ersten Mal bei uns sind, von ihren Partnern dazu Schein-genötigt. Sobald sie jedoch das erste Mal geschossen haben, sind sie hellauf begeistert.»
Für Mutter ist das gut nachvollziehbar: «Die Kraft, die bei einem Schuss abgeht, verleiht einem ein Macht- und Kontrollgefühl. Ich habe eine Zeit lang Pfeilbogen geschossen. Das Gefühl dort ist ganz ähnlich. Das Gefühl, eine Waffe zu beherrschen, ist aussergewöhnlich und hat einen meditativen Charakter.»
Die Weltlage war auch schon gemütlicher. Auf die Frage, ob dies ein Grund sein könnte, warum mehr Menschen das Schiessen lernen möchten, antwortet Mutter: «Dadurch, dass es mehr privat geführte Schiessanlagen gibt, ist es einfacher geworden, dieses Hobby in der Nähe des eigenen Wohnorts auszuführen. Dabei steht gemäss meinen Erfahrungen der Spass am Schiessen und die Spannung im Vordergrund. Der Sicherheitsgedanke ist zweitrangig.»
Andere Fachleute schätzen die Situation diesbezüglich etwas anders ein. Hansruedi Reichenbach war einst Präsident des Zuger Kantonalschützenverbands. «Ich glaube, in geopolitisch schwierigen Zeiten wie diesen haben die Leute gerne etwas Handfestes, das ihnen ein Sicherheitsgefühl gibt.»
Daniel Wyss ist Präsident des Schweizerischen Büchsenmacher- und Waffenfachhändlerverbands (SBV). Er sagt: «Tatsächlich verzeichnen wir schweizweit seit Jahren eine Zunahme an Waffenverkäufen. Und wir orakeln schon lange darüber, weshalb das so ist.» Er sieht insbesondere drei Gründe für die Zunahme: «Zum einen gibt es die Leute, die technisch interessiert sind und gerne Waffen sammeln. Dazu kommen jene, die in ihrer Freizeit schiessen. Ausserdem gibt es Leute, die beunruhigt sind darüber, was in der Welt passiert, und so hoffen, zumindest sich und ihre Familien schützen zu können. Diese letzte Gruppe macht jedoch nur einen kleinen Anteil aus.»
Schiessen ohne Ausbildung: Eine schlechte Idee
Wyss gibt zudem zu bedenken: «Wenn ich das Bedürfnis habe, mich schneller durch den Verkehr zu bewegen, kann ich nicht einfach ein Auto kaufen und losfahren. Ich brauche dafür eine Autoprüfung.» Ähnlich verhalte es sich beim Umgang mit Waffen. «Es wäre falsch zu glauben, man könne sich verteidigen, ohne zuvor eine entsprechende Ausbildung gemacht zu haben.»
Dass Schiesskurse aus Gründen der Sicherheit absolviert werden, kann Wyss ebenso wenig bestätigen wie Mutter. «Die Leute besuchen unsere Pistolenkurse primär aus Interesse am Schiessen, und weil sie wissen wollen, wie treffsicher sie sind. Es geht vielmehr ums Erlebnis als um den Wunsch nach Verteidigung.»
Diese Erfahrung macht auch Hansruedi Reichenbach, der in Zug insbesondere Jungschützenkurse anbietet. «Die Kurse erfreuen sich grosser Beliebtheit. Dies jedoch, weil die Mitglieder Lust haben, an Wettkämpfen und am Jahresprogramm teilzunehmen. Die Weltlage ist dabei gar kein Thema.»
Das allgemeine Sicherheitsgefühl sinkt leicht
Wie viele Menschen sich tatsächlich aufgrund der unsicheren geopolitischen Lage eine Waffe kaufen, ist schwierig zu beziffern. Wer gibt schon gerne zu, sich zu fürchten? Dass die Weltlage einen Einfluss auf das persönliche Sicherheitsgefühl hat, wurde jedoch unlängst in einer Studie der ETH Zürich bestätigt. Gemäss Erhebungen, basierend auf über 1200 Interviews, die im Januar 2024 durchgeführt wurden, bewerten Schweizer Stimmberechtigte «die zukünftige Entwicklung der weltpolitischen Lage signifikant weniger optimistisch als noch im Januar 2023». Dies dürfte vorwiegend mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 zusammenhängen.
Mit 90 Prozent fühlte sich ein leicht tieferer Anteil der Befragten grundsätzlich sicher (Vorjahr 92 Prozent). Sechs Prozent befanden jedoch, dass sich die Schweiz nur auf ihre eigene Landesverteidigung verlassen solle (39 Prozent, Vorjahr 33 Prozent).
Tigga, 09.05.2024, 13:43 Uhr Das die Vereine nicht mehr Mitglieder verzeichnen ist dem SSV geschuldet der sich lieber überlegt wie man hoch-betagte Schützen weiter schiessen lassen kann, statt sich zu überlegen warum die Leute lieber in die Schiesskeller gehen. Selbst wenn man beim statischen schiessen bleibt könnte man deutlich mehr bieten als stur auf 25m/50m immer die selbe Ringscheibe zu lochen.
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterErich Staub, 08.05.2024, 17:11 Uhr Wann endlich wird die Produktion von Waffen gestoppt? Produktion, Handel und Besitz setzen nur auf Zerstörung.
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runterTigga, 09.05.2024, 13:44 Uhr Das wird zeitgleich mit der kompletten Auslöschung der Menschheit geschehen. Davor wird es immer welche geben die es nicht schaffen sich ohne Waffen zu behaupten, dementsprechend müssen die anderen sich bewaffnen damit sie sich wehren können.
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